Inland

Rechtsextreme Straftaten: Wie die SPD in Brandenburg die Welle brechen will

Im Jahr 2024 wurden in Deutschland so viele rechtsextreme Straftaten gezählt wie nie. Auch in Brandenburg zeigt die Kurve nach oben. Der SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Adler sieht dennoch Erfolge im Kampf gegen rechts. An seine Partei hat er einen klaren Auftrag.

von Nils Michaelis · 28. Mai 2025
Rechtsextremisten bei einer Kundgebung

Bei Kundgebungen von Rechtsextremist*innen kommt es immer wieder zu Fällen von Volksverhetzung und anderen Delikten.

„Die größte Gefahr für die Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus“, erklärte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt in der vergangenen Woche. Der CSU-Politiker bezog sich auf die neueste Statistik des Bundeskriminalamtes (BKS) zur Entwicklung politisch motivierter Straftaten in Deutschland. Demnach gab es im Jahr 2024 47,8 Prozent mehr Delikte mit rechtsextremem Hintergrund. Die Gesamtzahl belief sich auf 42.788. Die Summe aller politisch motivierten Straftaten stieg um 40 Prozent auf rund 84.000 Delikte.

In Brandenburg kletterte die Zahl rechtsextremer Delikte, darunter vor allem Sachbeschädigung, Beleidigung, Volksverhetzung und Propagandadelikte, um 46,5 Prozent auf 3.636. Uwe Adler, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, sorgt sich um die Stimmung in der Gesellschaft. Und er setzt auf eine entschlossene Reaktion der von Dietmar Woidke geführten Landesregierung.

Nicht  nur, aber auch Brandenburg verzeichnet einen rapiden Anstieg rechtsextremer Straftaten. Wie hat sich die Stimmung in dem Bundesland, wo 2024 ein neuer Landtag gewählt wurde, verändert?

Im Vergleich zum Landtagswahlkampf 2019 war einiges anders. Mein Eindruck ist: Immer weniger Menschen sind empfänglich für Politik oder bestimmte Politikfelder und für die Personen, die sie verkörpern. Das kann mit einer zunehmenden Abschottung oder Radikalisierung zu tun haben. An Wahlkampfständen war es auch für mich schwieriger, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Viele waren nicht bereit, sich mit mir als SPD-Politiker inhaltlich auseinanderzusetzen. Es gab auch Beleidigungen. 

Auch die Sprache ist eine andere geworden. Was früher unsagbar war, findet zunehmend Eingang ins allgemeine Vokabular. Bei dieser Verrohung und Brutalisierung der politischen Auseinandersetzung ist die AfD der wichtigste Player. Man muss sich nur die Reden ihrer Landtagsabgeordneten anhören.

Offenbar wird die Flut an Delikten auch durch den wachsenden Zulauf für die AfD getrieben, die vielerorts die Stimmung beeinflusst. Sind die Zahlen ein weiteres Argument für ein AfD-Verbot?

Nach der Aussetzung der Einstufung der Bundes-AfD als gesichert rechtsextrem gilt die Partei immer noch als Verdachtsfall. Im Zuge der weiteren Beobachtung wird sich das bisherige Bild von der AfD sicherlich verfestigen. Man muss allerdings unterscheiden zwischen einer erwiesen rechtsextremen Bestrebung und dem vermeintlichen Automatismus einer sofortigen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Verbotsverfahrens oder der sofortigen Einleitung eines Verbotsverfahrens. 

Sollte der Verfassungsschutz bestätigen, dass die AfD erwiesen rechtsextrem ist, sollten wir die Chance nutzen und die Verfassungsmäßigkeit eines Verbotsverfahrens prüfen. Dieses muss auf sicheren Füßen stehen.

Uwe Adler

Bei der Verrohung und Brutalisierung der politischen Auseinandersetzung ist die AfD der wichtigste Player.

Wo gab es im vergangenen Jahr Erfolge im Kampf gegen rechts?

