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Katarina Barley: Die kommende Europawahl hat eine besondere Bedeutung

Schweden, Finnland, zuletzt die Niederlande: Europas Regierungen rücken nach rechts. Umso wichtiger ist deshalb die Europawahl im kommenden Jahr, meint Katarina Barley. Auf eine Gruppe setzt die Vize-Präsidentin des Europaparlaments dabei besonders.

von Karin Nink · 27. Dezember 2023
Designierte SPD-Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley: Auf die Konservativen ist hier überhaupt kein Verlass.

Designierte SPD-Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley: Auf die Konservativen ist hier überhaupt kein Verlass.

Ein halbes Jahr vor der Europawahl steht die EU vor großen Herausforderungen. Welche Auswirkungen hat das?

Wir leben in herausfordernden Zeiten. Die Europawahl im kommenden Juni hat deshalb eine besondere Bedeutung, auch über die EU hinaus. Es gibt Staaten wie Ungarn, die sich vom demokratischen Konsens entfernt haben. Andere stehen auf der Kippe. Wenn Rechtspopulisten Einfluss auf eine nationale Regierung haben, wirkt sich das auch auf die Europäische Union aus, etwa bei der Besetzung der EU-Kommission.

Es zeigt sich aber auch in der Geopolitik, denn viele dieser Regierungen sind russlandnah, und Russland hat ein großes Interesse, dass das so bleibt. All das zeigt, wie sensibel die Situation im Moment ist und wie wichtig die Europawahl im kommenden Jahr.

Kann das Europaparlament eine Art Korrektiv zu dieser Entwicklung sein?

Ja, auf jeden Fall. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten entscheiden ja, wenn sie in die Europäische Kommission schicken. Wenn sie eher rechtsgerichtet sind, hat das auch Einfluss auf die Kommission. Und im Europäischen Rat geben ja ohnehin die nationalen Regierungen den Ton an. Das Europaparlament kann hierzu das progressive Gegengewicht sein – dafür müssen die progressiven Kräfte wie die SPE die Mehrheit bekommen.

Die SPE grenzt sich sehr deutlich von den Rechtsextremen und -populisten in Europa ab. Sind sich in diesem Vorgehen alle demokratischen Fraktionen im Europaparlament einig?

Leider nein, im Gegenteil. Wir beobachten vielmehr, dass die Konservativen mit den Rechtspopulisten und Rechtextremen immer öfter gemeinsame Sache machen. In diesem Jahr hätten sie gemeinsam fast das Renaturierungsgesetz gekippt und damit einen elementaren Bestandteil des „Green Deal“. Das zeigt: Auf die Konservativen ist hier überhaupt kein Verlass.

Katarina
Barley

Im Moment sind die laut, die mehr nationalen Egoismus fordern.

Ein Thema, das Europa seit Jahren bewegt, ist die Migration. Wie realistisch und effektiv ist die geplante Reform des europäischen Asylsystems?

Die Einigung auf ein neues europäisches Asylsystem ist wichtig, denn das bisherige Verfahren funktioniert nicht. Ich bin deshalb recht zuversichtlich, dass es am Ende eine Einigung geben wird. 

Am wichtigsten ist, dass wir das Sterben im Mittelmeer und die menschenunwürdigen Zustände für die Geflüchteten beenden. Wir brauchen unterschiedliche Verfahren für diejenigen, die zu uns kommen, weil sie Schutz brauchen, und für die, die aus anderen Gründen kommen. So können wir Asylverfahren deutlich beschleunigen und kommen im besten Falle dazu, dass alle Mitgliedsstaaten bereit sind, Menschen aufzunehmen. 

Dazu gehört dann allerdings auch, dass diejenigen, die im juristischen Sinne nicht schutzbedürftig sind, im Asylverfahren abgelehnt werden und Europa wieder verlassen müssen. Wer nach Europa kommen will, um hier zu arbeiten, sollte sich in einem anderen Verfahren dafür bewerben können.

