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Lilly Blaudszun: Warum der Kirchentag in Hannover politisch ist

Am Mittwoch beginnt der Evangelische Kirchentag in Hannover. Als jüngstes Mitglied im Präsidium hat die Sozialdemokratin Lilly Blaudszun das Programm mitgestaltet. Dass dabei an vielen Stellen die Politik im Mittelpunkt steht, findet sie richtig.

von Kai Doering · 30. April 2025
Lilly Blaudszun ist das jüngste Präsidiumsmitglied des Evangelischen Kirchentags

„Was wir machen, hat sehr viel mit Politik zu tun.“ Lilly Blaudszun ist das jüngste Präsidiumsmitglied des Evangelischen Kirchentags

Wenn Lilly Blaudszun an Samstagabend denkt, ist sie schon jetzt „irre aufgeregt“. Gemeinsam mit Tobias Bilz, dem Landesbischof von Sachsen, wird die 23-Jährige Sozialdemokratin dann auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag den „Segen zur Nacht“ sprechen. Den Opernplatz im Zentrum Hannovers dürften dann tausende Menschen füllen, die meisten mit Kerzen in der Hand. „Der erste Textentwurf ist fertig, aber ich arbeite noch daran“, erzählt Blaudszun in der vergangenen Woche am Telefon. „Es wird aber auf jeden Fall politisch.“

Das fünfte Mal Kirchentag, das zweite Mal im Präsidium

Wenn die Gläubigen ab dem 30. April in Hannover zusammenkommen, um bei Bibelarbeiten, Podien und in Gottesdiensten buchstäblich über Gott und die Welt zu sprechen, ist das bereits Blaudszuns fünfte Teilnahme an einem Kirchentag, die zweite im Präsidium. „Ich weiß schon, was mich erwartet, auch wenn es natürlich jedes Mal etwas Neues und Beindruckendes ist“, erzählt sie.

2021 wurde sie als jüngstes Mitglied in das 21-köpfige Gremium gewählt. Ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre. „Als Präsidium tragen wir die Gesamtverantwortung für den Kirchentag“, fasst Lilly Blaudszun die Aufgabe des Kirchentagspräsidiums zusammen. Dieses lege Datum und Ort für die Kirchentage festgelegt und ebenso das Programm. Zudem berufe es die Vorbereitungsgruppen für die einzelnen Themen.

Politisch, aber nicht parteipolitisch

„Ein deutlicher Fokus liegt diesmal auf Arbeitsthemen“, erzählt Lilly Blaudszun. Für den 1. Mai, den „Tag der Arbeit“, ist deshalb ein „Thementag Arbeit und Chancen“ geplant. „Wie kann Arbeit gut für Menschen sein? Was wünschen sich junge Menschen von ihrer Arbeit? Wie verändert Künstliche Intelligenz unsere Arbeit?“, lauten Fragen, mit denen sich die Kirchentagsbesucher*innen auseinandersetzen sollen. Passend, dass auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Kirchentagspräsidium sitzt und an diesem Tag mitdiskutiert.

„Der Kirchentag war schon immer hochpolitisch“, sagt Lilly Blaudszun. Daran ändere auch die Kritik von Julia Klöckner nichts. Die Bundestagspräsidentin von der CDU hatte zu Ostern in einem Interview erklärt, dass sie sich von den Kirchen weniger Stellungnahmen zu tagesaktuellen Themen wünscht und stattdessen mehr Sinnstiftung. Ansonsten würden die Kirchen „austauschbare NGOs“. Lilly Blaudszun kann die Kritik nicht nachvollziehen. „Was wir machen, hat sehr viel mit Politik zu tun“, sagt sie, „aber nichts mit Parteipolitik“.

Verbunden mit Thomas de Maizère

Im Präsidium des Kirchentags sind neben Repräsentant*innen der Kirchen auch Mitglieder verschiedener Parteien vertreten. Neben SPD-Minister Heil etwa die frühere Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) oder die ehemalige Vize-Präsidentin des Europaparlaments Nicola Beer (FDP). Präsident des Hannoveraner Kirchentags ist der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Als der nach dem vergangenen Kirchentag in Nürnberg 2023 die „Anspruchshaltung vieler in der Generation Z“ kritisierte, schrieb Lilly Blaudszun eine Replik. Die damals 22-Jährige fühlte sich direkt angesprochen.