Es existieren viele zivilgesellschaftliche und vereinsübergreifende Bündnisse, wie zum Beispiel „Potsdam bekennt Farbe“, die sich dem Rechtsextremismus entgegenstellen. Am Beginn der Debatte um die Remigrationspläne der AfD gab es in der Landeshauptstadt ein riesiges zivilgesellschaftliches Bekenntnis. Es ist sehr wertvoll, wenn Menschen selbstbestimmt Position beziehen und damit ein sichtbares Zeichen setzen gegen antidemokratische Debatten, rechtes Gedankengut und Rechtsextremismus. Ich hoffe, dass dadurch auch Menschen außerhalb des Dunstkreises dieser Bündnisse erreicht werden. 

Wir Politiker müssen unsere Politik und das, wofür wir als SPD, und möglicherweise auch die anderen demokratischen Parteien, stehen, besser erklären. Vor allem mit der jungen Generation müssen wir ins Gespräch kommen und für einen demokratischen Diskurs gewinnen.

Welche ihrer inhaltlichen Schwerpunkte sollte die SPD stärker betonen?

In den Debatten über Migrationspolitik müssen wir Einwanderung stärker auch als Chance und als Grundlage für eine positive Zukunft darstellen, zumal in einer älter werdenden Gesellschaft. Diese Debatte darf man aber nicht darauf verengen, dass Deutschland mehr Fachkräfte aus dem Ausland braucht. Wir müssen unsere Willkommenskultur an die heutige Zeit anpassen und viele Dinge rund um die Zuwanderung entbürokratisieren sowie Integrationsprozess beschleunigen. Den einfachen Narrativen der Rechten dürfen wir keinen Raum bieten.

Polizist im Landtag

Uwe Adler ist innenpolitischer Sprecher der Brandenburger SPD-Landtagsfraktion. Bis zu seiner ersten Wahl in den Landtag im Jahr 2019 arbeitete der 50-Jährige als Kriminalbeamter beim Landeskriminalamt Brandenburg.

Der Brandenburger SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Adler

Was bedeutet die Razzia gegen die Terrorzelle „Letzte Verteidigungswelle“ für den Kampf gegen rechts in Brandenburg?

Die fünf Festnahmen und Hausdurchsuchungen in Brandenburg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern haben gezeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert. Die „Letzte Verteidigungswelle“ ist Teil eines größeren Puzzles. Die zweite Generation der Baseballschläger-Typen hat sich offenbar zu Hause am Küchentisch radikalisiert. Ich weiß nicht, ob es für Jugendliche im Moment gerade en vogue ist, in irgendeiner Art und Weise rechts zu sein. Wir müssen Schulen wieder mehr Mittel und Möglichkeiten einräumen, damit sich die Schulklassen tiefgehender und länger mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen und sich Jugendliche eine fundierte Meinung bilden können.

Die Entlassung des Leiters des Verfassungsschutzes durch die mittlerweile zurückgetretene Ex-Innenministerin Katrin Lange wurde vielerorts als Schwächung der Behörde wahrgenommen. Bräuchte es jetzt ein gemeinsames Zeichen der Entschlossenheit von Verfassungsschutz und Landesregierung, den Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen? Wie müsste es aussehen?

Politik und Verfassungsschutz haben unterschiedliche Aufgaben. Die Landesregierung muss weiterhin einen klaren Kurs verfolgen und die SPD ihren eigenen Kompass im Blick behalten. Im Kampf gegen rechts dürfen wir an keiner Stelle Schwäche zeigen. 

Ich blicke optimistisch in die Zukunft und vertraue auf den neuen Innenminister René Wilke. Er hat ein feines Gefühl dafür, wie die Gesellschaft tickt und an welchen Stellen sie auseinanderzudriften droht. Er weiß, wann und auf welche Art und Weise man versuchen muss, mit den Menschen in direkte Kommunikation zu treten, um sich womöglich auf gemeinsame Ziele zu verständigen. Rechtsextreme Straftaten müssen durch Repression und Prävention eingedämmt werden.

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