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Pride Month 2025: Mehr Teilnehmer als je zuvor - während die Bedrohung wächst

Auch 2025 verzeichnen CSDs deutschlandweit neue Teilnehmer*innenrekorde – gleichzeitig werden sie immer mehr häufiger von Neonazigruppen und Rechten bedroht. Um queere Rechte dauerhaft zu schützen, fordern Verbände deshalb gesetzliche Maßnahmen.

von Finn Lyko · 25. Juli 2025
CSD-Parade in München: Viele Menschen mit bunten Schildern und Regenbogenflaggen.

CSD in München: Auch hier demonstrierten über 200.000 Menschen für Sichtbarkeit und Rechte queerer Personen.

Ende Juni ging ein Aufschrei durch große Teile des politischen Berlins. Der Grund: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verbot das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Bundestag zum diesjährigen Berliner Christopher Street Day. Der Bundestag sei „kein Zirkuszelt“, auf dem man beliebig Flaggen hisse, verteidigte Bundeskanzler Friedrich Merz seine Parteikollegin kurze Zeit später in einer Talkshow.

Auch wenn manch eine*r der Argumentation von vermeintlicher Neutralität des Parlaments, die im konservativen Lager so gerne bemüht wird, etwas abgewinnen kann – aus der Sicht anderer ist hier etwas ins Rutschen geraten. Verschiedene Bundestagsabgeordnete wie der SPD-Politiker Falko Droßmann berichteten beispielsweise zuletzt von Aufforderungen, Regenbogenflaggen auch aus ihren Büros zu entfernen.

SPDqueer: Angst vor einer Verschiebung der Debatte

Hört man sich in der queeren Community um, sind viele in Sorge. So auch Oliver Strotzer, Co-Bundesvorsitzender der SPDqueer. „Wenn man Symbole verbannt, dann erweckt man ja den Eindruck, da stimmt irgendwas nicht damit – als seien queere Menschen irgendwie komische Leute, die Sonderrechte haben wollen“, sagt er im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Eine solche Bedeutungsverschiebung könnte das Einfallstor für andere Vorschläge zur Einschränkung queerer Rechte öffnen, die vor allem im rechts-konservativen Raum derzeit kursieren, so Strotzers Befürchtung. Wer wisse schon, was möglich ist, wenn schon die reine Sichtbarkeit wieder zur Disposition gestellt wird.

Gewalt gegen queere Menschen nimmt zu

Gesellschaftlich scheint der Kampf um diese Sichtbarkeit bereits seit geraumer Zeit eine neue Dimension erreicht zu haben. Fälle von Hasskriminalität gegen queere Menschen haben nach Daten des Bundesinnenministerium und des Bundeskriminalamts seit 2020 deutlich zugenommen, und im vergangenen Jahr mobilisierten Neonazis und rechte Gruppen erstmals in erheblichem Umfang zu Demonstrationen gegen Christopher-Street-Day-Paraden. Dass hier queerfeindliche Sprüche skandiert oder Regenbogenflaggen verbrannt wurden, und es zu Gewalt gegen CSD-Teilnehmer*innen kam, war keine Seltenheit.

Die Amadeu Antonio Stiftung dokumentierte für das Jahr 2024 so viele „gezielte Störungen, Bedrohungen und Angriffe auf CSDs“ wie nie zuvor – etwa jeder dritte CSD war betroffen, insgesamt waren es 55. Und auch für 2025 mobilisieren vor allem rechtsextreme Gruppen wie die „Jungen Nationalisten“ oder der „III. Weg“ zu Anti-CSD-Demonstrationen. Währenddessen gestaltet sich die Finanzierung großer CSDs immer schwieriger, die Bereitschaft von potenziellen Sponsoren wieder zurückgeht.

LSVD⁺: Rekordbeteiligung im Pride Month 2025

So düster die Lage auch erscheinen mag – zu einem vollständigen Bild gehört jedoch auch, dass bereits im vergangenen Jahr gerade in großen Städten unterstützend hin zu kleineren CSDs in ländlicheren Regionen mobilisiert wurde, und 2025 in Deutschland so viele Christopher-Street-Day-Demonstrationen stattfinden wie nie zuvor. „Diese Rekordbeteiligung belegt, wie lebendig und selbstbewusst die queere Community heute ihre Rechte einfordert“, erklärt Erik Jödicke vom Bundesvorstand des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt, im Gespräch mit dem „vorwärts“. 

Dennoch: „Nach diesem stärksten Pride Month aller Zeiten darf Politik nicht auf halbem Weg stehen bleiben“, fordert Jödicke, denn „Sichtbarkeit und Solidarität müssen sich in politischer Verbindlichkeit niederschlagen.“ Der schwarz-rote Koalitionsvertrag weise nach Einschätzung des LSVD⁺ „massive queerpolitische Lücken“ auf. Es sei nun an den Politiker*innen, diese zu schließen, so Jödicke, ebenso wichtig sei es jedoch, „erreichte Errungenschaften dauerhaft zu sichern“ – und zwar durch eine Verankerung der Rechte queerer Menschen im Grundgesetz.

Queere Rechte: Braucht es eine Grundgesetzänderung?

Konkret könnte das beispielsweise über eine Aufnahme queerer Menschen in Artikel 3 des Grundgesetzes umgesetzt werden. Dieser Artikel regelt die Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und den Schutz vor Diskriminierung aufgrund von beispielsweise Herkunft, Sprache, oder Glaube. Diskriminierung aufgrund von Sexualität findet hier bislang jedoch keine Erwähnung.

Auch die SPDqueer fordert eine solche Grundgesetzänderung. Dass das mit den aktuellen Mehrheitsverhältnissen nahezu unmöglich ist, ist Oliver Strotzer bewusst. Aufgeben wird er trotzdem nicht. „Wir sind da und wir gehen auch nicht weg“, sagt er. Zu denken, dass queere Menschen verschwunden würden, wenn man nur genügend Druck mache, ist in seinen Augen der große Irrtum der Rechten. „Ich gehe stark davon aus, dass wir den längeren Atem haben – es geht schließlich um unsere Existenz, um unsere Grundrechte.“ Was die Regenbogenflagge auf dem Bundestag angeht, hat Strotzer eine klare Meinung: „Man kann gegenüber Menschenrechten nicht neutral sein – zumindest nicht als Demokratin und als Demokrat.“

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am So., 27.07.2025 - 09:15

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Im Laufe meines politisch bewußten Lebens bin ich immer gegen die Diskriminierung von Menschen mit anderer sexueller Orientierung, Hautfarbe oder sonstwas eingetreten. Die Fahne des Bauernkrieges hat bestimmt auch ihren Stellenwert. Aber anstatt sich übergewichtig dem Progressivismus zu verschreiben wäre es die Aufgabe der SPD sich der Verbesserung der sozialen Lage ALLER Menschen zu widmen.

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mo., 28.07.2025 - 10:17

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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immer die Sachwalterin der mühselig beladenen, der gesellschaftlich benachteiligten - wie es auch die queren sind- und der Fürsorgeempfänger. Das muss auch so bleiben, da liegt unser Wählerpotential