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Wohnungsbau: Warum die Bundesregierung den neuen Gebäudetyp E plant

Mit vereinfachten Vorgaben sollen Wohnungen schneller und günstiger gebaut werden können. Darauf hofft die Bundesregierung und plant ein Gebäudetyp-E-Gesetz. Was sich damit ändern soll – die wichtigsten Fragen und Antworten.

von Carl-Friedrich Höck · 30. Juli 2024
Neubau von Wohnungen

Einfach und experimentell: mit dem Gebäudetyp E soll der Wohnungsbau leichter und kostengünstiger werden

Warum will die Bundesregierung einen neuen Gebäudetyp einführen?

Der Wohnungsbau geht nur schleppend voran. Im vergangenen Jahr wurden weniger als 300.000 neue Wohnungen fertiggestellt. Zum Vergleich: Die Bundesregierung hatte sich 400.000 pro Jahr zum Ziel gesetzt. Die Bauwirtschaft klagt seit langem über zu viel Bürokratie und Vorschriften. „Es gibt sehr viele DIN-Normen, die oft nur aus Sorge erfüllt werden, bei Nichtanwendung einen Baumangel bescheinigt zu bekommen“, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) der neuen Osnabrücker Zeitung. „Deswegen wird überall ein Mercedes hingebaut und kein Golf.“ Bauen nach Goldstandard mache es extrem teuer, sei aber gar nicht notwendig. Mit dem Gebäudetyp E will die Bundesregierung das Problem anpacken.

Wofür steht das E in Gebäudetyp E?

Das E steht einerseits für „einfach“, andererseits für „experimentell“. Gemeint ist, dass bei Neubau-Projekten auf die Einhaltung von bestimmten Komfort-Standards verzichtet werden kann. Damit erhalten auch die Architekt*innen mehr Spielraum und können flexibler planen.

Wer legt die DIN-Normen fest?

Wie in vielen anderen Lebensbereichen gibt es auch für den Wohnungsbau DIN-Normen. Diese werden nicht vom Staat festgelegt, sondern vom Deutschen Institut für Normung (DIN). Dort arbeiten Expert*innen aus verschiedenen Bereichen zusammen, um sich auf gemeinsame Grundsätze zu verständigen. Der Normenausschuss für das Bauwesen (NABau) setzt sich zum Beispiel zu knapp zwei Dritteln aus Vertreter*innen der Wirtschaft zusammen. Dazu kommen unter anderem Wissenschaftler*innen und Behörden. Die Anwendung von Normen ist grundsätzlich freiwillig, sie sind also nicht mit einer gesetzlichen Vorgabe gleichzusetzen.

Warum sind die DIN-Normen dann ein Problem?

Das Bauvertragsrecht regelt: Wer sich vertraglich verpflichtet, ein Bauwerk zu errichten, muss „die anerkannten Regeln der Technik“ einhalten. Es gibt kein Gesetz, dass diese anerkannten Regeln definiert. Deshalb behelfen sich Gerichte, indem sie sich auf die DIN-Normen beziehen. Wenn ein Bauträger ein Haus baut und von den DIN-Normen abweicht, geht er das Risiko ein, dass ihm das später als Baumangel ausgelegt werden könnte. Und zwar auch dann, wenn im Bauvertrag gar nicht ausdrücklich festgelegt wurde, dass die DIN-Normen angewendet werden sollen.

Was will die Bundesregierung jetzt ändern?

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat einen Entwurf für ein „Gebäudetyp-E-Gesetz“ vorgelegt. Damit soll das Bauvertragsrecht reformiert werden. Ziel ist es, dass die Vertragsparteien rechtssicher vereinbaren können, beim Bau auf teure Standards zu verzichten. Dazu wird klargestellt, dass reine Ausstattungs- und Komfortstandards nicht unter die „anerkannten Regeln der Technik“ fallen. Wenn fachkundige Unternehmen untereinander Verträge abschließen, soll auch die Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“ erleichtert werden. Flankierend zum Gesetzentwurf hat das Bundesbauministerium bereits am 17. Juli Leitlinien vorgelegt, die den Vertragsparteien helfen sollen, Bauverträge für den Gebäudetyp E zu gestalten.

Bedeutet das weniger Sicherheit oder Klimaschutz?

Nein – das betonen zumindest Justizminister Buschmann und Bauministerin Geywitz. „Es geht bei unserem Gesetz um die Reduzierung verzichtbarer Komfortstandards, nicht um die Reduzierung der Sicherheit“, erklärt Buschmann. Abweichungen von DIN-Normen sollen zum Beispiel möglich sein, wenn es um die Anzahl der Steckdosen, einen zusätzlichen Heizkörper im Bad oder eine Trittschalldämmung geht. Buschmann: „Alle sollen sich den Standard aussuchen können, der zu ihren Wünschen passt – und zu ihrem Geldbeutel.“

Was bedeutet das für die Wohnungswirtschaft?

„Das wird zu Entlastungen von zwei Milliarden Euro für die Wirtschaft führen und ist ein substanzieller Beitrag zur Überwindung der Bauflaute“, meint Bauministerin Geywitz. Das Bundesjustizministerium beruft sich auf Schätzungen von Expert*innen, wonach bis zu zehn Prozent der Herstellungskosten eingespart werden können. Auch Zeit lasse sich einsparen, der Wohnungsbau könne also beschleunigt werden. Ein weiterer Vorteil laut Justizministerium: Das neue Bauvertragsrecht könne auch den Einsatz von innovativen Baustoffen und -methoden vereinfachen. Denn auch hier gilt bisher: Neue Baustoffe und Bauweisen müssen sich erst in der Praxis bewährt haben, damit sie zu den „anerkannten Regeln der Technik“ gezählt werden können. Was wiederum Bauträger davon abhält, sich auf neue Methoden einzulassen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der DEMO, sozialdemokratisches Fachmagazin für Kommunalpolitik

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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