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Fünf Tage vor der US-Wahl: Was uns die Kandidatenschilder im Garten sagen

Die wenigsten Menschen in Deutschland würden sich ein Schild ihrer Partei in den Garten stellen. In den USA ist das hingegen üblich. Unser Autor Karsten Wenzlaff ist wenige Tage vor der Wahl im Mittleren Westen unterwegs und erklärt, was es damit auf sich hat.

von Karsten Wenzlaff · 1. November 2024
In den Vorgärten vieler Menschen in den USA verraten Schilder, wen sie wählen werden.

In den Vorgärten vieler Menschen in den USA verraten Schilder, wen sie wählen werden.

Die Wahlkämpfe in den USA sind sehr stark auf die Personen ausgerichtet – gerade jetzt im Endspurt geht es nur noch um Donald Trump gegen Kamala Harris. Wenn man die deutsche Presse verfolgt, dann scheint es glasklar zu sein, wer die Wahl gewinnen sollte: Auch im ARD-Deutschlandtrend sprachen sich gerade erst drei von vier Deutschen für die Demokratin Harris aus. Aber bei meiner Reise habe ich immer wieder von vielen Amerikaner*innen gehört, dass sie sich erst am letzten Tag der Wahl, oder sogar erst im Wahllokal entscheiden, weil sie keinen großen Unterschied zwischen Harris und Trump sehen.

Zwar gibt es sowohl bei den Demokrat*innen als auch bei den Republikaner*innen so etwas wie Stammwähler*innen, deren Wahlentscheidung schon lange feststeht. Für die Wahlen am 5. November sind vermutlich 90 bis 95 Prozent Wähler*innen bereits im Vorfeld von Harris oder Trump überzeugt. Aber es gibt auch viele Amerikaner*innen, die so gut wie nie zur Wahl gehen, und entsprechend noch keine Entscheidung gefällt haben. So berichtete mir eine Kellnerin in einem Café in Montana, sie gehe fast nie wählen, da es ihr unangenehm sei, ein Wahllokal mit vielen Leuten zu betreten.

Eigenes Umfeld hat großen Einfluss

Einen großen Einfluss auf die Wahlentscheidung hat oft das eigene Umfeld, die Nachbar*innen, die Freund*innen. Auch in den umkämpften Staaten des Mittleren Westens gibt es Harris-Wähler*innen, oft diejenigen mit College-Abschluss, zum Beispiel Lehrer*innen. Aber die vielen Farmer*innen dort wählen deswegen Trump, weil eben die meisten anderen Farmer*innen auch Trump wählen. Eine Verwandte aus South Dakota, die eine Rinderfarm hat, sagte mir, dass nur Trump sich ernsthaft um ihre Angelegenheiten kümmere – und ihre Nachbar*innen sehen das genauso. 

Wer wen wählt, sieht man oft schon im Vorgarten. Bei jedem dritten oder vierten Haus findet sich ein DIN A3 Schild, auf dem entweder „Trump-Vance“ – für Trump und seinen Vizekandidaten J.D. Vance – oder „Harris-Walz“ steht – für Harris und ihren Vizekandidaten Tim Walz. Wer sich besonders stark für Politik interessiert, stellt daneben vielleicht noch ein Schild der Kandidierenden für den US-Senat oder das Repräsentantenhaus auf. Aber auch die Namen der lokalen Kandidierenden, zum Beispiel für den City Council, die Schulaufsicht oder für die Gerichte stehen auf Schildern. Und manchmal sieht man ein Schild mit der Aufschrift „Cat Ladies for Harris“ – ein feministisches Statement gegen J.D. Vance, der 2021 in einem Fernsehauftritt abfällig über „kinderlose Frauen mit Katzen" schimpfte. 

Auf dem Land bekommt Trump viele Stimmen

Gerade im ländlichen Bereich gibt es in der Regel mehr Trump als Harris-Schilder – das ist nicht überraschend, insbesondere in Montana, Wyoming, South Dakota und North Dakota, die zum Mittleren Westen gehören. Hier schneiden die Republikaner bei Wahlen gut ab, und es gilt als gesichert, dass die Menschen in diesen Staaten am 5. November mehrheitlich für Trump stimmen werden.

Karsten 
Wenzlaff

Wenn Wähler*innen vor Ort keine Ansprechpartner*innen haben, bleiben am Ende nur die Schilder im Vorgarten der Nachbarn.

Einige Wähler*innen, die vor haben, Kamala Harris zu wählen, haben mir erzählt, dass sie kein Harris-Schild vor die Tür stellen, um Streit mit den Nachbar*innen zu vermeiden. Stattdessen unterstützen sie die lokalen Kandidierenden, die gar nicht unbedingt einer Partei angehören, oder als Unabhängige kandidieren, obwohl sie zu den Demokrat*innen gehören. 

Als ich von South Dakota nach Minnesota fuhr, fiel mir auf, dass dort auch im ländlichen Raum die Anzahl der Harris-Schilder zunahm. Ungefähr jedes vierte Schild war von der Harris-Walz-Kampagne. Das war insofern zu erwarten, da Tim Walz, Gouverneur von Minnesota und Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, als bodenständiger Politiker gilt. Abgesehen von den Schildern im Garten waren sowohl Republikaner*innen als auch Demokrat*innen im ländlichen Raum nicht sehr präsent. In Minnesota trat die Harris-Kampagne mit Kundgebungen in den Metropolen wie Minneapolis und mittelgroßen Städten auf, wo es Universitäten und Colleges gibt. Im ländlichen Raum aber fanden wenige Events statt. Aber auch die Trump-Kampagne konzentrierte sich auf die großen Ballungsgebiete – weil es viel Geld kostet, flächendeckend im ländlichen Raum präsent zu sein. 

Nicht den gleichen Fehler wie Clinton machen

2016 galt es als sicher, dass die Staaten des Nordwestens, vor allem Philadelphia, Michigan, Wisconsin und Minnesota, die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton wählen. Doch dann schaffte es Trump, gerade in diesen Staaten viele Wähler*innen zu mobilisieren, und am Ende gewann er die Wahl. Diesmal scheint Kamala Harris den Fehler nicht machen zu wollen. Mit ihrer Kampagne hat sie mehr als eine Milliarde US-Dollar an Spenden für ihren Wahlkampf eingenommen. Das Geld wird aber vor allem für Werbung im TV und in den sozialen Netzwerken ausgegeben. Lokale Büros mit lokalen Mitarbeiter*innen, die vor Ort gemeinsam mit freiwilligen Unterstützer*innen unterwegs sind, gibt es kaum, zumindest nicht in Minnesota.

Aber wenn Wähler*innen vor Ort keine Ansprechpartner*innen haben, dann bleiben am Ende nur die Schilder im Vorgarten der Nachbarn. Bis zum kommenden Dienstag wäre es gut für Kamala Harris, wenn noch ein paar neue Schilder dazu kommen würden.

Autor*in
Karsten Wenzlaff

war Online-Redakteur bei vorwaerts.de und Social-Media-Manager im vorwärts-Verlag.

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