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AfD und Co: Wie der Verfassungsschutz mit Rechtsextremist*innen umgeht

Am Mittwoch hat das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz den dortigen Jugendverband der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Anlass für einen Blick auf Begriffe und Mechanismen der wehrhaften Demokratie.
von Christian Rath · 17. Juli 2023
Demo gegen die Rede einer AfD-Politikerin vor dem Brandenburger Landtag in Potsdam
Demo gegen die Rede einer AfD-Politikerin vor dem Brandenburger Landtag in Potsdam

Wie ist in Deutschland „Rechtsextremismus“ definiert?

Es gibt keine gesetzliche Definition. Der Verfassungsschutz ist generell zuständig für die Beobachtung von Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden, seien es Links- oder Rechtsextremist*innen oder Islamist*innen.

Was versteht man unter der freiheitlich demokratischen Grundordnung?

Das Bundesverfassungsgericht hat 2017 im NPD-Verbotsverfahren drei wesentliche Bestandteile herausgearbeitet: die Demokratie, den Rechtsstaat und die Achtung der Menschenwürde. Organisationen, die sich hiergegen wenden, sind extremistisch.

Was ist der Unterschied zwischen „rechtsradikal“ und „rechtsextremistisch“?

Juristisch relevant ist nur der Begriff „extremistisch“. Der Begriff „radikal“ hat keine rechtliche Bedeutung.

Warum gilt die Junge Alternative Brandenburg als extremistisch?

Weil sie eine „ethnisch homogene“ Vorstellung von deutschem Volk propagiert. Deutsch könne nur sein, wer deutscher Abstammung ist. Eingebürgerte Deutsche werden nicht als vollwertig akzeptiert, was ihre Menschenwürde und das Demokratieprinzip verletzt. Dieses völkische Denken wird von den meisten rechtsextremistischen Gruppen vertreten.

Welche Auswirkungen hat die Einstufung als „gesichert rechtsextremistische“ Bestrebung?

Die JA Brandenburg war bisher schon als „Verdachtsfall“ eingestuft. Die Hochstufung bringt für sie keine großen Veränderungen. Es geht eher um eine verschärfte Stigmatisierung.

Welche Stufen der Verfassungsschutz-Überwachung gibt es?

Am Anfang steht die Einstufung als „Prüffall“, die nur interne Bedeutung hat. Laut Verwaltungsgericht Köln darf die Einstufung als Prüffall nicht öffentlich gemacht werden, weil es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. Nächste Stufe ist der „Verdachtsfall“, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte“ für extremistische Bestrebungen nachgewiesen werden können. Nun darf eine Organisation im Verfassungsschutzbericht genannt werden. Es muss aber gekennzeichnet werden, dass es sich nur um einen Verdachtfall handelt. Der schwerste Eingriff ist die Einstufung als „gesicherte extremistische Bestrebung“.

Welche Maßnahmen kann der Verfassungsschutz jeweils anwenden?

Bei einem Prüffall ist der Verfassungsschutz in der Regel auf die Auswertung öffentlich zugänglicher Quellen beschränkt, zum Beispiel von Flugblättern und Wahlprogrammen. Bei Verdachtsfällen und gesichert extremistischen Bestrebungen kann der Verfassungsschutz auch Telefone abhören und Spitzel einsetzen.

Was bedeutet es, wenn eine Organisation „Beobachtungsobjekt“ des Verfassungsschutzes ist?

Sie ist dann entweder Verdachtsfall oder gesichert extremistische Bestrebung, d.h. sie kann im Verfassungsschutzbereit erwähnt werden. Auf eine tatsächliche „Beobachtung“ mit Fernglas oder durch Spitzel kommt es hier nicht an.

Wie ist der Stand bei der AfD-Bundespartei?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD 2021 als Verdachtsfall eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat diese Einstufung im März 2022 bestätigt. Dagegen hat die AfD Berufung zum Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Wann sind Berufsverbote möglich?

Beamt*innen müssen die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten. Wenn dies nicht der Fall ist, darf eine Einstellung nicht erfolgen oder kann der Status genommen werden. An dieser Rechtsgrundlage hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nichts geändert. Während des Extremistenbeschlusses der 1970er/1980er-Jahre gab es allerdings vor jeder Einstellung eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Die bloße Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei genügt noch nicht für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Letztlich soll es immer auf den Einzelfall ankommen.

Wann sind Parteiverbote möglich?

Laut Grundgesetz ist eine Partei zu verbieten, wenn sie darauf ausgeht, die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ zu beseitigen oder zu beeinträchtigen. Wenn eine Partei als gesicherte extremistische Bestrebung gilt, kann sie theoretisch auch verboten werden. Es muss aber ein Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung vorliegen. Über den Antrag entscheidet dann das Bundesverfassungsgericht. Im Fall der NPD verzichtete das Gericht 2017 auf ein Verbot, weil die NPD nicht mehr relevant genug sei.

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