Blau-Schwarz in Österreich: Auf offener Bühne gescheitert
In den vergangenen Tagen hatte es sich bereits angedeutet. Seit Mittwoch steht fest: Herbert Kickl, Chef der rechtsextremen FPÖ, ist mit der Regierungsbildung in Österreich gescheitert. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, wie es weitergehen kann.
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Man sieht sich mehr als zweimal: FPÖ-Chef Herbert Kickl ist mit der Bildung einer Regierung in Österreich gescheitert.
Als Herbert Kickl vor einem Monat mit der Regierungsbildung in Österreich beauftragt wurde, merkte er triumphierend an, dass er ja schon vor einigen Monaten seinem Intimfeind, dem Bundespräsidenten, gesagt habe, man sehe sich im Leben immer zweimal. Was Kickl, der radikale Anführer der rechtsextremen Freiheitlichen FPÖ damals nicht bedachte: Manchmal sieht man sich auch dreimal oder noch öfter.
Die Konservativen zu demütigen versucht
Mittwoch Mittag musste er dann wieder zum Präsidenten Alexander van der Bellen, den er bei anderer Gelegenheit schon als „senile Mumie“ tituliert hatte. Diesmal war es für den FPÖ-Chef ein deutlich weniger triumphalen Gang: Er teilte dem Bundespräsidenten mit, dass er krachend gescheitert ist. Folglich gab Kickl den Regierungsbildungsauftrag zurück.
Dem vorangegangen war ein zunehmend unwürdiges Schauspiel. Zwar hatten die Verhandlungen zwischen den Freiheitlichen und der konservativen Volkspartei (ÖVP) schnell Fahrt aufgenommen, man hatte sich prompt auf einen Pfad zur Budgetkonsolidierung geeinigt und theatralisch die gute Stimmung ausgestellt, aber zuletzt waren die Verhandlungen entgleist. Seit einer Woche hat sich das Scheitern nicht nur abgezeichnet, es vollzog sich auf offener Bühne.
Die FPÖ-Verhandler*innen haben permanent radikale Provokationen in den Gesprächen gesetzt, extreme Forderungen aufgestellt und auch macht- und personalpolitisch die Konservativen zu demütigen versucht. Die haben wiederum mit zunehmend schrillen, unfreundlichen öffentlichen Äußerungen gekontert. Das Zerwürfnis wurde tagelang öffentlich zelebriert, vor allem, weil keiner der Protagonisten als erster vom Verhandlungstisch aufstehen wollte. Im Grunde spielte man jetzt tagelang vor laufenden Kameras das Blame-Game, um den jeweils anderen den schwarzen Peter zuzuschieben.
Das gesamte politische Systems Österreichs steht ramponiert da
Eine harte, extremistische Rechtsregierung bleibt Österreich somit erspart, und Herbert Kickls misstrauischer, kompromissloser Charakter ist dafür wohl der Hauptgrund. Womöglich war Kickl auch vom Zeitgeist der Maßlosigkeit angesteckt, der Radikalität, mit der etwa Donald Trump gerade die USA umbaut, den die hiesigen Rechten so verehren. Nichtsdestoweniger steht nun aber das gesamte politische System des Landes ramponiert da. Schließlich waren davor schon Koalitionssverhandlungen zwischen ÖVP, Sozialdemokrat*innen und liberalen Neos zerbrochen.
Aus der Perspektive des belästigten Publikums haben vier der fünf Parlamentsparteien (die Grünen ausgenommen), in den vergangenen Monaten ein eher tragisches Bild abgegeben. Große Werbung für das Vertrauen in die Demokratie waren die Vorgänge allesamt nicht. „Kindergarten“, und „Kasperltheater“, sind die Worte, die bei Passant*innen immer wieder fallen, wenn sie ihr Urteil in Kameras sprechen.
Wie es jetzt weitergehen könnte
Der Ball liegt jetzt wieder beim Bundespräsidenten, der sich wohl schon in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen um eine Abkühlung der Animositäten zwischen den demokratischen, konstruktiven Kräften bemüht hat. Die Sozialdemokrat*innen haben allesamt, sei es der Parteichef Andi Babler als auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig in den vergangenen Tagen immer wieder und mit wachsendem Nachdruck bekundet, „unsere Hand ist weit ausgestreckt“ (Ludwig), eine Botschaft, die auch Beate Meinl-Reisinger (NEOS) trommelte – die ja seinerzeit die Dreigespräche gesprengt hatte, indem sie völlig planlos und überstürzt die Verhandlungen platzen ließ.
Grünen-Chef Werner Kogler, in der letzten Legislaturperiode Vizekanzler, hat sich als ehrlicher Makler in den vergangenen Wochen wie ein Löwe für Mehrheiten jenseits der Rechtsextremisten eingesetzt, staatsmännisches Profil gezeigt und jede Unterstützung der Grünen für welche Lösung immer angeboten.
„Wer ist der österreichische Mario Draghi?“
Gut möglich also, dass es doch noch zu einer Regierung von Konservativen und Sozialdemokraten kommt – unter tatsächlicher oder stiller Beteiligung von Neos oder Grünen. Genauso gut möglich, dass nun ein Technokraten-Kabinett aus respektablen Persönlichkeiten und Elder Statesmen und -women aus ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos kommt. Eine solche Regierung könnte dann aber keine reine, verwaltende Übergangsregierung sein, sondern sie müsste eine echte handelnde Regierung mit Unterstützung der wichtigsten demokratischen Parteien sein.
Das Land braucht nicht nur ein Budget, sondern auch eine Haushaltskonsolidierung und Impulse für die kriselnde Wirtschaft. „Wer ist der österreichische Mario Draghi?“, ist mittlerweile, mit Verweis auf die frühere italienische Regierung des Wirtschaftsfachmanns, eine geflügelte Frage in den Wiener Couloirs. Namen, die kursieren, sind etwa die von Andreas Treichl, ein ÖVP-Mann und ehemaliger Bankdirektor, oder Gerhard Zeiler, ein SPÖ-Mann und Ex-Chef von CNN-TimeWarner und gegenwärtig Manager von TimeWarner-International.