Bei Ihrer Vorstellung als SPD-Spitzenkandidatin haben Sie mit Blick auf die Bewältigung der Corona-Pandemie gesagt: „Wir haben erlebt, wie es ist, wenn Europa zusammenhält.“ Wie lässt sich dieser Geist wiederbeleben?

Im Moment sind die laut, die mehr nationalen Egoismus fordern. Europa ist aber gerade das Versprechen, dass es allen durch Zusammenarbeit besser geht. Den europäischen Geist wiederzubeleben, ist deshalb eine der entscheidenden Weichenstellungen für die Europawahl. 

Ich setze dabei große Hoffnungen in die Jugend. Sie profitiert von all dem, was über Jahrzehnte erarbeitet und auch erkämpft wurde. Ich würde mir von der Wirtschaft mehr Einsatz für Europa wün- schen. Vor dem Brexit waren die britischen Unternehmen viel zu leise. Nun wird ihnen die Rechnung präsentiert. 

Das sollte uns in Europa nicht passieren. Dafür ist es aber auch wichtig, dass wir als Politik noch viel stärker deutlich machen, welche konkreten Vorteile die EU jeder und jedem Einzelnen bringt. Leider wird vieles davon für selbstverständlich gehalten. Und natürlich brauchen wir – gerade mit Blick auf die Europawahl – jede und jeden, damit sie für Europa einstehen und für unsere Vorstellungen werben. Je mehr von uns sich das zur Aufgabe machen, desto erfolgreicher werden wir sein.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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7 Kommentare

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 28.12.2023 - 14:46

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Bedeutung
Will ich den Barley-Europa-Artikel lesen, muss ich die Rubrik „International“ anklicken, sehe dann aber „International“ in der Sortierfolge „Am meisten gelesen“, finde Barley also nicht; muss darum „Alle Artikel der Rubrik“ anklicken, wenn ich den Button denn finde, um dann die Artikel nach „Am relevantesten“ sortiert zu sehen – den Barley-Artikel habe ich also immer noch nicht gefunden. Erst wenn ich dann die „Sortierung“ auf „Neueste zuerst“ setze, finde ich den gesuchten Artikel: abenteuerlich.
Will ich dann vielleicht noch einen Kommentar schreiben, werde ich dazu ermuntert mit „Schreibe ein Kommentar“ – und dann klappt man endgültig den Laptop zu: Eine Partei, die eine solch abschreckende Zeitung (und das ist nur das Handling) – oder wie immer man das Produkt nennen will – für sich werben lässt, sollte nicht auf Wahlen setzen.

Aber jetzt zum Artikel.
Ich wünsche Frau Barley viel Erfolg, sehe aber nicht, woraus der sich ableiten könnte. Sollte wirklich die Corona-Pandemie gezeigt haben „wie es ist, wenn Europa zusammenhält“, so dass wir „diesen Geist wiederbeleben“ sollten? Hält die Einigung „auf ein neues europäisches Asylsystem“ tatsächlich, was Frau Barley sich und uns davon verspricht?