De Maizière habe ihre Kritik angenommen und sich sogar dafür bedankt. Kurz vor dem diesjährigen Kirchentag nahm Blaudszun einen Podcast mit de Maizière auf. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal mit Thomas de Maizère verbunden fühlen würde“, sagt Blaudszun, die schon als Schülerin in Mecklenburg-Vorpommern in die SPD eintrat und die Partei bereits in mehreren Wahlkämpfen, besonders im Social-Media-Bereich, unterstützte.

Die Menschen wieder von sich überzeugen

Ihr Glaube spiele stets eine zentrale Rolle. „Er ist die Basis für alles, was ich mache“, sagt Blaudszun. „Er ist etwas, an dem ich mich festhalten kann.“ Außerdem empfinde sie die Gemeinschaft als „sehr schön“. Dabei seien Glaube und Kirche nicht zwingend eine Einheit. „Man kann auch ohne Kirchenmitgliedschaft glauben“, ist Lilly Blaudszun überzeugt und betont, dass der Kirchentag „nicht die Kirche“, sondern „eine Laienbewegung“ ist.

Folge 13 - mit Lilly Blaudszun
SPDings – der „vorwärts“-Podcast

SPDings – der „vorwärts“-Podcast, Folge 13 mit Lilly Blaudszun

Lilly Blaudszun, ist Studentin, Sozialdemokratin und Mitglied im Präsidium des Evangelischen Kirchentages. Im Gespräch erzählt sie, was Kirche und Politik gemeinsam haben und welchen Einfluss ihre ostdeutsche Biografie auf ihr politisches Engagment hat.

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Gehörten 1992 noch 70,4 Prozent in Deutschland einer christlichen Kirche an, waren es 30 Jahre später nur noch 47,5 Prozent – weniger als die Hälfte der Bevölkerung. In Ostdeutschland liegt der Anteil an vielen Orten sogar unter 20 Prozent. „Ich kann jeden verstehen, der sich von der Kirche abwendet“, sagt Lilly Blaudszun. Die Kirche habe viele Fehler gemacht und damit meint die 23-Jährige nicht nur die Missbrauchsskandale, die in den vergangenen Jahren bei Katholiken wie Protestanten ans Licht gekommen sind.

„Die Kirche muss dafür arbeiten, die Menschen wieder von sich zu überzeugen“, meint Lilly Blaudszun. Ganz praktisch könnte sie zum Beispiel nicht genutzte Immobilien als Begegnungsorte zur Verfügung stellen oder als dringend benötigten Wohnraum freigeben. „Gemeinsam anders – für eine vielfältige und gerechte Zukunft“ heißt ein Sammelband, in dem Theolog*innen, Musiker*innen und andere ihre Forderungen an die Kirche aufgeschrieben haben. Lilly Blaudszun hat einen Text zur ostdeutschen Perspektive beigesteuert. Am Samstagabend soll das Buch beim Kirchentag auf dem Hannoveraner Messegelände vorgestellt werden. Blaudszun wird nur am Anfang dabei sein können. Danach muss sie ja noch den „Segen zur Nacht“ sprechen.

Vertreter*innen der SPD auf dem Kirchentag in Hannover

Donnerstag, 1. Mai 

Hubertus Heil

Dialogbibelarbeit mit Dr. Irme Stetter-Karp vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken
9:30 bis 10:30 Uhr
Halle 14/15, Messegelände

Podium „Human friendly automation“
15 bis 17 Uhr
Halle 17, Messegelände

 Katarina Barley

Podium „Europa: Sicherer Hafen oder eiserne Festung“
15 bis 17 Uhr
Halle 2, Messegelände

 

Freitag, 2. Mai 2025

Olaf Scholz

Podium „Zuversicht in herausfordernden Zeiten“
11 bis 13 Uhr
Halle 4, Messegelände

Svenja Schulze

Podium „Money makes the world go green“
11 bis 13 Uhr
Convention Center, Saal 3, Messegelände

 Matthias Miersch

Gespräch „Aufgetischt live – politischer Realtalk vom Feinsten“
14 bis 15 Uhr
CVJM-Stand, Zentrum Junge Menschen, Messegelände

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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