Bundesweit ab 29. April: So geht es mit der elektronischen Patientenakte weiter
Im Januar war sie gestartet, ab dem 29. April soll die elektronische Patientenakte (ePA) nun bundesweit gelten. Was ändert sich nun für Ärzt*innen, was für Patient*innen? Was ist freiwillig und was Pflicht? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
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Die ePA ist mit 70 Millionen Akten das größte Digitalprojekt Deutschlands, so der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Ende April soll sie tatsächlich bundesweit kommen: die elektronische Patientenakte. Schon im Januar war sie an den Start gegangen, allerdings nur in ausgewählten Modellregionen. Diese Testphase sollte ursprünglich rund vier Wochen dauern, doch immer wieder meldeten Arztpraxen technische Probleme bei der Anwendung. Zudem verfügen derzeit noch nicht alle Praxen über die Anbindung an die für den Austausch der Gesundheitsdaten notwendige Telematikinfrastruktur (TI).
Was passiert am 29. April?
Die elektronische Patientenakte, die seit Mitte Januar zunächst in Praxen und Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Franken eingesetzt und getestet wurde, soll ab dem 29. April deutschlandweit genutzt werden können. Auf der Digital-Messe DMEA sprach der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in diesem Zusammenhang von einer Hochlaufphase, die als Erweiterung der vorangegangenen Testphase verstanden werden soll. Ärzt*innen können die Akte „zunächst freiwillig“ nutzen, heißt es dazu im „Deutschen Ärzteblatt“.
Wer bekommt die ePA?
Die elektronische Patientenakte wird seit dem 15. Januar für alle gesetzlich Versicherten ab 16 Jahren automatisch angelegt, wenn ihr nicht widersprochen wurde. Die ePA sei mit 70 Millionen Akten das größte Digitalprojekt Deutschlands, erklärte Lauterbach dazu auf der DMEA.
Elektronsiche Patientenakte ist freiwillig
Welche Daten werden in der ePA gesammelt?
Die ePA enthält zunächst keine Daten. Erst nach und nach werden wichtige medizinische Informationen auf dieser digitalen Plattform gespeichert: Das können Therapiepläne sein, Diagnosen, verordnete Medikamente oder auch Befunde. Die so gespeicherten Informationen können von behandelnden Ärzt*innen oder anderen Gesundheitseinrichtungen wie Kliniken oder Apotheken gelesen werden, vorausgesetzt, dass Patient*innen der Nutzung nicht widersprochen haben (dazu später mehr).
Ist die ePA-Nutzung freiwillig?
Für Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen wird die Nutzung zunächst freiwillig sein, heißt es in einer Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV). Das wird sich wohl im kommenden Jahr ändern. Laut Deutschem Ärzteblatt soll es ab dem 1. Januar 2026 „voraussichtlich für die Ärzt*innen, die die ePA für gesetzlich Versicherte nicht nutzen, Sanktionen geben“.
Anders verhält es sich bei Patient*innen: Die können der Nutzung der ePA jederzeit widersprechen. Es ist also die Entscheidung der Versicherten, ob sie die ePA nutzen möchten oder nicht. Die Versicherten entscheiden auch, welche Dokumente in der Akte abgelegt werden und wer genau Zugriff auf die gespeicherten Daten hat.
Patienten haben viele Rechte
Welche Rechte haben Patient*innen darüber hinaus?
Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen müssen ihre Patient*innen darüber informieren, welche Daten sie einstellen. Bei besonders sensiblen Daten wie psychischen Erkrankungen, sexuell übertragbaren Infektionen und Schwangerschaftsabbrüchen sind die Arztpraxen sogar verpflichtet, ihre Patient*innen auf das Recht zum Widerspruch hinzuweisen.
Welche Folgen hat der Widerspruch?
Wird widersprochen, bevor die ePA angelegt wurde, wird sie gar nicht erst erstellt. Ist sie bereits angelegt, werden die darin enthaltenen Daten gelöscht. Ein bereits erfolgter Widerspruch kann aber auch bei der Krankenkasse jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Ein Widerspruch darf zudem keine Nachteile für die eigene Gesundheitsversorgung haben.
Wie erfolgt ein Widerspruch?
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, zu widersprechen: beispielsweise über das Online-Portal der zuständigen Krankenkasse, aber auch schriftlich, telefonisch oder persönlich in der Geschäftsstelle. Laut Abfrage des „Spiegel“ beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen lag die Widerspruchsquote gegen die Einrichtung einer elektronischen Patientenakte seit Januar bei durchschnittlich „gut fünf Prozent“.
Vor- und Nachteile der ePA
Welche Vorteile verspricht die ePA?
Das Zusammenführen der Gesundheitsdaten hat den Vorteil, dass Ärzt*innen mehr Informationen, zum Beispiel durch vorliegende Befunde, zur Verfügung stehen und sie dadurch präzisere Diagnosen erstellen können.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte zur Einführung der ePA im Januar in Berlin, dass allein die Einsicht in die Medikation bewirken könne, Unverträglichkeiten bei Patient*innen zu vermeiden. Diese würden pro Jahr mehr als 10.000 Menschen das Leben kosten. Als weiteres Beispiel nannte er die Vorteile der Auswertung von Datensätzen für eine bessere Krebstherapie. Sie ermögliche in der Forschung, die besten Behandlungen zu erkennen.
Schließlich erhofft man sich vom Einsatz der ePA aber auch, unnötige Untersuchungen zu vermeiden, weil Befunde und Diagnosen bereits vorliegen. Ziel ist zudem, etwa in einem Notfall, alle wichtigen Informationen schnell und unkompliziert zur Verfügung zu haben.
Was spricht gegen die ePA?
Als Risiko werden Datenschutzverletzungen gesehen, da es sich um sehr sensible Gesundheitsdaten handelt, die zentral gespeichert werden. Die Kritik reicht von Berufsverbänden aus dem Gesundheitswesen über Verbraucherzentralen bis hin zu zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Zuletzt hatte der Chaos Computer Club (CCC) auf „besorgniserregende Sicherheitslücken“ bei der elektronischen Patientenakte hingewiesen. Lauterbach hatte jedoch auf einer Pressekonferenz zum Start der Pilotphase der ePA am 15. Januar versichert, dass Sicherheit oberste Priorität habe und dies auch „für die Sicherheitsbedenken vom CCC gelte“. Auf der Digital-Messe DMEA verwies der Minister im April zudem auf die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): „Da arbeiten wir sehr eng mit dem BSI zusammen.“
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte kritisiert, dass Menschen ohne geeigneten Zugang, beispielsweise einer App ihrer Krankenkasse, keinen Einblick in ihre eigene ePA hätten. Auch seien nicht alle Versicherten „hinreichend technisch versiert“. Viele könnten Schwierigkeiten haben, die ePA zu nutzen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.