FAQ: Was ein neues SPD-Grundsatzprogramm bedeutet
Die SPD will sich 2027 ein neues Grundsatzprogramm geben. Das letzte ist dann zwanzig Jahre alt. Wieso das so lange gedauert hat, und was eine neue Programmatik bezwecken soll - wir beantworten die wichtigsten Fragen.
IMAGO/Berlinfoto
Damals frisch auf CD-ROM: Ex-SPD-Chef Kurt Beck und Ex-Generalsekretär Hubertus Heil mit dem Hamburger Programm von 2007
Auf dem Parteitag Ende Juni in Berlin wurde es beschlossen: Die SPD wird sich bis 2027 ein neues Grundsatzprogramm geben. Es soll dazu beitragen, die Partei zu erneuern. Immerhin: Das letzte Programm stammt von 2007. Welche Funktion haben die Programme für die Partei, und warum dauert ihre Entstehung so lange?
Was ist ein Grundsatzprogramm?
Die SPD bezeichnet sich als „Programmpartei“, was bedeutet: Sie richtet ihre Politik an zentralen Werten, politischen Leitlinien und Überzeugungen aus, die programmatisch festgehalten werden. Das Grundsatzprogramm soll insofern Orientierung bieten und ein Maßstab sein, an dem sich die politische Arbeit messen lässt.
Warum ist ein neues Grundsatzprogramm notwendig?
Nach der historischen Niederlage von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl 2025 will die SPD ihr Profil neu schärfen. Dazu beschlossen die Delegierten beim Bundesparteitag Ende Juni einen Leitantrag, der ein neues Grundsatzprogramm bis 2027 ankündigt. Beim nächsten ordentlichen Parteitag 2027 sollen die Delegierten das neue Programm beraten und beschließen. Es soll Grundlage für die Positionierung zur Bundestagswahl 2029 sein.
Schon nach der Bundestagswahl 2017 mit dem für die SPD bis dato schlechtesten Ergebnis von 20,7 Prozent hatte der damalige SPD-Chef Martin Schulz ein neues Grundsatzprogramm für das Folgejahr angekündigt. Seine Nachfolger stellten den Plan aber erst einmal zurück.
Ein neues Grundsatzprogramm ist parteiintern wohl auch deshalb notwendig, weil das aktuelle Hamburger Programm noch von 2007 stammt. Seitdem hat sich viel verändert, unter anderem ist im Hamburger Programm zu lesen: „Die strategische Partnerschaft mit Russland ist für Deutschland und die Europäische Union unverzichtbar.“
Was soll im Grundsatzprogramm stehen?
Laut Leitantrag zum Parteitag soll das Grundsatzprogramm ein „überzeugender sozialdemokratischer Gesellschaftsentwurf“ werden, „der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität im 21. Jahrhundert neu definiert“.
Im Fokus soll die arbeitende Bevölkerung stehen, stabile Renten, bezahlbarer Wohnraum, Investitionen in Wirtschaft, Infrastruktur und Klimaschutz sowie soziale Gerechtigkeit.
Die SPD will ihre Strukturen überarbeiten und Ortsvereine stärken, Kommunalpolitiker*innen sollen künftig mehr Einfluss auf inhaltliche Positionen haben. Sie will zudem ihre politische Kommunikation überarbeiten, denn in der Vergangenheit sei diese zu PR-lastig und komplex gewesen. Soziale Medien sollen eine größere Rolle spielen, der Kontakt zu den Menschen vor Ort soll enger werden.
Wie viele Grundsatzprogramme gab es schon?
Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hatte die SPD drei Grundsatzprogramme, mit denen sie jeweils auf die gesellschaftlichen Veränderungen ihrer Zeit reagierte.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm die SPD formal das Heidelberger Programm von 1925, das noch aus der Weimarer Republik stammte. 1959 wurde das Godesberger Programm beschlossen, das sich von den marxistischen Bezügen der Weimarer Zeit distanzierte, und die SPD von einer sozialistischen Arbeiterpartei zu einer Volkspartei weiterentwickelte. Darin bekannte sich die SPD auch zur sozialen Marktwirtschaft.
Mit dem Berliner Programm versuchte die SPD dreißig Jahre später, ihre innerparteilichen Spannungen zu lösen, die insbesondere durch die Befürwortung des NATO-Doppelbeschluss durch Ex-Kanzler Helmut Schmidt zustande gekommen waren. Das Programm sollte das Wachstumsdenken der Vorjahre ablösen und sich zu immateriellen Werten wie Demokratie, Frieden und Gleichstellung bekennen. Es wurde 1989 in Berlin verabschiedet, geriet allerdings angesichts der schnellen gesellschaftlichen Veränderungen im Zug der deutschen Wiedervereinigung in den Hintergrund.
2007 entstand das Hamburger Programm. Damit entwickelt die SPD ihr Verständnis einer nachträglich korrigierenden Sozialpolitik weiter hin zu einem Sozialstaat, der vorsorgend handelt. Das Soziale und der Begriff der Chancengleichheit, insbesondere durch eine soziale Bildungspolitik, gerieten in den Fokus. Als ausdrückliches Ziel nennt das Programm den Begriff des „demokratischen Sozialismus“, für eine Gesellschaft, die Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität vereinen soll. Der Begriff war bis dato und ist bis heute in der Partei umstritten, da er mit autoritären Sozialismusmodellen assoziiert werden kann.
Wie soll das Programm entstehen?
Die SPD will sich „aus der Mitte der Partei heraus“ neugestalten, und zwar auf Grundlage von Gesprächen mit den Menschen vor Ort. Das Programm soll also gemeinsam mit den Mitgliedern entstehen, dazu könnten Dialogformate und Mitgliederbefragungen dienen.
Federführend wird der neue Generalsekretär sein. „Wir haben keine andere Wahl als im Grundsatz neu zu denken“, sagte Tim Klüssendorf vor dem Parteitag. Der Prozess solle aber „nicht über viele Jahre“, „sondern sehr kompakt gestaltet werden“.
Im Leitantrag zum Bundesparteitag, den die Delegierten beschlossen haben, gingen auch Vorschläge einer Kommission ein, die das schlechte Wahlergebnis aufarbeitet. Ihr gehören unter anderem die Vorsitzende der Grundwertekommission, Gesine Schwan, der Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn und der Kommunikationsexperte Erik Flügge an.
Parteiprogramme
Na ja, Papier ist geduldig. Wenn die SPD sich stets daran gehalten hätte, was sie in ihren Programmen beschlossen hat, würde es vielen Menschen besser gehen, und die SPD hätte Wahlergebnisse wie z.B. im Jahre 1972.
In vielen Punkten hat sich die Partei leider stark von den Programminhalten entfernt, wobei erfahrungsgemäß die Wähler und Mitglieder der SPD wesentlich kritischer gegenüber ihrer Partei sind, was sich regelmäßig sowohl bei Wahlen als auch bei den Mitgliederzahlen niederschlägt. Leider haben sich die Regierungsmitglieder stets zu sehr den Koalitionspartnern, insbesondere gegenüber der Union, angepasst, während sich die CSU als kleinste Regierungspartei, z.B. durch ihre skandalösen und unfähigen Verkehrsminister Mautbrindt und Scheuer, am ehesten durchsetzen konnte.
Aus diesen Fehlern, die der SPD immer Stimmen und Mitglieder gekostet haben, sollte die SPD endlich lernen!!!