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Europawahl: So will SPE-Spitzenkandidat Nicolas Schmit Wähler*innen gewinnen

Er ist die Stimme der Arbeitnehmer*innen in Europa, sein Vorbild Willy Brandt. Als Spitzenkandidat will der Luxemburger Nicolas Schmit für Europas Sozialdemokratie Wähler*innen gewinnen. Dabei zeigt er sich mal diplomatisch, mal kämpferisch.

von Karin Nink · 27. Mai 2024
Nicolas Schmit

Kennt die Europäische Union so gut wie kaum ein anderer: Der Luxemburger Nicolas Schmit will nächster Präsident der EU-Kommission werden.

Als er bei seinem Nominierungsparteitag in Rom am Rednerpult steht, die Fäuste ballt, sich immer wieder direkt an sein Publikum im Plenum, aber auch an die jungen Aktivist*innen hinter ihm auf der Bühne wendet, ist von Zurückhaltung des gelernten Diplomaten Nicolas Schmit nichts mehr zu spüren. Die Ansagen des frisch gewählten SPE-Spitzenkandidaten für die Europawahl sind klar: Mit viel Verve verteidigt der Luxemburger ein soziales Europa und die europäische Demokratie. Er will, dass bei der klimaerhaltenden Transformation der Gesellschaft die Menschen mitgenommen werden und macht klar, dass es kein Zurück gibt: „Der Klimawandel erlaubt keine Pause, wir müssen handeln!“ 

Europa: sozial, demokratisch, nachhaltig

Auch außenpolitisch zeigt der Betriebswirt, der über internationale Wirtschaftsbeziehungen promovierte, klare Kante. Er stellt sich hinter die von Russland angegriffene Ukraine: „Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Europa werden euch niemals im Stich lassen!“ Er verurteilt den palästinensischen Übergriff auf Israel am 7. Oktober 2023 scharf, aber auch die aktuelle israelische Regierung für ihre Palästinenserpolitik, ohne das Land Israel zu kritisieren: „Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung, aber das Völkerrecht muss gewahrt bleiben.“ 

Dem SPE-Politiker Schmit ist das diplomatische Differenzieren nicht abhandengekommen, er weiß aber auch, dass es bei der bevorstehenden Europawahl um sehr viel geht. Denn Europa droht sich zu verändern, nicht zuletzt durch eine mögliche Stärkung der extremen Rechten. Schmit will für ein soziales, demokratisches und nachhaltiges Europa kämpfen, das die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt. „Indem ich im Wahlkampf unsere Projekte nach vorne schiebe, zeige ich, dass die Rechtsextremen und -populisten kein Projekt für Europa haben, sondern zurück in die Vergangenheit gehen.“ 

Die EU als globaler Machtfaktor

Schmit ist noch Sozial-Kommissar in der EU-Kommission von Ursula von der Leyen. Angesprochen auf seine Konkurrentin und Noch-Chefin reagiert er entspannt: „Sie war Kommissionspräsidentin und ich Kommissar. Jetzt sind wir beide Kandidaten.“ Also Chancengleichheit? Ja. Einen möglichen Amtsbonus für von der Leyen sieht er nicht: „Von der Leyen muss erst mal das Verhältnis zu ihrer Partei, der EVP, klären, die vieles anders machen will, als ihre Spitzenkandidatin. Und sie muss klären, wie sie gedenkt, mit der extremen Rechten in Europa umzugehen.“

Seine 70 Jahre sieht man Schmit nicht an, wohl aber ist deutlich sein Wille zu spüren, die Europäische Union nicht nur stabil zu halten, sondern sie zu einem globalen Machtfaktor weiterzuentwickeln, dessen entscheidende Merkmale auch künftig Frieden, soziale Sicherheit und Wohlstand sein werden. Dieses Ziel passt in die berufliche Agenda von Nicolas Schmit: Er saß bei vielen wesentlichen EU-Verhandlungen – wie etwa dem Maastricht-Vertrag – mit am Tisch und gestaltete die Europäische Union schon maßgeblich mit. Das will er nun von der Spitze der Kommission aus fortsetzen.
 

SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley:

„Er ist die Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa und der Kandidat, der am besten zur SPE passt“

Zur Sozialdemokratie fand der damals 16-Jährige über Willy Brandt. Dessen Wahl zum Kanzler 1969 war für den jungen Luxemburger „ein Befreiungsschlag“, der ihn bewog in die luxemburgische Sozialdemokratie (LSAP) einzutreten. Schmit sagt von sich, er sei „nie von Radikalität fasziniert“ gewesen, wie sie Maoisten oder Kommunisten in seiner Studienzeit propagierten. Statt der Revolution suchte er „ein gesellschaftliches Projekt, das progressiv war“. Brandt imponierte ihm: „Willy hat gegen die Nazis gekämpft und die Gesellschaft entstauben wollen.“

Damals hat der Sohn eines Stahlarbeiters sich wohl kaum vorgestellt, einmal die Europäischen Sozialdemokraten und Sozialisten in einen Europawahlkampf zu führen. Heute ist er ihr Spitzenkandidat. „Er ist die Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa und der Kandidat, der am besten zur SPE passt“, ist die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley überzeugt. Bei Schmit und Barley beruht die Wertschätzung auf Gegenseitigkeit. Sie kennen sich lange, und er schätzt ihr Engagement für Rechtsstaatlichkeit in Europa sehr. 

Stationen

1953 in Differdingen / Luxemburg geboren
1989-1990 Fraktionssekretär der Luxemburger Sozialistischen Arbeiterpartei (LSAP)
2004-2009 Beigeordneter Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Immigation
2009-2013 Minister für Arbeit, Beschäftigung und Immigration
2013-2018 Minister für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft
seit 2019 EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration2024 Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas zur Wahl des Europäischen Parlamentes

Starke Sozialpolitik

Tatsächlich hat Schmit als Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte der EU-Kommission von der Leyens erkennbar mehr Sozialpolitik verordnet: 

Während der Corona-Pandemie machte er Geld locker, damit der Arbeitsmarkt mit Kurzarbeit abgefedert werden und Arbeitsplätze so gerettet werden konnten. Er sorgte dafür, dass junge Menschen nicht in die Langzeitarbeitslosigkeit rutschen, hat die Rechte sogenannter Plattformarbeiter gestärkt, die spontan und kurzfristig über eine Online-Plattform Dienstleistungen erbringen müssen. Und last but not least: Er hat den europäischen Mindestlohn umgesetzt. 

Auch der deutsche Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil ist deswegen voll des Lobes: „Nicolas Schmit zeigt, dass die Europäische Union mehr sein muss als ein Binnenmarkt. Sie muss ein soziales Europa schaffen, in dem Menschen nicht ausgebeutet werden.“

Schmit wuchs im luxemburgischen Differdingen auf, studierte in Frankreich und hatte immer einen engen Bezug zu Deutschland und Frankreich. Das prägende Trauma seiner Familie mag der entscheidende Grund dafür sein, dass Schmit als Diplomat und Politiker Europa zu seinem Lebensthema gemacht hat: Sein Vater musste als 13-Jähriger mitansehen, wie Schmits Opa bei deutsch-französischen Truppengefechten erschossen wurde. Schmit ist zutiefst davon überzeugt, dass nur ein vereintes Europa solche kriegerischen Tragödien verhindern kann. Das ist seine Motivation, darin sieht er Ansporn und Aufgabe zugleich.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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