Parlamentarische Linke

Steuerschätzung: Wie die SPD-Linke mehr Geld einnehmen will

Kai Doering11. Mai 2023
Zusätzliche Steuereinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich verspricht sich die Parlamentarische Linke der SPD-Bundestagsfraktion.
Zusätzliche Steuereinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich verspricht sich die Parlamentarische Linke der SPD-Bundestagsfraktion.
Der Bund wird im kommenden voraussichtliche 30,8 Milliarden Euro weniger einnehmen als erwartet. Die „Parlamentarische Linke“ der SPD drängt dennoch darauf, an Vorhaben wie der Kindergrundsicherung festzuhalten – und macht Finanzierungsvorschläge.

Die öffentliche Hand muss im kommenden Jahr mit weniger Geld auskommen als erwartet. Die Steuerschätzer*innen gehen von einem Einnahmen-Minus von 30,8 Milliarden aus – Geld, das in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen fehlen wird. Die „Parlamentarische Linke“ (PL) der SPD-Bundestagsfraktion pocht dennoch darauf, zentrale soziale Vorhaben wie die Kindergrundsicherung oder eine bessere Ausstattung der Pflege umzusetzen.

Einsparpotenziale im zweistelligen Milliardenbereich

„Es ist entscheidend, dass wir einen handlungsfähigen Staat haben“, sagte die Sprecherin der PL, Wiebke Esdar, am Donnerstag. „Wir dürfen den starken Staat nicht zusammenkürzen.“ Als zentrale Vorhaben nannte Esdar die von der Bundesregierung geplante Kindergrundsicherung und Leistungsverbesserungen bei der Pflege. Da beide höhere Staatsausgaben bedeuten, müsse man „die Einnahmenseite angehen“.

In einem Positionspapier machen die SPD-Abgeordneten konkrete Vorschläge, wie das aussehen soll. „Durch kluge Reformen kann der Staat kurzfristige Einsparpotenziale im zweistelligen Milliardenbereich nutzen“, heißt es in dem Papier. Und: „Steuervergünstigungen für Reiche und eine ganze Reihe von Subventionen können wir uns in diesen Zeiten nicht mehr leisten.“ Die PL schlägt deshalb vor, das sogenannte Dienstwagenprivileg abzuschaffen: Beschäftigte, die einen Dienstwagen auch privat nutzen, werden danach steuerlich begünstigt. Auch das Dieselprivileg und die Energiesteuer-Befreiung von Kerosin sollen abschafft werden.

Die Schuldenbremse soll auf den Prüfstand

Tim Klüssendorf, Steuerexperte der SPD-Bundestagsfraktion, rechnet dadurch mit einem zusätzlichen Steueraufkommen von 23 Milliarden Euro: „Es gibt Potenziale, die wir heben können“, ist Klüssendorf sicher. „Wir können einen Haushalt aufstellen und auskömmlich finanzieren, wenn wir es wollen.“ Eine Diskussion, in welchen Bereichen gekürzt werden muss, könne so verhindert werden.

Doch die „Parlamentarische Linke“ blickt auch über den aktuellen Haushalt für das kommende Jahr hinaus. Ihr Papier enthält deshalb auch Punkte, wie das Steuersystem grundsätzlich reformiert werden soll – „eine effektive und progressive Erbschaftssteuer“ etwa und die „Wiederbelebung der Vermögenssteuer“. Auch die Schuldenbremse will die PL auf den Prüfstand stellen. Wiebke Esdar machte jedoch auch klar, dass es schwierig würde, die notwendige verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag zu erhalten.

Deutschland sei „ein Niedrigsteuerland für Vermögende“, kritisierte Esdar. Dagegen würden Einkommen überproportional stark besteuert. Die PL schlägt daher auch vor, die Progressionsgrenze so zu verschieben, dass hohe Einkommen stärker und geringe Einkommen weniger besteuert werden. „Wir wollen 95 Prozent der Steuerzahler entlasten und fünf Prozent stärker belasten“, sagte Tim Klüsendorf. Die Parlamentarische Linke sieht ihr Positionspapier auch als Beitrag zur Diskussion in der Kommission für Steuern und Finanzen der SPD. Diese soll bis zum Parteitag im Dezember ein neues Steuerkonzept für die Partei entwickeln.

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Kommentare

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Steuerpolitik

Bei den oben angeführten weiterführenden Inhalten und Artikel und den dazugehörigen Kommentaren wird immer wieder aufs Neue mehr Steuergerechtigkeit gefordert, aber ändern tut sich leider nichts.

Lindner teilt vor wenigen Tagen mit, dass er weniger Geld habe und verschiebt den Haushaltsentwurf, weigert sich aber mit aller Hartnäckigkeit, auch nur das Geringste zu mehr Steuergerechtigkeit, z.B. durch Wiederbelebung der Vermögenssteuer, Erhebung einer Vermögensabgabe, Anpassung des Einkommensteuerhöchstbetrages, wie er vor der Schröder-Regierung galt, Anpassung der Erbschaftssteuern, Einführung einer Übergewinnsteuer u.a. sowie wirksame Bekämpfung von Steuerhinterziehung.

