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Green Deal: Wie sich Europas Konservative mit Rechtsextremen verbünden

Wenn das Europaparlament am Mittwoch über das „Renaturierungsgesetz“ abstimmt, geht es um weit mehr als nur um den Naturschutz. Auf dem Spiel steht auch die Zukunft des „Green Deal“, des nachhaltigen Umbaus der Europäischen Union.
von Kai Doering · 10. Juli 2023
Die Mondlandung der EU steht auf der Kippe: Die EVP richtet sich gegen die Pläne ihrer eigenen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die Mondlandung der EU steht auf der Kippe: Die EVP richtet sich gegen die Pläne ihrer eigenen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der Name klingt unscheinbar, doch was sich dahinter verbirgt hat es in sich. Am Mittwoch will das Europaparlament über das „Renaturierungsgesetz“ abstimmen. Der Entwurf dafür sieht vor, dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der geschädigten Land- und Wasserflächen in der Europäischen Union „ökologisch wiederhergestellt“ werden. Kein großes Ding, könnte man meinen, doch um das Renaturierungsgesetz ist ein harter Kampf entbrannt, bei dem es um weit mehr als nur den Schutz der Natur geht.

Druck der EVP-Führung auf nicht linientreue Abgeordnete

„Die Europäische Volkspartei, zu der auch CDU und CSU gehören, verbündet sich mit rechten und rechtsradikalen Kräften, um Gesetze zum Schutz von Umwelt zu blockieren“, erklärt die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten, Delara Burkhardt. Hintergrund der harten Anschuldigungen ist das Abstimmungsverhalten der EVP-Abgeordneten im Umweltausschusses des Europaparlaments. Das geplante Gesetz fand dort Mitte Juni keine Mehrheit, die Abstimmung ging mit 44 zu 44 Stimmen unentschieden aus.

„Dieses knappen Stimmengleichgewicht, das in Ausschussabstimmungen als Ablehnung gezählt wird, erreichte die CDU/CSU auch durch das Austauschen nicht linientreuer Abgeordneter“, erklärt Delara Burkhardt. Bereits vor der Sitzung des Ausschusses hatte ein liberaler Abgeordneter von Druck der Fraktionsführung auf die EVP-Abgeordneten berichtet, sollten diese an der Sitzung teilnehmen und „nicht zu hundert Prozent sagen, dass sie gegen den gesamten Text stimmen werden“.

Zentraler Baustein des „Green Deal“ in Gefahr

Am Dienstag könnte EVP-Chef Manfred Weber diese Strategie jedoch nicht verfolgen, erklärt die SPD-Abgeordnete Burkhard. „Im Plenum kann er keine Abgeordneten austauschen, die seiner Linie nicht folgen.“ Das gebe dem Renaturierungsgesetz noch eine Chance. Letztlich dürfte das Abstimmungsverhalten der liberalen Europaabgeordneten entscheidend sein, die mit denen von Sozialdemokrat*innen, Grünen und Linken über eine Mehrheit verfügen.

Besondere Brisanz bekommt die Entscheidung am Dienstag aus zwei Gründen: Zum einen ist das Renaturierungsgesetz ein zentraler Baustein des „Green Deal“, mit dem Europa zu einem nachhaltigen Kontinent werden und seine Klimaziele erreichen soll (Webers Parteifreundin, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, verglich die Bedeutung des „Green Deal“ einst mit der Mondlandung), zum anderen könnte die EVP gezielt mit den Europaabgeordneten der extremen Rechten stimmen, um das Gesetz zu verhindern.

„Der EVP ist jedes Mittel recht“

„Manfred Weber hat die Gemeinsamkeit der Parteien in der Mitte aufgegeben“, kritisiert deshalb der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament Jens Geier. Aus seiner Sicht lotet der EVP-Chef schon jetzt „alternative Mehrheiten mit dem rechten Lager aus“. Nach der Europawahl im kommenden Jahr, bei der eine weitere Stärkung der rechten Kräfte befürchtet wird, könnten diese zum Tragen kommen. „Ziel der EVP ist es, an der Macht zu bleiben. Dafür ist ihnen jedes Mittel recht“, sagt Jens Geier.

„Durch ihr Abstimmungsverhalten zeigen CDU und CSU nicht nur, dass sie die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen die Klimakrise noch immer nicht verstanden haben, sondern auch, dass ihre Parolen gegen rechts ein Lippenbekenntnis sind“, kritisiert Delara Burhkardt. Sollte das Renaturierungsgesetz tatsächlich am Dienstag keine Mehrheit finden, hieße das, dass das Europaparlament ohne eigene Position in die Verhandlungen mit EU-Kommission und Europäischem Rat gehen würde. Für die Zukunft des „Green Deal“ und den europäischen Klimaschutz alles andere als gute Voraussetzungen.

In der ersten Fassung des Textes hieß es, die Abstimmung würde am Dienstag stattfinden. Sie wurde inzwischen auf Mittwoch verschoben. Wir haben das angepasst.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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