Wehrpflicht für Frauen? SPD-Betriebsgruppe Bundeswehr sagt: „Ja, aber…“
Wird die Wehrpflicht wieder eingeführt, sollte sie auch für Frauen gelten. Das fordert Antje Ott, Vorsitzende der SPD-Betriebsgruppe Bundeswehr. Sie sieht darin einen wichtigen Schritt zu mehr Gleichberechtigung. Allerdings stellt sie dafür eine Bedingung.
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Mehr Frauen in der Bundeswehr: Das will Verteidigungsminister Boris Pistorius erreichen, unter anderem mit einer Plakatkampagne zum Thema familienfreundliche Streitkräfte, gezeigt am Nationalen Veteranentag, dem 15. Juni 2025, hier in Berlin.
Zurzeit wird die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Sollte sie künftig auch für Frauen gelten?
Die aktuell ausgesetzte Wehrpflicht gilt laut Grundgesetz nur für Männer. Sollte die Wehrpflicht wieder aktiviert oder eine allgemeine Dienstpflicht eingeführt werden, dann sollte sie auch für Frauen gelten. Dabei sollten wir dann aber auch andere Probleme angehen, wie die Benachteiligung von Frauen im Berufsleben und in der Familienarbeit. Das sind für mich zwei Seiten einer Medaille. Wir brauchen da ein Gesamtpaket.
Würde eine Wehrpflicht für Frauen der Gleichberechtigung helfen?
Ja. Erfahrungen aus Skandinavien oder Israel zeigen, dass die Gleichstellung der Geschlechter so beschleunigt wird. In Deutschland sehen wir täglich starke Polizistinnen auf der Straße, die ihren Dienst auch mit der Waffe leisten. Allein das wirkt schon gegen Vorurteile wie die vom „schwachen Geschlecht“ und hilft, Frauen als gleichberechtigt wahrzunehmen.
Im Oktober vor 25 Jahren wurde das Grundgesetz geändert, damit Frauen in der Bundeswehr auch an der Waffe dienen konnten. Ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung?
Ja, ein ganz wichtiger. Und mehr als überfällig. Dieser Schritt war dem Einsatz einer einzigen Frau zu verdanken: Die Elektronikerin Tanja Kreil hatte sich 1996 als Soldatin im Dienst an der Waffe beworben und wurde abgelehnt. Sie klagte und hatte Erfolg: Der Europäische Gerichtshof entschied im Jahr 2000, dass ein Ausschluss von Frauen am Dienst an der Waffe nicht mit der Gleichberechtigung der Geschlechter vereinbar sei. Darauf wurde das Grundgesetz geändert.
Wie bewerten Sie aktuell die Lage von Frauen in der Bundeswehr?
Aktuell sind Soldatinnen hier noch deutlich unterrepräsentiert - bei den zivilen Frauen sieht es besser aus. Der Anteil an Soldatinnen liegt bei etwas mehr als 13 Prozent, ohne den Sanitätsdienst bei unter 10 Prozent. Auch der Anteil von Frauen in Führungspositionen insgesamt ist von allen Bundesministerien im Verteidigungsministerium am niedrigsten. Das kann so nicht bleiben.
Antje
Ott
Die Bundeswehr muss für Frauen deutlich attraktiver werden.
Wo sehen Sie konkreten Verbesserungsbedarf?
Die Bundeswehr muss für Frauen deutlich attraktiver werden. Der Berufswunsch Soldatin taucht etwa bei Mädchen und jungen Frauen oft gar nicht auf. Das hat auch mit alten Rollenklischees zu tun. Die muss die Bundeswehr mitüberwinden, auch indem sie Frauen gezielt anspricht und ihnen zeigt, welche Chancen sie ihnen bietet, wieviel Erfolg und Wertschätzung sie in der Bundeswehr erleben können.
Verteidigungsminister Boris Pistorius bemüht sich, den Frauenanteil in der Bundeswehr zu erhöhen. Wie könnte ihm das besser gelingen?
Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass das Thema Frauen gegenüber dem Thema Kriegstüchtigkeit etwas nach hinten gefallen ist. Das hilft nicht bei dem Ziel, den Frauenanteil zu erhöhen. Ein wichtiges Signal hingegen ist etwa die historische Entscheidung von Boris Pistorius, mit der Generaloberstabsärztin Nicole Schilling erstmals eine Frau zur stellvertretenden Generalinspekteurin zu ernennen. Sie ist ein Role-Model; aber das allein reicht nicht.
Immer wieder sorgen Berichte über sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen in der Bundeswehr für Schlagzeilen. Was sollte sich hier ändern?
Zunächst begrüße ich es, dass Boris Pistorius bei diesem Thema durchgreift und bei Bekanntwerden von Vorfällen die Täter schnell von ihren Aufgaben entbunden bzw. aus der Truppe entfernt hat. Ich wünsche mir hier aber auch eine bessere Prävention. Dazu gehört eine größere Sensibilisierung der Truppe wie der Vorgesetzten für den Umgang mit dem Problem durch mehr Aufklärung. Es gibt laut Bericht der Wehrbeauftragten kleine Verbesserungen bei diesem Thema, aber die reichen mit Sicherheit nicht aus. Jeder junge Mensch, egal ob männlich oder weiblich, möchte in einer Umgebung arbeiten, indem er oder sie vor Übergriffen geschützt ist. Das ist in jeder Großorganisation eine Mammutaufgabe, aber der muss die Bundeswehr sich stellen.
Sie sind Vorsitzende der SPD-Betriebsgruppe Bundeswehr. Was genau macht die?
Wir haben uns 2021 gegründet, als das Verteidigungsministerium zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder von der SPD geführt wurde. Unser Ziel war, die Sozialdemokrat*innen in der Bundeswehr stärker zu vernetzen. Wir starteten mit zehn Mitgliedern, heute sind wir rund 250. Vom Kraftfahrer bis zum General ist alles vertreten und damit auch ziemlich viel Expertise.
Wird die genutzt?
Unsere Expertise wird durchaus genutzt. Wir bekommen zunehmende Gesprächsanfragen aus der Partei – worüber wir uns sehr freuen. Grundsätzlich begrüßen wir, wenn Debatten zum Wehrdienst, zur Ukraine-Unterstützung oder anderen sicherheitspolitischen Themen mit weniger Emotionen aber mehr Sachlichkeit geführt werden.
Begegnen der Betriebsgruppe Bundeswehr auch Vorurteile in der Partei?
Wir erhalten viel Zuspruch, das liegt sicherlich an der Zeitenwende und dem gestiegenen Interesse an sicherheitspolitischen Themen. Aber manchmal müssen wir klarstellen: Wir wollen Frieden und natürlich Krieg verhindern. So wie die Feuerwehr einen Brand oder die Polizei Verbrechen verhindern will. Mit der Bundeswehr ist es ein bisschen so wie mit der Krankenversicherung: Im besten Fall braucht man sie nicht. Aber es ist sicherer, sie zu haben. Gerade in einer Zeit, in der Despoten die Grenzen durch Krieg verschieben. Das dürfen wir nicht zulassen, wenn wir weiter in Frieden und Freiheit leben wollen.