Und die „Geopolitik“ der EU?
Seit 2003 hat „die Lösung (= Zweistaatenlösung) des israelisch-arabischen Konflikts für Europa eine strategische Priorität“ – derzeit findet in Gaza statt, was manche einen Genozid nennen. Spricht das für die EU?
Seit 2003 versucht die Sicherheitsstrategie der EU (EUROPEAN SECURITY STRATEGY, 12.12.2003) „östlich der Europäischen Union ... einen Ring verantwortungsvoll regierter Staaten entstehen“ zu lassen, der selbst den „Südkaukasus zu ... einer Nachbarregion“ machen wird. Das ist die Osterweiterung der EU (, parallel dazu die der Nato). Über diese Strategie sagte Steinmeier (indirekt), der es wissen muss: „Sie (= die Bilder vom Beginn des Ukraine-Krieges) markierten das endgültige, bittere Scheitern jahrelanger politischer Bemühungen, auch meiner Bemühungen, genau diesen schrecklichen Moment zu verhindern“. Wolfgang Zellner etwas analytischer: „Hier rächt sich, dass es dem Westen nach seinem Sieg im Kalten Krieg nicht gelungen ist, Russland in gemeinsame europäische Sicherheitsstrukturen einzubinden“ (Blätter ..., 4(2022)67). Sehr erfolgreich waren EU und BRD aber darin, alle (wirtschaftlichen und politischen) Verbindungen zu Russland zu kappen, so dass die Russische Föderation ihr Öl und Gas jetzt günstig an unseren systemischen Rivalen China (und Indien) verkauft, während wir allergrößte Mühen haben, Wirtschaft und Gesellschaft mit Energie zu versorgen – um nur mal die ganz offensichtlichen wirtschaftlichen Probleme anzudeuten. Ganz offenkundig ist auch die Militarisierung unserer Politik, für die „nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung ...(nun) auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel zu sehen ist“ (Klingbeil, 21.6.22). Konsequent fordert der deutsche Verteidigungsminister die „Kriegstüchtigkeit“ auch der Gesellschaft ein. Mit deren „Mentalitätswechsel ... muss natürlich unser Engagement in der Welt sichtbarer werden, als das bisher der Fall war, z. B im Indo-Pazifik und auch an anderer Stelle“ (Pistorius am 29.10.: Berlin direkt). Und wie ist es mit Atomwaffen?
Noch wagen von der Leyen, Klingbeil und Pistorius nicht die Ausstattung unserer Landesarmeen mit eigenen Atomwaffen zu fordern - Trägerwaffen für den taktischen Atomkrieg haben wir ja schon mal bestellt -, sondern überlassen das z. B. Münkler, Fischer und Manfred Weber und der WAZ, die harm- und arglos analysierte, dass Frankreichs und Großbritanniens „Arsenale klein sind – sie könnten zur Abschreckung reichen, für einen großen Atomkrieg wohl nicht“ (WAZ, 12.12.23). Irgendwie schade. Oder?

Bleiben die „konkreten Vorteile, die die EU jeder und jedem Einzelnen bringt“.( So viele davon habe ich dem Text nicht entnehmen können.) Ob die aber ausreichen, damit "jede und jeder Einzelne... für Europa einstehen und für unsere Vorstellungen werben"?

Im wesentlichen gebe ich Ihnen Recht, Herr Isfort. Frau Barley bleibt (natürlich) an der Oberfläche der politischen Erscheinungen , weil Sie die polit-ökonomischen Bedingungen ihrer Politik nicht thematisiert. Mittlerweile pfeifen sogar die Think-Tanks und die "Leitmedien" von den Dächern, dass die Welt vor einer (ungeheuren) Transformation stehen, weil die bisherige zwiespältige Struktur mehrdimensional in existenzbedrohende Sackgassen geführt hat. Da ist zuerst die technologisch wachsende Gefahr durch ABC-Waffen ( insbesondere die ubiquität biologischer Gefahren) zu nennen. Aber auch die sonstigen (konventionellen) Kriegsgefahren wachsen wegen des sich zuspitzenden innerkapitalistischen Rest-Konkurrenzkampfes der mächtigsten Kartelle im Energie- ,Rohstoff-, Logistik-, Nahrungs-, Konsumbereich.
Das platte "Narrativ" von den "Demokratien des Westens" gegen die "Autokratien des Rests" verschweigt, dass die meisten dieser undemokratischen Regimes gerade auf Initiative und mit Unterstützung der USA/NATO gegen zumeist einigermaßen demokratische Regierungen ( Südamerika, Afrika(Südafrika,Kongo..), Nahost(Wahabiten,Iran)) etabliert worden sind. In Europa ist die Rolle der USA ( damals auch in Zusammenarbeit mit dem Vatikan) bei der Machtübergabe an Mussolini, Franco, Salazar, Horthy und Hitler fast schon wieder vergessen. Zwar sind die USA als state of last resort der einflussreichsten Kartelle/ Supermonopole ( Apple,Amazon,Alphabet,Mikrosoft...) auf einem absteigenden Ast, weil selbst diese Kartelle/Monopole nicht mehr fiskalisch auf die USA ausgerichtet sind, aber die USA bemühen sich immer noch, alle anderen möglichen Konkurrenten um die Profit-Pole-Position niederzuhalten durch die Förderung von reaktionären Chaosregierungen ( Argentinien,Chile,Bolsonaro,Selensky etc). Aber nicht nur in den Rohstofflieferanten des globalen SüdOsten ist die einigermaßen demokratische Gesellschaftsform ein Auslaufmodell. Auch in den Ländern des wilden WerteWestens spielt der Faktor Mensch bzw. der selbstständige, kreativ-denkende und arbeitende Mensch eine immer geringere Rolle. Und daher fällt die "Kosten-Nutzen.-Analyse" der Herrschenden immer weniger zugunsten der "Demokratie" aus. Die Gesamtkategorie "Kapital" entscheidet sich immer mehr zugunsten antidemokratischer Politik-Narrative , weil diese die o.g. Transformation, die mit existenzvernichtenden Verschlechterungen und Enteignungen der unteren 95% einhergehenden dürfte, nicht durchführbar erscheint. Schließlich müssen etwa 200 Billionen Dollar im unproduktiven Finanz-Kasino demnächst real vernichtet werden, auch wenn möglicherweise der Anschein von "Reichtum" zumindest für die oberen 5% erhalten bleiben kann.

