„Wahlarena“ in der ARD: Merz wird patzig, Scholz bleibt souverän
Wenige Tage vor der Bundestagswahl stellten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Kanzlerkandidat*innen von CDU/CSU, Grünen und AfD in der „Wahlarena“ der ARD den Fragen der Bürger*innen. Diese konnten kaum vielfältiger sein – und brachten einige neue Erkenntnisse zutage.
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Moderierten die „Wahlarena“ in der ARD: Jessy Wellmer und Louis Klamroth
In den vergangenen Wochen wurde viel diskutiert – in verschiedenen Debattenrunden von Kanzler-Duell bis „Quadrell“, aber eben auch über diese Runden als Konzept. Wie sinnvoll sind sie? Wer gewinnt sie? Und spiegeln die von Moderator*innen gestellten Fragen wirklich die Prioritäten der Bürger*innen wider?
Für die „Wahlarena“, die am Montagabend in der ARD stattfand, stellt sich zumindest die letzte Frage nicht mehr. Moderiert von Jessy Wellmer und Louis Klamroth konnten hier 150 Menschen aus ganz Deutschland ihre eigenen Fragen nacheinander an Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Herausforderer von CDU/CSU, AfD und Grünen stellen. Was zunächst simpel klingt, entpuppte sich bald als erstaunlich widerstandsfähig gegen populistische Floskeln und vor allem als eines: als vielfältig.
Merz liefert kaum Fakten für seine Argumente
Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, wurde zunächst mit verschiedenen Aspekten der Wirtschafts- und Finanzpolitik konfrontiert. Doch obwohl sich der CDU-Chef im Wahlkampf immer wieder als „Mann der Wirtschaft“ inszeniert, tat er sich mit den Fragen des Publikums schwer. In Steuer- und Verteilungsfragen wirkte er ausweichend und auch beim Bürgergeld konnte er keine klaren Angaben machen.
Als dann kurz darauf gesellschaftspolitische Fragen zur Entkriminalisierung von Abtreibung, dem Klimawandel und der psychologischen Versorgung von Geflüchteten folgten, mangelte es Merz an faktenbasierten Antworten, was er lediglich als „verschiedene Ansichten“ abtat. Als ihn eine Bürgerin schlussendlich damit konfrontierte, dass er ihre Frage nicht beantwortet habe, konterte Merz lediglich mit einem patzigen „das ist aber meine Antwort“.
Scholz bleibt im Gespräch souverän
Umso stärker der Kontrast, als Olaf Scholz nach Ablauf der Zeit seines Konkurrenten die Wahlarena betrat. Einen kurzen Moment trafen beide aufeinander, dann war der Kanzler an der Reihe. Souverän und ausführlich ging er auf die diversen Fragen der Bürger*innen ein – direkt zu Beginn, als eine Studentin eine Frage zu Bildung und BAföG stellt, wurde er sogar so ausführlich in seiner Antwort, dass Moderatorin Jessy Wellmer ihn ermahnte, sich kürzer zu fassen.
Denn die Bürger*innen hatten an diesem Abend viele Fragen an den Bundeskanzler. Eine ältere Dame, die wegen ihrer niedrigen Rente weiterhin in der Pflege arbeitet, konfrontierte ihn direkt mit ihrer Situation.
„Ist das gerecht?“ wollte sie von Olaf Scholz wissen. Der betonte, dass er das nicht gerecht finde – nun wolle er jedoch politisch die Rahmenbedingungen für die zukünftigen Generationen verbessern. „Es ist gut, dass wir da jetzt eine Trendwende erreicht haben“, erklärte Scholz mit Blick auf die immer bessere Entlohnung von Pflegearbeit. Auch wenn die Rente derzeit unter Druck stehe – er glaube weiterhin an die gesetzliche Rente, das macht der Kanzler klar. Der Schlüssel dafür liege in einer hohen Beschäftigungsquote – doch Deutschland sei „ein fleißiges Land“.
Auch bei anderen Fragen wurde deutlich: Die individuellen Sorgen der Bürger*innen konnte Olaf Scholz ihnen an diesem Abend nicht nehmen. Doch für die übergeordneten Probleme, die dahinterstecken, schien er sowohl für alte Versäumnisse als auch für neue Probleme konkrete Lösungen mitzubringen. Sobald Scholz auf einen Aspekt angesprochen wurde, erklärte er routiniert die dazu passenden Kernpunkte des SPD-Wahlprogramms – ganz egal ob es um Migration, die Klimakrise, psychotherapeutische Zulassungen, die Landwirtschaft, die Außenpolitik oder die zu hohen Mietpreise geht.
Scholz: Für Beziehung mit den USA braucht es einen „graden Rücken“
Als es in einer Frage um die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ging, merkte man Scholz auch an, dass die letzten Tage nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sein konnten. Gerade einmal zwei Tage liegt die Münchner Sicherheitskonferenz zurück, auf der sich der US-Vizepräsident JD Vance unter anderem klar für die in Teilen rechtsextreme AfD aussprach.
Die Beziehungen zu den USA seien für Deutschland weiterhin unabdingbar, betonte Olaf Scholz in der Wahlarena. Dennoch sehe er in Vance' Aussagen über die AfD eine klare Einmischung, die nicht akzeptabel sei, so der Bundeskanzler. Generell habe er jedoch auch gemerkt: „Ein grader Rücken hilft“ wenn es darum gehe, für die Grundwerte der Demokratie einzustehen – so, wie er es auch schon getan habe, als Trump andeutete, Grönland unter seine Kontrolle bringen zu wollen. Scholz hatte darauf mit der klaren Ansage reagiert, dass auch für die USA das Völkerrecht und die Unverletzbarkeit von Grenzen gelte.
Weidel beharrt auf Lügen
Doch auch die Zeit für Fragen an den Bundeskanzler ist nach 30 Minuten vorbei. Auf ihn folgen erst Alice Weidel (AfD), die, wie in anderen Debattenrunden zuvor auch schon, vor allem durch Lügen und ausweichende Antworten auffiel. So beharrte sie beispielsweise auf ihrer bereits mehrfach widerlegten Aussage, Deutschland habe die weltweit höchsten Energiepreise.
Habeck fordert von Musk unabhängige Kommunikationsplattformen
Als Letzter stellte sich dann Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, den Fragen der Bürger*innen. Auch er wurde mit den verschiedensten Anliegen konfrontiert – von klimagerechter Gebäudesanierung über die Industrie bis hin zu der Monopolstellung US-amerikanischer „Tech-Oligarchen“, wie sie die fragende Bürgerin im Publikum nannte. Der Wirtschaftsminister fand hier klare Worte. Deutschland und Europa müssten sich aus dieser Dynamik lösen und eigene Plattformen etablieren, denn die Kommunikation und damit auch die Demokratie hierzulande dürften unter keinen Umständen von den „rechtsradikalen Fantasien“ Elon Musks abhängig bleiben.