Inland

Teambuildung in Würzburg: Wie Union und SPD sich zusammenraufen wollen

Die 100-Tage-Bilanz der neuen Regierung fiel durchwachsen aus. Vor allem die gescheiterte Verfassungsrichterwahl hat Vertrauen zerstört. Abhilfe soll eine gemeinsame Klausur der geschäftsführenden Fraktionsvorstände in Würzburg schaffen.

von Jonas Jordan · 27. August 2025
Matthias Miersch und Jens Spahn stehen nebeneinander und unterhalten sich.

Matthias Miersch und Jens Spahn im Gespräch: Den Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU/CSU wird in den kommenden Jahren eine Schlüsselfunktion zukommen.

Die Alte Mainbrücke ist eines der Wahrzeichen von Würzburg. Fast genauso bekannt ist in der unterfränkischen Großstadt der sogenannte Brückenschoppen: Tourist*innen und Einheimische stehen bei einem Glas fränkischem Weißwein oder wahlweise auch Aperol Spritz zusammen. Vielleicht lädt der CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann, in dessen Geburtsstadt am Donnerstag und Freitag die Klausur der Fraktionsvorstände von Union und SPD über die Bühne geht, die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD, Jens Spahn und Matthias Miersch, auf einen Brückenschoppen ein. Es würde zum Charakter der Veranstaltung passen, die Vertrauen aufbauen und eine belastbare Grundlage für die weitere Zusammenarbeit in der schwarz-roten Koalition schaffen soll.

Miersch: Richterwahl möglichst noch im September

Diese Erwartungshaltung formulierte Miersch auch in der vergangenen Woche während einer Pressereise durch seinen niedersächsischen Heimatwahlkreis. „Es wird darauf angekommen, in Würzburg nicht zur Tagesordnung überzugehen, sondern sich sehr genau in die Augen zu schauen, wie eine belastbare Grundlage für die nächsten Jahre aussehen kann“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Die Causa Brosius-Gersdorf sitze immer noch tief, sagte Miersch. Die Juristin war von der SPD als Richterin am Bundesverfassungsgericht nominiert und mit entsprechender Mehrheit im Richterwahlausschuss gewählt worden. Die geplante Wahl im Plenum des Bundestages wurde kurzfristig abgesagt, weil die Union die Mehrheit für Brosius-Gersdorf nicht mehr sicherstellen konnte. Durch die gescheiterte Wahl sei einiges an Vertrauen aufgebraucht, sagte Miersch.

Nach dem Willen der SPD soll die Wahl der Verfassungsrichter*innen möglichst noch im September über die Bühne gehen. Wen die Sozialdemokrat*innen dafür anstelle von Frauke Brosius-Gersdorf ins Rennen schicken werden, verriet Miersch noch nicht, kündigte jedoch an, dass es wieder eine „linke, progressive Kandidatin“ werden solle, um möglichst auch bei Grünen und Linken Akzeptanz zu erfahren und so die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag zu erreichen. Klar scheint jedenfalls: Noch einmal kann sich die Koalition solch ein Desaster mit einer gescheiterten Richterwahl nicht erlauben.

In Würzburg vertrauen aufbauen

Auch Miersch sagte: „Wir müssen uns sehr schnell am Riemen reißen und beweisen, dass wir adäquat handlungsfähig sind.“ Gelegenheiten, um dies unter Beweis zu stellen, gebe es mit der Verabschiedung des Haushaltes, dem Rentenpaket und dem Tariftreuegsetz während der kommenden Sitzungswochen im Herbst zur Genüge. In Würzburg gehe es daher weniger um ein Symbol wie eine Entschuldigung seitens der Union für die gescheiterte Richterwahl, sondern darum, „dass wir ein Gefühl bekommen, dass sich ein solche Sachverhalt nicht wiederholt“, sagte Miersch. Es gebe eine „Mischung aus emotionalen und sachlichen Fragen“ miteinander zu klären.

Damit diese Koalition gelinge, versuche er auch das Verhältnis zu Unionsfraktionschef Jens Spahn möglichst eng zu gestalten. Er habe sich während der Sommerpause mehrfach persönlich mit ihm getroffen. Das Vertrauen müsse nun durch gemeinsames Tun weiter wachsen. Zum gemeinsamen Tun zählt wohl auch ein demnächst geplantes Grillfest der beiden Fraktionen. „Ein solcher Grillabend kann manchmal ganz förderlich sein. Ich habe immer gelernt, dass solche lockeren Zusammenkünfte dazu beitragen können, in den gewohnten Arbeitsmodus zurückzukehren“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, bei einem Pressegespräch.

Wiese fordert vernünftigen Arbeitsmodus

Er berichtete zudem von vielen guten Gesprächen mit Unionskolleg*innen, die ihn für den Herbst optimistisch stimmten. In Würzburg werde es nun wichtig sein, „sich auf die inhaltlichen Themen zu fokussieren und untereinander im engeren Zirkel über die Arbeitsweise sprechen“, sagte Wiese. Wenn Entscheidungen getroffen würden, müssten diese auch Gültigkeit haben. „Wir müssen ein paar Dinge besprechen, um wieder in einen vernünftigen Arbeitsmodus zu kommen“, forderte er daher.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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