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Nach der Annullierung der Präsidentschaftswahl: Warum Rumänien in Aufruhr ist

Nach der Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien ist die Lage im Land angespannt. Dass im ersten Wahlgang Rechtsextremist Georgescu vorne lag, sieht Anna-Lena Koschig von der Friedrich-Ebert-Stiftung auch als Zeichen für Unzufriedenheit in der Bevölkerung – und der Angst vor dem Krieg in der Ukraine.

von Kai Doering · 11. Dezember 2024
Stimmabgabe bei der – inzwischen annullierten – Präsidentschaftswahl in Rumänien: Die Menschen wussten einfach nicht, wen sie wählen sollten.

Stimmabgabe bei der – inzwischen annullierten – Präsidentschaftswahl in Rumänien: Die Menschen wussten einfach nicht, wen sie wählen sollten.

Kurz bevor am vergangenen Sonntag der zweite Durchgang der Präsidentschaftswahl stattfinden sollte, hat das rumänische Verfassungsgericht die gesamte Wahl annulliert. Wie kam es dazu?

Der rumänische Geheimdienst hat aufgedeckt, dass „ein staatlicher Akteur“, bei dem es sich vermutlich um Russland handelt, in den Wahlprozess eingegriffen hat, um einen rechtsextremen Kandidaten zu begünstigen. Auch wenn noch nicht alle Hintergründe aufgeklärt sind, war das für das Verfassungsgericht Grund genug, die Wahl zu annullieren, die zweite Runde abzusagen und einen vollständigen Neustart des Wahlprozesses anzuordnen.

Wie soll der aussehen?

Die politische Situation in Rumänien ist insgesamt sehr unsicher, denn eine Woche nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl wurde auch das Parlament neu gewählt. Bei dieser Wahl gab es einen klaren Rechtsruck und die bisherige Regierung hat keine Mehrheit mehr. Deshalb finden zurzeit intensive Gespräche über die Bildung einer neuen Koalition statt. Erst wenn diese feststeht, kann das Datum für die neue Präsidentschaftswahl festgelegt werden, inklusive aller Fristen für die Erklärung der Kandidaturen und das Einreichen von Unterstützungsunterschriften.

Gibt es bei allen Unwägbarkeiten bereits einen Terminvorschlag für die Neuauflage der Präsidentschaftswahl?

Ein Termin, der im Gespräch ist, ist Mitte, Ende März. Damit würde dann zumindest vor Ostern die neue Präsidentschaftswahl stattfinden können.

Anna-Lena
Koschig

Auf den Straßen wird so viel über Politik diskutiert wie nie zuvor.

Die Amtszeit des bisherigen Präsidenten Klaus Johannis endet bereits am 21. Dezember. Wäre das ein Problem?

Nicht direkt. Johannis hat bereits angeboten, dass er die Zeit bis zur Wahl seines Nachfolgers überbrücken würde. In der Bevölkerung kommt das aber nicht so gut an, denn Johannis wurde als sehr untätig und passiv wahrgenommen in den letzten Jahren. Viele sind froh, wenn es endlich einen Nachfolger gibt.

Wie hat die Bevölkerung die Annullierung und Neuansetzung der Präsidentschaftswahl aufgenommen?

Auf den Straßen wird so viel über Politik diskutiert wie nie zuvor. Was die Entscheidung für die Wiederholung der Wahl angeht, ist die Bevölkerung gespalten. Es gibt natürlich Stimmen, die das absolut nachvollziehbar finden und richtig, dass man die Wahl jetzt annulliert und neue Wahlen aufgesetzt hat. Aber es gibt auch einen großen Teil der Bevölkerung, der die Entscheidung des Verfassungsgerichts als massive Einmischung in den demokratischen Wahlprozess sieht und das vor allem den Parteien anlastet, die jetzt auch bei der Parlamentswahl stark verloren haben. 

Die liberal-konservative Präsidentschaftskandidatin Elena Lasconi, die in der Stichwahl gegen den Rechtsextremen Călin Georgescu angetreten wäre, hat gesagt, die Demokratie werde durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts „mit Füßen getreten“. Wie groß ist der Schaden, den die rumänische Demokratie in den vergangenen Tagen genommen hat?

Rumänien steht vor schwierigen Zeiten, und das aus mehreren Gründen. Zum einen beobachten wir jetzt diesen Rechtsruck bei den Wahlergebnissen. Die politischen Kräfteverhältnisse haben sich verschoben. Hinzu kommt die mutmaßliche Einmischung von außen, indem mit einer TikTok-Kampagne ein extremistischer Kandidat nach vorne katapultiert wurde. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass diese Kampagne nur deshalb erfolgreich sein konnte, weil es bereits eine sehr große Unzufriedenheit in der Bevölkerung gab und gibt. 

Woran machen Sie die fest?

Das Gefühl, abgehängt zu sein und keinen Zugang zum Wohlstand zu haben, ist tief eingesickert in die rumänische Bevölkerung. Hinzu kommt, dass der Krieg in der Ukraine die Menschen hier sehr viel mehr zu bewegen scheint, als es die Parteien und auch die öffentliche Diskussion abbilden. Călin Georgescu und andere haben diese Lücke offenbar identifiziert, die vorher kein anderer politischer und auch kein gesellschaftlicher Akteur so wahrgenommen hat.

