Koalitionsvertrag für Thüringen: Wo sich die SPD durchgesetzt hat
Das Brombeer-Bündnis in Thüringen rückt näher: CDU, BSW und SPD haben am Freitag den Koalitionsvertrag vorgestellt. Darin konnte die SPD wichtige Akzente setzen.
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Im Zeichen der Brombeere: CDU, BSW und SPD wollen das bundesweit erste Bündnis dieser Art eingehen.
Zwar ist die SPD der kleinste Partner in der angepeilten Dreier-Koalition. Dennoch trägt der Koalitionsvertrag eine deutliche sozialdemokratische Handschrift. Das machte der SPD-Landesvorsitzende Georg Maier am Freitag bei der Vorstellung des „Regierungsvertrag“ genannten Papiers in Erfurt deutlich. Das 126 Seiten starke Papier trägt den Namen „Mut zur Verantwortung. Thüringen nach vorne bringen“.
Brombeer-Koalition will „Richtungswechsel in der Migrationspolitik“
CDU-Chef Mario Voigt nannte den Vertrag ein „Fundament für eine neue, handlungsfähige Regierung vor, das die Bürger im Mittelpunkt“ habe. Im Fokus der gemeinsamen Regierungsarbeit solle stehen, weniger Asylbewerberinnen und Asylbewerber aufzunehmen, die Ärzt*innenquote zu erhöhen, Bildung zu fördern sowie Wirtschaft und Arbeitsplätze zu sichern.
Im Koalitionsvertrag wird ein „Richtungswechsel in der Migrationspolitik“ gefordert: CDU, BSW und SPD kündigen eine Landesausländerbehörde an, die Aufnahme, Anerkennung von Berufsabschlüssen, Integration und Abschiebungen bündeln soll.
Die Bildungspolitik solle durch ein Maßnahmenpaket „Unterricht statt Ausfall“ geprägt werden. Gesundheitsvorsorge solle wieder flächendeckend existieren. Praxen sollten daher „maximal 20 Minuten entfernt“ sein. Zudem solle Thüringen ein „digitales Vorzeigeland“ werden.
Georg Maier: Thüringen soll attraktiver für Familien werden
Auch Maier sprach im Thüringer Landtag von der „Grundlage einer handlungsfähigen Regierung“ im Freistaat, setzte aber ganz andere Akzente als Voigt. Vor dem Hintergrund des Geburtenrückgangs sei es wichtig, dass den Menschen Mut für ihre Zukunft gemacht werde. Die SPD wolle dafür sorgen, dass Thüringen eines der familienfreundlichsten Bundesländer werde. Menschen, die Angehörige pflegen, sollen laut Maier künftig entlastet werden, indem beispielsweise Eigenbeiträge für Pflegeheime sinken sollen.
Im Bereich Innere Sicherheit habe die SPD durchgesetzt, dass 1.800 zusätzliche Polizist*innen eingestellt werden. Auch nimmt die SPD für sich das Ziel in Anspruch, diejenigen besser zu schützen, „die sich für unseren Staat engagieren und ein öffentliches Haupt- oder Ehrenamt bekleiden“.
„Es macht mich stolz, mit welcher Kraft und welchem Ideenreichtum wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diesen Koalitionsvertrag geprägt haben“, so Maier in einer im Anschluss verbreiteten schriftlichen Erklärung. „Wir arbeiten an einem gerechteren Land und wir werden Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates zurückerlangen“, so der amtierende Innenminister.
Bündnis sucht keine wechselnden Mehrheiten im Landtag
Maier verbindet mit dem Koalitionsvertrag drei zentrale Botschaften, die er mit den Begriffen „Verantwortung“, „Gerechtigkeit“ und „handlungsfähiger Staat“ umschreibt. „Wir geben den braunen Hetzern der AfD keine Wirkmächtigkeit im Thüringer Landtag“, so Maier. „Mit uns gibt es keine wechselnden Mehrheiten.“
Durch die Abschaffung der Hortgebühren und die Einführung eines kostenlosen Mittagessens in Kita und Schule würden Familien entlastet. Zudem sorge man für gute Arbeit und steigende Löhne. Außerdem schaffe die künftige Landesregierung Raum für Investitionen, und zwar mit einer Abkehr von der „Nullschuldenpolitik“.
„Damit stärken wir unsere Kommunen, schaffen Wohnraum und investieren in moderne Schulen“, listet Maier auf. Auf Initiative der SPD sollen zudem Investitionen in den sozialen Zusammenhalt priorisiert werden. Dennoch bekenne sich das Bündnis zur Einhaltung der Schuldenbremse.
„Ich bin mir sicher, mit diesem Arbeitsplan wird eine künftige Landesregierung, das Leben der Thüringerinnen und Thüringer besser machen“, so Maier. „Das ist mein Anspruch an sozialdemokratische Politik.“
Konsultationsverfahren wie in Sachsen angestrebt
Offen ist, wie das Dreierbündnis künftig Beschlüsse im Parlament herbeiführen will. Dort kommt es auf 44 von 88 Sitzen, bräuchte also mindestens eine Stimme von der Opposition.
Maier kündigte an, man werde vor allem mit der Linkspartei reden. „Demokratinnen und Demokraten müssen untereinander grundsätzlich gesprächsbereit sein“, sagte er in Erfurt. Zudem soll, ähnlich wie in Sachsen, wo auf die Bildung einer Minderheitsregierung aus CDU und SPD hingearbeitet wird, ein Konsultationsverfahren greifen. Demnach sollen Abgeordnete aus Reihen der Opposition frühzeitig in Entscheidungen der Regierungskoalition eingebunden werden.
Wie das in Thüringen funktionieren soll, ist aber unklar: Mit der AfD wollen weder CDU noch SPD zusammenarbeiten. Die CDU schließt obendrein jede Kooperation mit der Linken aus.
SPD-Mitglieder entscheiden über Koalitonsvertrag
Zur Besetzung des Kabinetts machten die Koalitionäre keine Angaben. Dass sich CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt der Wahl zum Ministerpräsidenten stellt, ist sicher. Medienberichten zufolge beanspruchen alle drei Parteien das Wirtschaftsressort für sich. Zumindest auf den Parteienproporz im Kabinett hat man sich bereits verständigt: Demnach erhält die SPD zwei Ressorts und das BSW drei. Vier Ministerien inklusive der Staatskanzlei entfallen auf die CDU.
Das letzte Wort zu dem Vertrag haben die Parteigremien. Die SPD will die Mitglieder darüber abstimmen lassen. Diese erhalten am 25. November eine Mail mit allen Informationen zum Votum. Dieses läuft bis zum 9. Dezember. In vielen Kreisverbänden und Regionen wird es Informationsveranstaltungen zum Koalitionsvertrag geben. Eine Terminübersicht ist hier zu finden. CDU und BSW wollen Parteitage über das Papier entscheiden lassen.