Ich befürchte, dass es zu meinen Lebzeiten keine auch nur annähernde Steuergerechtigkeit geben wird. Und leider höre ich auch hierzu nichts von unserem Bundeskanzler, indem er gegenüber der FDP von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch macht. Zwar wurden Steuererhöhungen im Koalitionsvertrag ausgeschlossen, jedoch hat sich seitdem vieles verändert, was ebenfalls nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen war.

„Die SPD-Linke“_1

Natürlich ist an der „Kindergrundsicherung festzuhalten“! Aber:

Wir leben gerade in einer „Zeitenwende“, am „24. Februar 2022 markiert“, „Realität heute“ (Klingbeil, 19.10.22). Darum „erarbeiten WIR in der Kommission (KIP) eine grundlegende Neupositionierung sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik“. Deren überragende Annahme ist: „Die eigene Stärke definiert sich aber auch über militärische Fähigkeiten“ (KIP, S. 5), die im „Dreiklang von Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik“ (S. 4) markant zum Ausdruck kommt. Allerdings „klaffen Anspruch und Wirklichkeit einer verteidigungsfähigen EU noch weit auseinander“ (S. 10). Da muss Deutschland „eine Führungsrolle einnehmen“. Dazu ist es auch bereit, was Högl und Pistorius dadurch beweisen, dass ihre Forderungen nach Militärausgaben, zusätzlich zu den gigantischen der Zeitenwende-Vereinbarungen, wortlos abgenickt werden. Es geht aber nicht nur um die Verteidigungsfähigkeit der EU – wann und von wem wurden eigentlich EU- oder Nato-Staaten schon mal angegriffen? – über die Nato sollen wir auch China im Indo-Pazifischen Raum militärisch eindämmen.

Wo ist hier die „SPD-Linke“?

„Die SPD-Linke“_2

„Eine bessere Ausstattung der Pflege: umzusetzen“! Aber:

Mit der „Zeitenwende“ haben wir eines unserer „erfolgreichsten Instrumente wiederentdeckt: die Erweiterungspolitik“. Die Vorgeschichte des Konflikts hat also keine geostrategischen Wurzeln, sondern ist zufriedenstellend damit zu erklären, dass Putin in „imperialer Besessenheit“ (Steinmeier) „die ... Souveränität vieler osteuropäischer Staaten nie anerkannt“ (S. 13) hat. Das nicht begriffen zu haben, war unser Fehler, begleitet von „Freundschaften“, die „den Blick auf die Realität versperrten“ (Klingbeil, 19.10.22). „Die Verbindungen nach Russland von führenden Sozialdemokrat*innen waren besonders eng“ und „verstrickt in wirtschaftliche Interessen (Liana Fix • 24. April 2023). So einfach ist es, ein Narrativ zu finden, in dem das seit 1997 verfolgte strategische Ziel der Nato, „eine starke, unabhängige Ukraine ist für die Stabilität des euro-atlantischen Raumes unerlässlich“ (Nato-Strategie 2022), gar nicht vorkommt, aber um so nachdrücklicher gegen das Veto Russlands verfolgt wird: Widerstreitende geopolitische Interessen waren schon immer Keimzellen von Kriegen.

Wo ist hier die „SPD-Linke“?

„Die SPD-Linke“_3

Was sagt die „SPD-Linke“ zu diesen Entwicklungen, die tatsächlich über Leben und Tod entscheiden werden. Stimmt, wer schweigt, zu? Statt einer Auseinandersetzung mit den KIP-Thesen, die von Klingbeil und Vorwärts (fast) unkommentiert verbreitet werden, kommt die "SPD-Linke"/ “Parlamentarische Linke“ mit den Oldies „Dienstwagenprivileg“, Kerosinsteuer und „Niedrigsteuerland für Vermögende“ aus der Versenkung. Auf die Schuldenbremse will sie auch verzichten. Da hat Klingbeil eine viel bessere, jedenfalls eine ganz andere Idee: „Ja, diese neue Rolle als Führungsmacht wird Deutschland harte Entscheidungen abverlangen – finanzielle auch politische. Wir müssen Strukturen verändern, auch Budgets neu verhandeln“. Rate mal, „SPD-Linke“, welche Budgets da wohl gemeint sein könnten?

Ich wage mich mal vor: Bis zu diesem Vorwärts-Artikel reicht der Arm der "SPD-Linken" - darüber hinaus nicht!

können Sie das bitte etwas ausführlicher ausführen?

Man gewinnt den Eindruck, dass unter dem Gebot der begrenzten Zeichenanzahl wesentliche Aspekte ihrer gehaltvollen Ausführungen auf der Strecke geblieben sind. Darunter leidet die Verständlichkeit, und nicht alles ist konsistent nachvollziehbar