Studie „Thüringer Zustände": Warum eine massive Krise der Demokratie droht
Zum vierten Mal sind die „Thüringer Zustände“ veröffentlicht worden, eine Bestandsaufnahme zu Rechtsextremismus im Freistaat. Angesichts der steigenden Wahlergebnisse für die AfD schlagen die Autor*innen Alarm.
IMAGO / Müller-Stauffenberg
Eine Kundgebung gegen Rechtsextremismus im thüringischen Sonneberg.
Zwei von drei Wahlen im Superwahljahr 2024 sind in Thüringen vorbei, die Ergebnisse sind schon jetzt alarmierend. Denn sowohl bei den Kommunalwahlen als auch bei der Europawahl legte die rechtsextreme AfD im Freistaat um mehr als acht Prozentpunkte zu. Bei der Europawahl wurde sie mit 30,7 Prozent klar stärkste Kraft.
Reichsbürger*innen, Neonazis und die AfD
Daher warnte Romy Arnold, Projektleiterin bei der Mobilen Beratung für Thüringen und gegen Rechtsextremismus (MOBIT), bei der Vorstellung der „Thüringer Zustände“, der Bestandsaufnahme zum Thema Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Freistaat: „Der Rechtsextremismus wird in kommunalen und lokalen Parlamenten zunehmend zu einem Problem. Wir bewegen uns auf eine massive Krise der Demokratie in Thüringen zu.“
Bereits zum vierten Mal wurden die „Thüringer Zustände“ veröffentlicht. Die Analyse zeigt: Zwar ist das rechte Protestspektrum, das sich themenunabhängig mobilisieren lässt, zahlenmäßig im vergangenen Jahr deutlich kleiner geworden. Allerdings ist es nicht ganz verschwunden. Und dort, wo es noch sichtbar ist, gebe es ein weiteres Zusammenrücken von AfD, Reichsbürger*innen, Pandemieleugner*innen und Neonazis, referierte Arnold.
Neonazi Frenck mit entscheidender Rolle
Auch die Anzahl der Konzerte in der Thüringer Rechtsrock-Szene sei mit 51 schon wieder fast auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie. „Thüringen bleibt also Rechtsrock-Hotspot“, sagte sie daher. Zugleich habe Neonazi Tommy Frenck bei der Organisation von Rechtsrock-Konzerten eine zentrale Rolle gespielt. Jener Frenck, der kürzlich im Kreis Hildburghausen bei der Landratswahl im zweiten Durchgang 30,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. „Tommy Frenck ist seit Jahren in der Region engagiert. Er wird von vielen Leuten als der normale Nachbar gesehen und nicht als der extrem rechte Akteur, der er ist“, glaubt Arnold.
Insgesamt werde es nach den jüngsten Kommunalwahlergebnissen immer schwieriger, demokratische Mehrheiten gegen die AfD zu organisieren. „Wir brauchen eine stärkere Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen“, mahnte Arnold daher. Ansonsten stünden die demokratische Zukunft und der Schutz marginalisierter Gruppen auf dem Spiel. Insbesondere mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September werten die Autor*innen der „Thüringer Zustände“ die Ergebnisse der Kommunalwahlen als alarmierendes Signal.
Eine kleine Stadt gegen die AfD
Doch es gibt auch positive Berichte im Freistaat, beispielsweise aus Nordhausen, wo es im vergangenen Jahr gelang, durch zivilgesellschaftliches Engagement den bundesweit ersten AfD-Oberbürgermeister zu verhindern. Davon berichtete am Montag während der Pressekonferenz Sylvia Spehr von der Initiative „Nordhausen Zusammen“. Noch im ersten Wahlgang lag der AfD-Kandidat mit fast 20 Prozentpunkten vorne. Doch durch eine breite Mobilisierung von Kirchen, Vereinen, Politik und Verbänden gelang es, dessen Wahl zu verhindern.
„Es war ein Tag, den werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Eine kleine Stadt in Thüringen hat es geschafft, sich gegen die AfD zu stemmen“, sagte Spehr stolz. Das Bündnis sei heute immer noch aktiv. Seine Arbeit zeige, dass zivilgesellschaftliches Engagement und Zusammenhalt sich auszahlten.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo