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SPD-Expertin: Warum Olympische Spiele in Deutschland 2040 realistisch sind

Olympische Sommerspiele in Deutschland wären im Jahr 2040 möglich, meint die sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Poschmann. Warum die Entscheidung dafür schon bald fallen könnte und wo die Wettbewerbe ausgetragen würden, erklärt sie im Interview.

von Jonas Jordan · 1. August 2024
Zuletzt fanden Olympische Spiele 1972 in Deutschland statt. Im Jahr 2040 könnte es wieder soweit sein.

Zuletzt fanden Olympische Spiele 1972 in Deutschland statt. Im Jahr 2040 könnte es wieder soweit sein.

Bislang gab es zwei Goldmedaillen für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Paris – wie intensiv fiebern Sie mit?

Ich verfolge die Spiele schon sehr intensiv. Der Fernseher läuft den ganzen Tag, um immer mal wieder reinzugucken. Ich bin auch am Wochenende privat vor Ort und gucke mir Beach-Volleyball vor dem Eiffelturm an. Ich freue mich auch darauf, das Flair in der Stadt mitzubekommen und Eindrücke zu sammeln.

Zur Person:

Sabine Poschmann gehört dem Bundestag seit 2013 an. Dreimal gewann sie das Direktmandat im Wahlkreis Dortmund II. In dieser Legislaturperiode ist sie sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

Sabine Poschmann ist sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

Haben Sie auch die Eröffnungsfeier verfolgt?

Ich war zwar im Urlaub, habe sie aber auf dem Handy verfolgt, um zu sehen, wie es so läuft und wie die Stimmung ist. Es war eine andere Kulisse auf der Seine als bisher im Stadion. Es ist atemberaubend, was Frankreich da auf die Beine gestellt hat.

Haben Sie sich bei der Gelegenheit vorgestellt, wie das auf dem Rhein oder auf der Spree aussehen könnte?

Die Assoziation hatte ich nicht. Man kann das nicht eins zu eins übernehmen. Jeder olympische Austragungsort wird eine andere Choreografie für sich sehen, in der sich das Land wiederfindet. Trotzdem denke ich darüber nach, wie das bei uns aussehen könnte.

Seit 1972 gab es keine Olympischen Spiele in Deutschland mehr. Zahlreiche Versuche in München, Leipzig, Hamburg oder Berlin scheiterten. Warum ist es so schwierig, die Spiele nach Deutschland zu holen?

Der bisherige Vergabeprozess war ein Teil der Schwierigkeiten. Die Kosten waren exorbitant nach dem alten Vergabeverfahren. Die Transparenz war gering. Das ist nun anders. Jetzt bewirbt man sich nicht mehr für ein bestimmtes Jahr, sondern man muss erst mal Interesse begründen. Dann tritt man in Gespräche ein. Auch das IOC hat sich andere Rahmenrichtlinien gesetzt, zum Beispiel dass sie Wert auf Nachhaltigkeit legen. Das finde ich positiv. Es trägt dazu bei, dass die Kosten nicht mehr so exorbitant hoch sind wie zuvor. 

Deutschland hat verstanden, dass Standorte nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Wenn eine Bewerbung erfolgreich sein soll, müssen wir vieles transparenter in einem Prozess diskutieren und die Bevölkerung mitnehmen. Daran ist es in der Vergangenheit gescheitert, zum Beispiel durch ein Referendum in Hamburg oder bei der Bewerbung für Winterspiele in München, wo die Leute Angst vor Massentourismus und Umweltzerstörung hatten.

Sabine
Poschmann

Deutschland hat verstanden, dass Standorte nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten.

Die Sommerspiele 2028 in Los Angeles und 2032 in Brisbane sind vergeben. Für welches Jahr wäre eine deutsche Bewerbung realistisch?

Ich halte 2040 für realistisch. Theoretisch ginge auch 2036, aber da Kontinente abwechselnd berücksichtigt werden und jetzt der Austragungsort in Europa liegt, ist die Wahrscheinlichkeit für 2040 höher als 2036.

Eine Austragung im Jahr 2040 fiele mit dem 50. Jahrestag der deutschen Einheit zusammen. Welche Rolle spielt das in den Überlegungen?

Das Datum wäre für uns gut. Es ist ein guter Rahmen für Olympia. Denn Olympische Spiele dienen ja immer auch dazu, Völkerverständigungen herbeizuführen. Auch innerhalb von Deutschland wäre das ein gutes Zeichen. Klar ist, dass auch der Ostens Deutschlands beteiligt werden muss.

Was könnte dementsprechend ein geeigneter Austragungsort sein?

