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Warum der Europäische Gerichtshof die Auskunftei Schufa in Frage stellt

Mit zwei Urteilen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein zentrales Geschäftsmodell der Auskunftei Schufa weitgehend in Frage gestellt. Deren Bonitäts-Einschätzungen werden derzeit wohl ohne Rechtsgrundlage erstellt und wären damit rechtswidrig.

von Christian Rath · 7. Dezember 2023
Schufa

Der Gerichtshof der EU hat die automatisierte Bonitätseinstufungen der Schufa als tendenziell rechtswidrig bewertet.

Die Schufa hat Informationen über 68 Millionen Menschen gespeichert. Ihre Computer berechnen aus diesen Daten nach einem geheimen Algorithmus, die Wahrscheinlichkeit, dass jemand in der Lage ist, etwa die Rechnungen für einen Mobilfunk-Vertrag zu bezahlen oder einen Kredit zurückzuzahlen. Der EuGH musste sich auf Vorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden in zwei Verfahren mit der Schufa beschäftigen.

Automatisierte Entscheidungen nicht erlaubt

Im ersten Urteil stellte der EuGH fest, dass die Erstellung der „Wahrscheinlichkeitswerte“ durch die Schufa eine automatisierte „Entscheidung“ ist, die gemäß Artikel 22 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) grundsätzlich verboten ist. Der EuGH wies das Argument der Schufa zurück, sie bereite nur die Entscheidungen der Banken und Mobilfunkunternehmen vor. Bereits die Bonitätseinstufung der Schufa könne die Betroffenen „zumindest erheblich beeinträchtigen“, weil sie laut VG Wiesbaden „maßgeblich“ für die Bereitschaft der Unternehmen ist, einen Vertrag abzuschließen. Wenn erst auf das Handeln der Banken und Mobilfunkunternehmen abgestellt würde, käme es zu „Rechtsschutzlücken“, so der EuGH.

Zwar ermöglicht Artikel 22 DSGVO, dass automatisierte Entscheidungen durch andere EU- oder nationale Gesetze erlaubt werden. In Deutschland gilt bisher Paragraf 31 Bundesdatenschutzgesetz als Erlaubnis des Scorings. Der EuGH hat gegen diese Norm jedoch „durchgreifende Bedenken“. Wenn das VG Wiesbaden dem folgt, handelt die Schufa bei ihren Bonitätseinstufungen ohne Rechtsgrundlage und damit generell rechtswidrig. Möglicherweise müsste die Schufa dann alle so genannte Scoring-Werte der Bundesbürger*innen löschen.

Grundrechte der Bürger*innen beachten

Theoretisch kann der Bundestag Paragraf 31 nachbessern, um das Geschäft der Schufa und ähnlicher Auskunfteien wie Creditreform zu retten. Dabei muss er aber die Anforderungen des EuGH aus seinem zweiten Schufa-Urteil beachten. Danach müssen die berechtigten Interessen der Schufa und auch der deutschen Wirtschaft an kurzfristig verfügbaren Bonitätseinstufungen stets mit den Grundrechten der gespeicherten Bürger*innen abgewogen werden.

Wie streng der EuGH dabei ist, zeigt er im konkreten Fall: So dürfe die Schufa Daten über eine Restschuldbefreiung nicht drei Jahre speichern, wenn sie im staatlichen Insolvenzregister nach sechs Monaten gelöscht werden müssen. Die Schufa hat das geahnt und schon vor dem Urteil die Speicherung auf sechs Monate verkürzt. Doch auch eine sechsmonatige Speicherung könnte unzulässig sein, weil die Daten ja bereits im Insolvenzregister zur Verfügung stehen, so der EuGH. Dies muss aber letztlich noch das VG Wiesbaden entscheiden.

Was das alles für Verbraucher bedeutet, ist noch nicht abzuschätzen. Zunächst ist abzuwarten, wie die Schufa, deutsche Gerichte und der Gesetzgeber mit dem EuGH-Urteil umgehen. 

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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1 Kommentar

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Fr., 08.12.2023 - 06:57

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machen, die Menschen kategorisieren. Alle Menschen sind gleich, daher haben auch alle Menschen den gleichen Rechtsanspruch auf Kredite, Mobilfonverträge und was sonst noch alles bedingungslos zur Verfügung gestellt werden muss