Kampf gegen rechts: Warum das Gemeinnützigkeitsrecht reformiert werden soll
Vermehrt zeigt die AfD zivilgesellschafliche Initiativen beim Finanzamt an. Der Vorwurf: Ihre Gemeinnützigkeit sei nicht gegeben. Die Initiativen fordern deshalb eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Im Interview sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ariane Fäscher, was die Ampel unternehmen will.
imago/Müller-Stauffenberg
Demonstration für Demokratie und gegen Rechtsextremismus in Gotha: Zivilgesellschaftliches Engagement wird häufig von Initiativen getragen, die auf den Status der Gemeinnützigkeit angewiesen sind.
In ländlichen Gebieten Ostdeutschlands werden sie besonders gebraucht: Vereine und Initiativen, die sich für die Demokratie und gegen den erstarkenden Rechtsextremismus engagieren. Einige von ihnen stecken in Schwierigkeiten, weil sie von der AfD beim Finanzamt angezeigt wurden. Der Vorwurf: Ihre Gemeinnützigkeit sei nicht gegeben.
Wird diese aberkannt, sehen die Bündnisse ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Offenbar will die AfD auf diese Weise Initiativen gegen rechts aus der Welt schaffen, ist die Sorge. In einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz fordern mehr als 100 Vereine nun eine Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts, um den Einsatz für ein demokratisches Miteinander am Leben zu halten.
Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Ariane Fäscher sieht einen dringenden Handlungsbedarf.
Etliche zivilgesellschaftliche Initiativen bangen um ihre Gemeinnützigkeit und fordern eine Reform. Wie schätzen Sie ihren Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz ein?
Das ist ein Hilferuf. Gerade an den Orten, wo die Zivilgesellschaft gefragt ist, muss sich die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie beweisen. Wir brauchen zumindest eine im Kern organisierte Zivilgesellschaft. Derzeit gibt es bei vielen Initiativen eine große Unsicherheit. Da muss man gesetzgeberisch nachbessern.
Im Koalitionsvertrag wurde die Reform der Gemeinnützigkeit von zivilgesellschaftlichen Vereinen und Initiativen festgeschrieben. Wie ist der aktuelle Stand?
Einige Punkte sollen bereits in der zweiten Jahreshälfte über das Jahressteuergesetz geregelt werden. An der großen Reform hält die Koalition fest, sie soll jetzt auf die Bahn gebracht werden. Aus den zuständigen Ministerien sind hierzu bald Eckpunkte und Referentenentwürfe zu erwarten Und auch auf der parlamentarischen Ebene sind wir sehr an einer Umsetzung interessiert.
„Es wird um Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung gehen"
Welche Punkte sind bei der Reform besonders wichtig, um die Initiativen und ihren Einsatz für die Demokratie rechtlich besser abzusichern?
Eine wichtige Grundfrage, die zu klären ist, lautet: Inwieweit darf sich eine gemeinnützige Organisation politisch betätigen?
Die Demokratie verankert sich vor Ort in der Zivilgesellschaft, deswegen ist diese Frage ebenso essenziell wie die Aufnahme weiterer zivilgesellschaftlicher Themen in den für für die Gemeinnützigkeit ausschlaggebenden Positivkatalog. Es wird um Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung ebenso gehen wie um Entschlackungen im Haushalts-, Zuwendungs- und Steuerrecht. Das Fördermittelmanagement bindet im Engagement zu viele Ressourcen und auch Haftungsfragen sind berührt.
Immer wieder zeigt die AfD Vereine und Initiativen bei den Behörden an, weil sie ihre Gemeinnützigkeit für nicht gegeben hält. Viele Ämter gehen diesen Anzeigen nach und erkennen die Gemeinnützigkeit tatsächlich ab, indem sie die Vorschriften sehr eng auslegen. Haben diese Behörden ein Demokratiedefizit?
Es ist schwierig, dazu eine pauschale Aussage zu treffen. Das hat immer auch mit den jeweiligen Sachbearbeiter*innen und deren Vorgesetzten zu tun. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei ihnen aufgrund neue politischer Konstellationen Unsicherheiten gibt. In solchen Fällen legt man die Buchstaben wohl eher eng als weit aus. Das kennen wir auch aus anderen hakeligen Situationen.