das relevanteste voranstellen, und sich dann wundern, wenn "alte Hüte" vorne stehen, und das was heute auf der Tagesordnung steht, als wenig relevant klassifizzert unter ferner liefen erscheint. Der Gipfel war erreicht mit einem mehr als 3 Jahre alten Artikel, der oben aufschwamm und inhaltlich Forderungen herausstellte, die Thomas Oppermann - Gott habe ihn selig- seinerzeit vorgestellt hatte. Man glaubt es nichgt, der Fachkräftemangel? Oder was liegt dem zugrunde?

Gespeichert von Kai Doering am Fr., 29.12.2023 - 11:25

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Warum klicken Sie nicht einfach auf die Überschrift, wenn Sie den Artikel lesen wollen? Der von Ihnen beschriebene Weg ist tatsächlich recht abenteuerlich.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 29.12.2023 - 18:58

Antwort auf von Kai Doering

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„Einfach auf die Überschrift klicken“ –
ein sehr guter Rat, an den ich mich halten werde – auch wenn er den Regelfall nicht abdeckt.
Im Gegenzug könnten Sie ja mal gezielt den neuesten Artikel einer Rubrik versuchen aufzurufen - der ja unbekannt, nur zufällig auf der Startseite zu finden und selbst dann nicht sicher zu erkennen ist. Und dann sehen wir abenteuerlich weiter.

Gespeichert von Kai Doering am Sa., 30.12.2023 - 14:01

Antwort auf von Rudolf Isfort (nicht überprüft)

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Wir können gern im Januar telefonieren und Ihre Fragen/Kritik besprechen. Die Kommentarfunktion ist sicher nicht der richtige Ort, technische Probleme zu lösen.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 04.01.2024 - 12:33

Antwort auf von Kai Doering

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Natürlich können wir so verfahren.
Ich glaube allerdings, dass es sich hier nicht um ein technisches Problem, sondern um ein grundsätzliches handelt: Soll der Vorwärts, einer Zeitung oder Zeitschrift vergleichbar, seine Leser mit den neuesten Beiträgen (je Rubrik) begrüßen - wie der regelmäßige Leser das erwarte, oder mit nach irgendwelchen Auswahlkriterien aufbereiteten der letzten Tage - wie Sie das beschlossen haben.
Ich meine, der Vorwärts sollte sein neues Outfit, das erhebliche inhaltliche Folgen hat, auf mit den Vorwärts-Lesern bereden.