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Bürokratieabbau: Warum die SPD den Turbo einlegt

Mit dem neuen Bürokratieentlastungsgesetz will die Ampel der Wirtschaft und den Bürger*innen das Leben erleichtern. Wie das gehen soll und warum es oft sie schwierig ist, erklärt SPD-Experte Esra Limbacher. „Es ist höchste Zeit zu handeln", sagt er.

von Lars Haferkamp · 19. Juni 2024
Abbau von Bürokratie: Das Thema steht seit Jahren auf der Agenda der Politik, nun will die Ampel-Koalition einen großen Schritt nach vorn wagen.

Abbau von Bürokratie: Das Thema steht seit Jahren auf der Agenda der Politik, nun will die Ampel-Koalition einen großen Schritt nach vorn wagen.

Deutschlands Bürokratie ist berühmt und berüchtigt – auch im Ausland. Hat sie sich inzwischen vom Standortvorteil zum Investitionshemmnis ausgewachsen, zum Wettbewerbsnachteil der deutschen Wirtschaft?

Wir alle spüren doch sowohl im betrieblichen Umfeld wie auch im Privaten: Es ist jetzt höchste Zeit zu handeln. Unnötige Bürokratie in unserem Land hat überhandgenommen. Sie kostet Zeit und Geld, stellt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor hohe Hürden im Alltag und bremst die Wirtschaft. Das Bürokratieentlastungsgesetz ist ein erster wichtiger Schritt dazu, das zu ändern.

Erhöht die aktuelle Schwäche der deutschen Wirtschaft den Handlungsdruck?

Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir sagen müssen: So geht es nicht mehr weiter! Bürokratieentlastung kann in einer herausfordernden wirtschaftlichen Lage wie jetzt ein Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft sein, das noch dazu völlig kostenlos ist, keine weiteren staatlichen Mittel erfordert. Diese Chance für die deutsche Wirtschaft sollten wir ergreifen.

Sie sind auch Mittelstandsbeauftragter der Fraktion. Warum haben gerade kleine Betriebe mehr Probleme mit der Bürokratie als große?

Kleine Betriebe sind weitaus stärker von der Belastung durch Bürokratie betroffen, da sie zusätzliche Belastung nicht einfach durch Neueinstellungen auffangen können. In Handwerksbetrieben bedeutet das nicht selten, dass der Meister oder die Meisterin am Wochenende im Büro sitzen muss, um den Berichtspflichten nachzukommen. Deshalb lohnt sich der Abbau von Bürokratie für kleine und mittlere Betriebe in Deutschland ganz besonders. 

Das FDP-geführte Bundesjustizministerium hat vor wenigen Wochen einen Entwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt. Sind Sie damit zufrieden?

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV ist ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich endlich einen größeren Wurf beim Bürokratieabbau zu wagen. Das Entlastungsvolumen des Meseberger Entlastungspakets ist insgesamt dreimal so groß wie beim Bürokratieentlastungsgesetz der Vorgängerregierung unter Angela Merkel. Deswegen kann man schon jetzt sagen: Es ist ein guter und wichtiger Schritt, den die Ampel hier geht. 

Aber wir wollen noch viel mehr erreichen. Und das machen wir jetzt im Parlament, nicht nur mit diesem Gesetz, sondern mit vielen anderen auch in den nächsten Monaten. Bürokratieabbau muss man immer ganzheitlich und systematisch betrachten.

Esra 
Limbacher

Die SPD versteht Bürokratieabbau so, dass wir das Leben der Menschen in Deutschland leichter und einfacher machen wollen.

Welche weiteren Schritte sind geplant?

Die Ampel-Koalition hat bereits jetzt viele Vorhaben entweder auf den Weg gebracht oder wird das tun. Das betrifft die Beschleunigung vom Planungs- und Genehmigungsverfahren, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, den Bau-Turbo-Pakt und die Digitalisierung der Verwaltung, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir machen viele Verfahren einfacher und digitaler. Das ist der Weg, den wir im Koalitionsvertrag beschlossen haben und zügig weitergehen wollen.

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf am Gesetz?

Die SPD versteht Bürokratieabbau so, dass wir das Leben der Menschen in Deutschland leichter und einfacher machen wollen. Und deswegen lohnt es sich an jeder Stelle im Gesetz genau nachzusehen, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Das tun wir zurzeit in der parlamentarischen Beratung. 

Welche Rückmeldungen gab es denn zu dem Gesetzentwurf in den Anhörungen des Bundestages aus der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft?

Da gab es sehr positive Rückmeldungen. Es wird gut aufgenommen, dass es endlich eine politische Bereitschaft gibt, die Bürokratieentlastung konkret und effektiv anzugehen. Es wird positiv wahrgenommen, dass wir die Rufe der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft gehört haben und dran sind.

Esra Limbacher

ist stellvertretender Sprecher der AG Wirtschaft und Mittelstandsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion.

Esra Limbacher ist stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Mittelstandsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion.

Im Gesetz sind die Entlastungen für die Wirtschaft zentral. Besteht da nicht die Gefahr, dass dies, zulasten von Arbeitnehmer*innen, Mieter*innen und Verbraucher*innen geht?

Nein, wir müssen aufhören mit dem „entweder oder“ und alle in den Blick nehmen. Der Name des Gesetzes ist: Viertes Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie. Das sehe ich als Auftrag, alle zu entlasten. Für Bürger wird dies aber auch vor allem in der Digitalisierung der Verwaltung liegen, durch die lästige Behördengänge erspart werden. Abschließend möchte ich nochmal deutlich machen, dass die SPD großen Wert darauf legt, dass der Arbeits- und Verbraucherschutz nicht vermindert wird und ganz allgemein Schutzstandards niemals gegen bürokratische Entlastungen aufgerechnet werden.

Der nun diskutierte Gesetzentwurf betrifft das bereits vierte Gesetz zur Bürokratieentlastung. Warum ist die Entlastung von Bürokratie so schwierig?

Überbordende Bürokratie ist oft die Folge einer bestimmten Geisteshaltung: Immer alles in jeder Möglichkeit absichern zu wollen. Es gibt aber keine absolute Sicherheit. Wenn der Staat und die Unternehmen nur noch Risikominimierung betreiben, übersehen wir Zukunftschancen. Wir brauchen wieder mehr Vertrauen in die Vernunft der Menschen. Das beweisen wir mit dem Bürokratieentlastungsgesetz.

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1 Kommentar

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Do., 20.06.2024 - 17:11

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"Wir alle spüren doch sowohl im betrieblichen Umfeld wie auch im Privaten: Es ist jetzt höchste Zeit zu handeln. "

Warum hat die SPD eigentlich die letzten 11 Jahre, in denen sie an der Regierung beteiligt ist, nicht gehandelt? Warum soll man denken das außer solchen Sprüchen jetzt irgendetwas von der SPD kommen wird?

"Überbordende Bürokratie ist oft die Folge einer bestimmten Geisteshaltung: Immer alles in jeder Möglichkeit absichern zu wollen"

Diese Geisteshaltung nimmt doch bei der SPD stetig zu statt ab.