Meiner Einschätzung nach betreiben die Verwaltungen bisher beim Thema Gemeinnützigkeit aber keine Politik, sie versuchen, sich so rechtssicher wie möglich zu verhalten. Daran zeigt sich aber, dass es gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt.
Nach den Kommunalwahlen ist die AfD vor allem im Osten so stark wie nie. Glauben Sie, dass die Partei aus den Kommunalparlamenten heraus noch mehr Druck auf Verwaltungen ausüben wird, um gegen aus ihrer Sicht missliebige Akteur*innen der Zivilgesellschaft vorzugehen?
So könnte es wohl kommen, denn die Parlamente bestimmen ja letztlich, wofür im kommunalen Haushalt Geld vorgesehen wird, verabschieden Richtlinien über Raumnutzungen oder Fördermittelvergabe.
Vor allem müssen wir verhindern, dass es der AfD gelingt, dass die wehrhafte Demokratie auf der Straße nicht mehr sichtbar ist. Auch sollten wir nicht vergessen, dass es noch immer eine klare demokratische Mehrheit gegen die AfD gibt: Die müssen wachsam sein und über mögliche Gräben hinweg gut zusammenarbeiten.
„Ich sehe eine Selbstbeschränkung der Zivilgesellschaft"
Wie erleben Sie die Situation in Ihrem Wahlkreis im brandenburgischen Landkreis Oberhavel?
Ein taktisches Spiel der AfD mit Prüfaufträgen in Sachen Gemeinnützigkeit sehe ich dort bisher nicht. Wohl aber eine Selbstbeschränkung der Zivilgesellschaft.
Viele Vereine und Initiativen wollen möglichst weite Kreise von Menschen aufnehmen, um sich nicht verdächtig zu machen, politisch zu sein und dadurch die Gemeinnützigkeit zu verlieren oder möglichst anschlussfähig für die Breite der Gesellschaft zu bleiben.
Sie stellen sich möglichst breit auf und vermeiden jenseits ihres Einsatzes für Demokratie und Zivilgesellschaft ideologische Bekenntnisse, verbieten zum Beispiel Parteifahnen bei einer Demo. Dass Parteien dieses Engagement jedoch gut unterstützen können, wird vielerorts nicht gesehen oder unterschätzt. Das finde ich schade und auch gefährlich.
Gemeinnützigkeit
Die böse afd. Zu was für perfiden Mitteln die greift.
Wie kam es denn, daß z.B. Attac oder die Nachdenkseiten die Gemeinnützigkeit entzogen wurde ? Steckt da auch die afd dahinter ?
Kennt jemand das Beispiel vom Splitter und Balken aus der Bibel ????
zur Gemeinnützigkeit des Zivilgesellschaftlichen Engagements
Nun, da es auch die demokratischen Parteien es schafften, div. zivilgesellschaftluiches Engagement zu kriminalisieren, stellt sich damit auch die Gemeinnützigkeit infrage.
Das gilt auch der SPD: mit Symbolik einerseits ist dem Rechtsextremismus nicht beizukommen und andererseits um der AFD mit Verschärfung des Auskländerrechts die Stimmen zu nehmen, ist nicht nur einfach peinlich, sondern erschreckend!
Ich bin wirklich sehr gern 'kriminell' mit meinen Aktionen gegenüber dem öffentlich allzu oft und zu lange geduldeten Hassschmierereien im öffentlichen Raum!
"Schöne" Worte helfen der bedrohten Demokrtatie nun wirklich nicht mehr!
"Viele Ämter gehen diesen…
"Viele Ämter gehen diesen Anzeigen nach und erkennen die Gemeinnützigkeit tatsächlich ab, indem sie die Vorschriften sehr eng auslegen. Haben diese Behörden ein Demokratiedefizit?"
Die Anwendung geltender Gesetze ist ein "Demokratiedefizit"? Ich glaube das Demokratiedefizit liegt eher bei der SPD, die denkt, die Justiz müsse in ihrem Sinne entscheiden und dafür ggf. die Vorschriften "locker" auslegen. Natürlich aber nur bei Vereinen und Organsationen, die der SPD gefallen.