Umgang mit Rechtsextremen: Wann Kommunen ihre Hallen vermieten müssen
Ein Auftritt des Verschwörungsideologen Ken Jebsen in der Stadthalle Falkensee sorgte für Aufsehen. Die Kommune ließ den Auftritt zu und verwies auf die Rechtslage. Welche Regeln gelten für kommunale Veranstaltungsräume?
IMAGO / Arnulf Hettrich
Archivaufnahme von Ken Jebsen (rechts) aka Kayvan Soufi-Siavash aus dem Jahr 2020 an der Seite von Michael Ballweg, Gründer der Initiative Querdenken711.
Am 16. August ist Kayvan Soufi-Siavash in der Stadthalle Falkensee aufgetreten, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Ken Jebsen. Der ehemalige RBB-Radiomoderator ist Aktivist und gilt als einer von Deutschlands bekanntesten Verschwörungsideologen. Sein ehemaliges Webportal KenFM wurde laut Medienberichten vom Berliner Verfassungsschutz 2021 als „Verdachtsfall“ geführt. Entsprechend brisant war der Umstand, dass Jebsen in einem kommunalen Veranstaltungsgebäude auftreten durfte.
Dennoch hat die Stadt Falkensee gar nicht erst versucht, die Veranstaltung zu verhindern. Laut einem Tagesspiegel-Bericht wollte das Büro des parteilosen Bürgermeisters Heiko Richter die Veranstaltung nicht kommentieren und teilte mit: „Wir befinden uns im Privatrecht“.
Kommunen müssen auch Schwurbler gleich behandeln
Der Fall wirft – wieder einmal – die Frage auf, ob Kommunen solche Veranstaltungen in kommunalen Gebäuden überhaupt stoppen können. Die kurze Antwort darauf lautet: Die Hürden hängen hoch. Das liegt unter anderem am Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz (Artikel 3 Absatz 1: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“)
Außerdem gilt: Die Anwohner*innen einer Gemeinde oder eines Landkreises haben einen Anspruch darauf, die jeweiligen öffentlichen Einrichtungen zu nutzen. Das gilt auch für juristische Personen und Vereinigungen, die in der jeweiligen Kommune ihren Sitz haben. Geregelt ist das in den Gemeinde- und Landkreisordnungen. (In Brandenburg beispielsweise in § 14 der Gemeindeordnung.) Die Kommunen können jedoch Vorgaben machen, wie und zu welchen Bedingungen die Gebäude genutzt werden dürfen.
Gemeinde darf Regeln nicht zu spät ändern
Auch politische Parteien haben einen Anspruch darauf, öffentliche Einrichtungen zu nutzen. Allerdings können die Kommunen in einer Widmung für das Gebäude festlegen, dass politische Veranstaltungen dort ausgeschlossen sind. Das muss dann für alle Parteien gleichermaßen gelten, sofern sie nicht vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft wurden. Denn Behörden und öffentliche Institutionen unterliegen der amtlichen Neutralitätspflicht.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich 2018 in einem Gutachten mit dem Thema befasst. Darin wird betont, dass Gemeinden nicht erst dann die Nutzung für politische Veranstaltungen untersagen können, wenn schon ein konkreter Nutzungsantrag vorliegt. Auf den aktuellen Antrag müssten in einem solchen Fall die bisherigen Grundsätze angewandt werden.
Chemnitz untersagte Auftritt von Rechtsextremem
In der Praxis ergeben sich immer wieder rechtliche Grauzonen, sodass Entscheidungen vor Gericht landen. Ein Beispiel: Ende Juli hat die Stadt Chemnitz einen Antrag der Stadtratsfraktion Pro Chemnitz/Freie Sachsen abgelehnt, die einen Raum im Rathaus für einen Vortrag des rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner nutzen wollte. „Der in den sozialen Medien durch die Antragsteller veröffentlichte tatsächliche Inhalt und Charakter der geplanten Veranstaltung erfüllt nicht die in der Benutzungsordnung für öffentliche Räume der Stadt Chemnitz enthaltenen Voraussetzungen“, teilte die Stadt dazu mit.
Das sächsische Oberverwaltungsgericht gab der Stadt Chemnitz recht. Begründet wurde das unter anderem mit dem Thema des geplanten Vortrags, nämlich „Remigration“. Hierfür sei der Chemnitzer Stadtrat nicht zuständig, weshalb der Vortrag auch nicht dazu gedient hätte, Aufgaben der Stadtratsfraktion zu erfüllen. Die Stadt habe den Nutzungsantrag auch deshalb ablehnen dürfen, weil zu erwarten gewesen wäre, dass bei der öffentlichen Veranstaltung extremistische und rassistische Inhalte verbreitet werden. Dies ist nach der Benutzungsordnung der Stadt Chemnitz untersagt.
Annweiler musste AfD-Fraktion Saal überlassen
Dagegen musste die Stadt Annweiler im März 2024 eine Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz einstecken. Die Kommune hatte sich geweigert, der AfD-Bundestagsfraktion einen Saal für eine Bürgerdialog-Veranstaltung zu überlassen. Die Stadt hatte das laut einer Gerichtsmitteilung mit einem noch nicht wirksamen Mietvertrag begründet, aber auch argumentiert, die Antragstellerin stelle eine konkrete Gefahr für den Rechtsstaat und die demokratische Grundordnung dar. Das Gericht hingegen verwies auf das Parteienprivileg und sah den Grundsatz der Chancengleichheit verletzt. Das Parteienprivileg ist im Artikel 21 des Grundgesetzes verankert. Es besagt, dass der Staat die politischen Tätigkeiten einer Partei nicht behindern darf, solange nicht festgestellt ist, dass die Partei verfassungswidrige Ziele verfolgt.
Das Parteienprivileg kam nun auch Ken Jebsen zugute. Denn offiziell wurde sein Auftritt in Falkensee laut Tagesspiegel-Informationen vom Kreisverband Havelland der Partei „Die Basis“ veranstaltet. Das Parteilogo ist auch auf einer Vortrags-Ankündigung im Internet abgebildet. Es findet sich aber nicht bei weiteren Terminen der Veranstaltungsreihe „Der Wortschatz der Menschheitsfamilie – eine philosophische Interaktion“. Künftige Auftritte von Ken Jebsen sind unter anderem in Mainz, Bayreuth, Kiel und Rostock geplant. Im Ticketbuchungssystem werden die genauen Veranstaltungsorte nicht angegeben. Diese würden die Ticketkäufer*innen erst zwei bis drei Tage vor der Veranstaltung per E-Mail erhalten, ist dort zu lesen.
Mindestens ein Auftritt von Ken Jebsen wurde in diesem Jahr bereits unterbunden. Im März wollte er in Saarbrücken auftreten, im Festsaal des Kombibads Fechingen, einer Liegenschaft der Stadtwerke. Laut einem Bericht des Saarländischen Rundfunks kam es aber nicht dazu, weil der Vertrag zwischen dem Veranstalter und dem Pächter des Festsaals aufgehoben wurde. Offenbar hatten die Stadtwerke gegenüber ihrem Pächter interveniert, nachdem sie durch eine SR-Anfrage auf den geplanten Auftritt aufmerksam geworden waren.
Dieser Artikel erschien zuerst auf www.demo-online.de.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.