Boris Johnson hat keinen Plan – außer dem No-Deal-Brexit
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Boris Johnson ist auf Europatour. In Berlin, Paris und beim G7-Gipfel in Biarritz will er für seine Vorstellung des Brexit werben. Britische Journalisten ließ er zuvor wissen: Er wolle keinen harten Brexit und die „europäischen Freunde“ ja auch nicht, aber die hätten nun einmal seine Idee noch nicht ganz verstanden und also brauche man noch ein wenig Geduld. Dann würde schon alles gut werden.
Johnsons groß angelegter Bluff
Um es klar zu sagen: Johnson selbst glaubt auch nicht eine Minute an das, was er da gesagt hat: Das war nichts weiter, als eine Märchenstunde, ein groß angelegter Bluff. Man müsste eigentlich die Worte seiner Vorstellung des Brexit in Anführungszeichen setzen. Es klingt sonst so, als hätte er eine. Dem ist mitnichten so. Boris Johnson hat keine neue Idee zum Brexit, nicht eine einzige, auch nicht zum Nordirland-Backstop. Warum also macht der britische Premier die Reise? Was und wen will er erreichen?
Als erstes muss man festhalten: Selbstverständlich hat Großbritannien das Recht, die EU zu verlassen, jederzeit. Das ist keine Frage. – Ob das klug ist, steht auf einem anderen Blatt. – Daraus folgt zweitens: Man verfasst gemeinsam einen Vertrag, um die Modalitäten des Austritts zu regeln - so wie man ja auch einen zum Eintritt in die EU geschlossen hatte; Großbritannien bezahlt seine beträchtlichen Schulden, und man regelt das zukünftige Umgehen des Vereinigten Königreichs und der EU-Staaten miteinander. Das wäre ein Deal, den das britische Parlament ausdrücklich mehrfach gefordert hat.
Hardcore-Brexiteers wollen Rosinenpicken
Klingt ganz einfach – könnte es auch sein. Wenn, ja wenn die Brexiteers das wollten. Den Vertrag gibt es, fertig ausgehandelt und unterschriftsreif, fair für beide Seiten. Allein, die hardcore-Brexiteers wollen das nicht. Sie bestehen darauf, alle Vorteile der EU-Mitgliedschaft zu behalten und gleichzeitig da, wo es ihnen passt, gesonderte Verträge abzuschließen. Sie wollen einerseits uneingeschränkten Zugang zum europäischen Binnenmarkt, aber andererseits die Freizügigkeit für Bürger und Waren vom Kontinent einschränken. Das wird so nicht gehen. Das kann so nicht gehen.
Das Problem kulminiert im sogenannten backstop, der im übrigen erst am 1. Januar 2021 in Kraft treten würde, und auch nur dann, wenn es bis dahin keine Regelung für die Grenze zwischen der Republik Irland, einem Mitglied der EU, und Nordirland als Teil Großbritanniens gäbe. Bis dahin bleibt Großbritannien Mitglied einer Zollunion mit der EU und dürfte, streng genommen, den angekündigten Handelsvertrag mit den USA gar nicht abschließen.
Johnson legt keine Vorschläge vor
Natürlich lässt sich das ändern, auch das jederzeit. Boris Johnson müsste lediglich einen (praktikablen) Vorschlag unterbreiten, wie die irisch-nordirische Grenze offen bleiben kann, um dort nicht wieder kriegerische Auseinandersetzungen aufflammen zu lassen.
Aber dafür hat Boris Johnson eben keinen Plan. Er hat ihn, wie alle Brexiteers nie gehabt, und es steht zu befürchten, dass er darüber noch nicht einmal nachgedacht hat. Die Wahrheit ist: Es handelt sich um ein britisches Problem. Großbritannien will deutlich machen, dass Nordirland Teil Großbritanniens ist. Aber um die Probleme, die das verursacht, um die sollen sich bitte andere kümmern, genau wie um die Kosten.
Nicht mehr als ein Schwarzer-Peter-Spiel
Und damit zur Ausgangsfrage, wen Johnson erreichen will? Auch da ist die Antwort klar. Es geht ihm nicht um die EU-Kommission, nicht um Deutschland oder Frankreich, sondern ausschließlich um die Wähler im Vereinigten Königreich. Die Abfuhr in Berlin und Paris war schon vor der Reise eingepreist. Es ist ein Schwarzer-Peter-Spiel, und Johnson will vorführen, die EU sei „böse und uneinsichtig“, hätte sich keinen Deut bewegt und sei daher Schuld am „No-Deal-Brexit“.
Johnson spielt „hardball“ und zwar mit extrem harten Bandagen. Er steuert direkt auf den no-deal zu, beteuert aber das Gegenteil. Alles dreht sich um die Schuldfrage. Das ist Wahlkampf. Und sonst nichts.
Aus London kommt nichts Konkretes
Wollte Johnson tatsächlich ein anderes Ergebnis, er müsste nur einen Vorschlag unterbreiten, zumindest einen Ansatz, und schon würde verhandelt. Sei es über eine zeitliche Begrenzung des backstop, sei es über eine andere Lösung, ähnlich der zum Beispiel, für die Grenze zwischen Spanien und Gibraltar.