Gerade aus Gründen der Nachhaltigkeit ist es sinnvoll, mehrere Spielstätten zu nehmen. Berlin verfügt zum Beispiel über die einzige Schwimmstätte, die infrage kommen würde. Denn wir wollen nicht neu bauen, sondern wollen bestehende Sportstätten nutzen. Das geht kaum in nur einer Stadt. Um mehr Menschen mitzunehmen und bestehende Spielstätten zu nutzen, wäre es gut, die Wettbewerbe auf mehrere Städte zu verteilen. Unklar ist, inwieweit das IOC das akzeptiert, und es ermöglichen würde, das Olympische Dorf beispielsweise über mehrere Städte zu verteilen.

Was kann man sich in Sachen Nachhaltigkeit von Paris abschauen?

Ich kann nicht genau sagen, wie das Nachhaltigkeitskonzept in Frankreich ist. Das werden wir uns noch mal angucken. Doch schon die Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland hat Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit gesetzt. Wir haben bestehende Stadien genutzt, die Mannschaften entsprechend im Umkreis untergebracht und so Olympia schon mal vorgedacht. Wir werden evaluieren, was gut gelaufen ist und woraus wir lernen können.

Im Haushalt für das Jahr 2025 sind 2,2 Millionen Euro für die Beteiligung an den Kosten für eine deutsche Olympia-Bewerbung vorgesehen. Was soll mit dem Geld passieren?

Dieses Geld ist für den Bewerbungsprozess vorgesehen. Er ist durch den DOSB in Gang gesetzt worden. In verschiedenen Städten gab es Foren, um mit der Bevölkerung in den Diskurs zu kommen. Wir haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass die Bevölkerung beteiligt werden muss. Der DOSB wird ein Konzept voraussichtlich im Dezember in seiner Mitgliederversammlung vorstellen.

Wann könnte dann die Entscheidung des IOC fallen, die Olympischen Spiele 2040 nach Deutschland zu vergeben?

Das steht noch nicht genau fest. Es wird wahrscheinlich 2026 oder 2027 sein. 

Muss im Fall einer positiven Entscheidung mehr in die Sportförderung investiert werden, um auch ein entsprechendes Abschneiden zu garantieren?

In den vergangenen Jahren wurde immer mehr Geld in den Spitzensport gesteckt, aber die Leistungen haben sich nicht verbessert. Deshalb machen wir jetzt eine Spitzensportreform. Wir werden eine Sportagentur gründen, die sich mit der Vergabe der Gelder auseinandersetzt und andere Ansätze sucht, wie wir unsere Sportlerinnen und Sportler besser unterstützen können. Das wirkt dann hoffentlich 2040. Man sollte aber nicht nur auf Medaillen schauen, sondern auch die Sportlerinnen und Sportler so einbeziehen, dass sie sich wohlfühlen. Nur jemand, dem es auch psychisch gut geht, der beste Rahmenbedingungen hat, kann die beste Leistung bringen.

An Olympischen Spielen gibt es auch häufig Kritik mit Blick auf die massiven Kosten, Korruptions- und Dopingfälle. Wie lässt sich eine höhere Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung für eine deutsche Bewerbung im Vorfeld sicherstellen?

Bestehende Sportstätten zu nutzen, statt neue zu bauen, ist nicht nur nachhaltiger, sondern auch günstiger. Außerdem müssen wir den Menschen im Vorfeld klar machen, wie ihre Region oder Stadt von Spielen profitieren können, welche positiven Effekte Olympia für den Breitensport oder den öffentlichen Personennahverkehr hat.

Autoritäre Staaten wie Russland, Katar, China oder Saudi-Arabien nutzen die Ausrichtung von sportlichen Großereignissen zunehmend, um ihr Image aufzupolieren. Sollten sich demokratische Staaten auch deshalb wieder mehr um deren Ausrichtung bewerben?

Genau. Wir können nicht mit dem Finger auf die autokratischen Regime zeigen und sagen, da dürfen keine Spiele stattfinden, aber selbst bewerben wir uns nicht. Wenn Sportgroßveranstaltungen stattfinden, müssen sich auch demokratische Staaten bewerben und diesen Bewerbungsprozess angehen. Durch die Änderungen beim IOC ist es auch wieder einfacher möglich, die Bevölkerung mitzunehmen. Es zählt nicht mehr allein das Geld, sondern auch die Nachhaltigkeit. Deswegen müssten wir mit Blick auf 2040 auch im Gegensatz zu Katar gute Chancen haben.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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2 Kommentare

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Do., 01.08.2024 - 16:19

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"Ich halte 2040 für realistisch"

Ist es denn überhaupt sinnvoll etwas für 2040 zu planen, wo wir doch laut SPD-Verteidigungsminister Pistorius bis 2029 bereit für den Krieg gegen Russland sein müssen? Wenn das so ist sollte man das Geld statt für Oympia besser für den Bau von Bunkern zum Schutz der Bevölkerung ausgeben.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 03.08.2024 - 12:07

Permalink

Martin Holzer stimme ich zwar nicht zu, aber es wäre im Angescht von sozialem, Wohnungs- und Bildungsnotstand wahrlich angebracht das Geld nicht in so eine Vorzeigeveranstaltung zu stecken.