Haben die anderen Parteien das inzwischen verstanden?

Ich habe den Eindruck, zum Teil schon. Aber das ist etwas, das sich nicht von heute auf morgen ändern lässt, weil es auch mit Vertrauen zu tun hat. Wir sehen einzelne Personen, die durchaus wahrnehmen, dass das Ergebnis der Parlamentswahl und auch das des nun annullierten ersten Durchgangs der Präsidentschaftswahl eine echte Absage auch an die vorherrschende Politik war und eben nicht nur ein von außen gesteuerter Prozess. Die Sorge ist groß, dass die politischen Akteure beim Status quo bleiben und dass sich diese Spaltung in der Gesellschaft, diese Unzufriedenheit und Enttäuschung noch verstärken könnte bei den nächsten Wahlen.

Anna-Lena
Koschig

Die kommenden Wochen dürften weiter unruhig bleiben.

Wie ist die Lage bei den Sozialdemokraten, die bei der Parlamentswahl zwar stärkste Kraft geworden sind, aber deutlich geschwächt wurden?

Die Sozialdemokraten spielen in diesem Prozess eine ganz zentrale Rolle. Gleichzeitig ist es extrem schwierig, so eine große Partei mit sehr unterschiedlichen Flügeln und Stimmen in eine gemeinsame Richtung umzusteuern. In der Partei gibt es zurzeit einen sehr grundlegenden Richtungsstreit, ob man beim proeuropäischen demokratischen Kurs bleibt oder ob besser wieder alte, eher nationalistische Muster stärker nach vorne treten sollten.

Hat sich die proeuropäische Haltung der Menschen in Rumänien durch die Wahlen der vergangenen Wochen verändert?

Insgesamt nicht, denke ich. Aber es ist doch sehr deutlich geworden, dass Georgescu einen wunden Punkt der Rumänen angesprochen hat, Europäer zweiter Klasse zu sein. Er hat im Wahlkampf den Stellenwert rumänischer Produkte adressiert und ökologische und Naturthemen bedient. Bei all dem schwang mit, dass es darum geht, Rumänien und seine nationale Identität zu schützen, etwa, indem der Wert rumänischer Produkte betont wird. Das hat bei vielen Menschen verfangen. Auch das sollte den Politikern anderer Parteien zu denken geben.

Rumänien grenzt im Norden direkt an die Ukraine. Spielt der Krieg in der Bevölkerung eine Rolle?

Ja, und auch da ist im Wahlkampf stark unterschätzt worden. Gerade junge Menschen in Rumänien haben große Angst vor dem Krieg. Das war auch eines der Ergebnisse einer Jungendstudie, die wir als Friedrich-Ebert-Stiftung vor kurzem durchgeführt haben. 56 Prozent haben große Sorge vor Krieg. Da ist es kaum verwunderlich, dass es verfängt, wenn jemand wie Georgescu kommt und sagt, er schaffe Frieden und gehe auf Russland zu. Ähnliches gilt für die wirtschaftliche Situation, die die jungen Menschen in Rumänien zurzeit auch nicht gerade positiv sehen.

Hat Georgescu bereits erklärt, ob er bei der Wiederholung der Präsidentschaftswahl nochmal antreten wird?

Das ist bislang unklar. Bisher stehen überhaupt noch keine Kandidaten fest. Ein Grund, warum die etablierten Parteien im ersten Wahlgang so schlecht abgeschnitten haben, war ja, dass ihre Kandidaten sehr schwach waren. Die Menschen wussten einfach nicht, wen sie wählen sollten. Auch das war ein Grund, warum Georgescu auf den ersten Platz stürmen konnte. Entscheidend wird sein, wie die politischen Verhandlungen in den kommenden Wochen vonstatten gehen und welche Parteien sich verständigen können. Auch die Amtsübernahme von Donald Trump in den USA kann noch eine neue Dynamik in das Kriegsgeschehen in der Ukraine bringen, was wiederum Einfluss auf die Situation in Rumänen haben könnte. Die kommenden Wochen dürften weiter unruhig bleiben. Dass die derzeitigen Verhandlungen zwischen den demokratischen Parteien PSD, PNL, USR, UDMR eine Aussicht auf eine pro-europäische Regierung und möglicherweise einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten geben, ist ein positives Zeichen.

Die Gesprächspartnerin:

Anna-Lena Koschig Hölzl leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bukarest.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 11.12.2024 - 14:42

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Zuerst einmal hat das rumänische Verfassungsgericht festgestellt, daß die Wahlen korrekt abliefen aber das Ergebnis passte nicht. Dann hat der Geheimdienst auf einmal Erkenntnisse von äußeren Einmischungen und die Wahlen werden annuliert. Tja, ÄUSSERE EINMISCHUNGEN !!!!!(schon mal was von Maidan oder Farben gehört ???? Wahlen in der DDR am 18.3.1990 ???)
Glaubt denn dieser doppelmoralische Westen, daß die Rumänen zu dumm sind zum Wählen ? Immer wenn bei Wahlen die Ergebnisse denen nicht passen, dann heißt es "derRusse" hat das manipuliert. Wollt ihr alle für dumm verkaufen ?
Diese kritischen Fragen sollten erlaubt sein, denn vielleicht kann ich dem vorwärts beholflich seinzum Journalismus zurück zu finden.

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