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Tag der Wohnungslosen: So ist die Situation in Deutschland

Der 11. September ist der Tag der Wohnungslosen. Eine Erhebung zeigt: Immer mehr Menschen in Deutschland sind ohne feste Wohnung. Vor allem die Lage junger Wohnungsloser ist prekär.

von Lea Hensen · 11. September 2024
Nur einer Liege in der Notunterkunft statt einer festen Bleibe: Immer mehr Menschen in Deutschland sind wohnungslos.

Nur einer Liege in der Notunterkunft statt einer festen Bleibe: Immer mehr Menschen in Deutschland sind wohnungslos.

Immer mehr Menschen in Deutschland haben keine feste Bleibe: Das ist das Ergebnis einer Hochrechnung, die die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe BAG W Ende vergangenen Jahres vorstellte. Demnach wurden im Verlauf des Jahres 2022 rund 607.000 Menschen in Deutschland als wohnungslos registriert. Ihre Zahl war im Vergleich zum Vorjahr um 58 Prozent gestiegen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wohnungslose sind nicht unbedingt obdachlos. Der Begriff umfasst Menschen ohne dauerhafte Bleibe mit Mietvertrag. Sie leben etwa in temporären Unterkünften, übernachten in Noteinrichtungen oder bei Bekannten. 

Jeder sechste Minderjährige schlief im Freien

In einem aktuellen Jahresbericht hat der Dachverband der BAG W die Lebenssituation von Zehntausenden Menschen dokumentiert, die sich an die Hilfsdienste freier Träger wandten. Der Verband umfasst 227 freiverbandliche Dienste und Einrichtungen wie Diakonie, Caritas, Arbeiterwohlfahrt oder Paritätischer Gesamtverband. Was auffällt: Mit 18 Prozent lebte zwar nur eine Minderheit der Wohnungslosen auf der Straße, doch waren mehr als 16 Prozent aller Wohnungslosen jünger als 25. Von den Minderjährigen, die sich Hilfe suchten, hatte jede*r Sechste zuvor die Nacht im Freien verbracht.

Solche Fälle müsste eigentlich das Jugendamt verhindern. Doch die BAG W spricht von unklaren Zuständigkeiten an den Schnittstellen zwischen Jugend- und Sozialämtern. „Für den Erfolg aller Hilfen sind jugendgerechte sowie leicht zugängliche Beratungsangebote − sowohl digital als auch vor Ort − notwendig", sagt deshalb Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W. Jungen Menschen könne nur dann geholfen werden, wenn die Angebote flexibel seien und auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten. Um die Zuständigkeit und Finanzierung sicherzustellen, fordert die BAG W Gesamtkonzepte auf kommunaler Ebene, die miteinander kooperieren.

Wohnungslose Frauen sind jünger

Die Zahlen zeigen auch, dass der Anteil junger Frauen unter den Wohnungslosen hoch ist. Grundsätzlich sind zwar deutlich mehr Männer als Frauen von Wohnungslosigkeit betroffen, doch ist jede vierte der akut wohnungslosen Frauen jünger als 25. Bei den Männern ist jeder sechste in diesem Alter. Die BAG W erklärt das unter anderem damit, dass Frauen das Elternhaus unter Umständen früher verlassen und häufiger häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Möglicherweise suchen sie sich auch früher Hilfe und werden somit häufiger registriert. 

Die Mehrheit junger Wohnungsloser kommt bei Bekannten unter. Laut dem Bericht findet fast die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen dort einen Schlafplatz. Sarah Lotties, Fachreferentin für Statistik und Dokumentation bei der BAG W, sieht das kritisch. „Woanders unterzukommen bedeutet, auf das Wohlwollen der Gastgeber:innen angewiesen zu sein. Nicht selten ergeben sich daraus gefährliche Abhängigkeitsverhältnisse, beispielsweise, wenn die Unterkunft nur im Gegenzug für sexuelle Gefälligkeiten bereitgestellt wird", sagt sie.

Bundesregierung will Wohnungslosigkeit überwinden

Dass die Zahl der Wohnungslosen so drastisch gestiegen ist, führt die BAG W auf den Anstieg nicht-deutscher Wohnungsloser zurück. Zwei Drittel der Wohnungslosen haben eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit, zu 2022 stieg ihre Zahl von 194.500 auf 411.000 Personen. Viele von ihnen sind offenbar Geflüchtete, besonders aus der Ukraine. 

Von allen Erfassten gaben die meisten (rund 19 Prozent) an, durch Miet- oder Energieschulden in ihre Situation geraten zu sein. Frauen nennen häufiger Gewalt durch den Partner als Männer. (7,4 Prozent gegenüber 0,5 Prozent). Bei den Minderjährigen nennen 40 Prozent den Auszug aus dem Elternhaus als Grund für ihre Wohnungslosigkeit.

Die Bundesregierung will Obdach- und Wohnungslosigkeit überwinden. Dazu hat das Bundeskabinett im April erstmals einen Aktionsplan erstellt.

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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1 Kommentar

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 11.09.2024 - 16:07

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konnten, bislang, den reichlich vorhandenen Wohnraum sozial gerecht zu verteilen. Dazu müssen wir aber übergehen, denn wozu braucht zB Bundeskanzler Scholz eine Wohnung in Altona, wenn er doch in seinem Wahlkreis in Potsdam zuhause ist, und zudem im Kanzleramt nächtigen kann?