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SPD-Wirtschaftsforum: Neue Spitze fordert Bürokratie-Abbau von Ampel

Im Dezember hat Ines Zenke die Führung des Wirtschaftsforums der SPD übernommen. Im Interview spricht sie über neue Akzente der Ampel, Grenzen von Lobbyismus und warum der Abbau von Bürokratie für die Transformation der Wirtschaft so wichtig ist.
von Kai Doering · 12. Januar 2022
Weniger „administrative Hürden“ würden den Unternehmen beim Umbau der Wirtschaft helfen, meint Ines Zenk vom Wirtschaftsforum der SPD.
Weniger „administrative Hürden“ würden den Unternehmen beim Umbau der Wirtschaft helfen, meint Ines Zenk vom Wirtschaftsforum der SPD.

Wirtschaft und SPD wirken auf viele als ein Gegensatz. Woran liegt das?

Wenn ich an „die Wirtschaft“ denke, sehe ich keinen Gegensatz. Sondern eine ausgewogene Gesamtheit, die aus – gerecht bezahlter – Arbeit, Investitionen und Ideen gebildet wird. Und so zu Wohlstand, Zufriedenheit und gesellschaftlichem Zusammenhalt führt. Solange Wirtschaft Verantwortung trägt – und das tut sie, schlechte Einzelbeispiele skrupelloser Unternehmenslenker mal beiseitegelassen –, steht das Verbindende im Vordergrund. Und entspricht so vollständig dem Markenkern der SPD.

Vor sechseinhalb Jahren wurde das Wirtschaftsforum der SPD als parteiunabhängiger Verein und als Bindeglied zwischen (sozialdemokratischer) Politik und Wirtschaft gegründet. Hat sich das Verhältnis in dieser Zeit verändert?

Natürlich sage ich an dieser Stelle, dass sich das Verhältnis verändert hat. Damit meine ich vor allem die Kommunikation, die über das Wirtschaftsforum als Plattform konzentriert, einfach und auch fokussiert möglich ist. Über unsere Fachforen zum Beispiel können wir je Themenfeld die unterschiedlichsten Perspektiven und Kompetenzen zusammenführen. Dies ermöglicht spannende Diskussionen, die sonst so auch nicht immer möglich sind.

Wenn offen Pro und Contra auf den Tisch kommen und allgemeine Prosa oder Positionen-Dropping überflüssig werden, dann kann das gute Sachergebnis, die gute Lösung entstehen. Wobei der Fortschritt manchmal schon darin besteht, dass man überhaupt miteinander spricht oder die Sachzwänge des Gegenübers verstanden werden. Immer einen Schritt nach dem anderen.

Ob Aserbaidschan-Affäre oder Maskendeals von Abgeordneten von CDU und CSU: Wirtschaftliche Einflussnahme auf politische Entscheidungen stand im vergangenen Jahr gleich mehrfach im Fokus. Wo verläuft die Grenze zwischen Lobbyismus und Beeinflussung?

Beeinflussung ist zunächst nur der Oberbegriff für Lobbyismus. Eine Demonstration ist eine Beeinflussung. Eine Werbekampagne auch. Ein Leitartikel in der FAZ, ein Kommentar in den „Tagesthemen“ oder eine BILD-Schlagzeile sind auch alles Beeinflussungen. Die entscheidende Frage ist für mich daher diejenige nach erlaubter und nicht-erlaubter Beeinflussung.

Erlaubt ist das Überzeugen mit Sach-Argumenten. Dies kann auch transparent und öffentlich erfolgen, denn ein gutes Argument verliert nicht an Strahlkraft, wenn es andere auch kennen. Das Argument befindet sich dann wahrscheinlich in Konkurrenz mit den Argumenten anderer Interessengruppen – und es ist die ureigenste Aufgabe der Politik, die Argumente abzuwägen und eine Entscheidung zu fällen.

Nicht erlaubt ist die Beeinflussung dann, wenn das „überzeugende Argument“ etwas ist, was nur der einzelnen Person nützt wie z.B. Geld oder andere Zuwendungen. Das ist dann schlicht Korruption und keine Lobbyarbeit.

Im Dezember haben Sie die Leitung des SPD-Wirtschaftsforums von Gründungspräsident Michael Frenzel übernommen. Wo wollen Sie künftig Akzente setzen?

Die Akzente ergeben sich mit den Herausforderungen. Die größte heute liegt für mich in der Transformation unserer Wirtschaft zur Treibhausgasneutralität, die in Europa 2050, in Deutschland bereits im Jahr 2045 erreicht werden soll. Wir haben ein großartiges Ingenieurswissen in Europa. Wenn ich sehe, was durch die Klimawende an Innovationskraft entfesselt wird, bin ich tief beeindruckt. Manches Unternehmen erfindet sich sogar vollständig neu und bietet damit nachhaltig Arbeitsplätze.

Nachhaltigkeit bedeutet auch nicht nur die Minderung von Treibhausgasen. Die Ressourcenwende mit einer echten Kreislaufwirtschaft gehört genauso dazu, wie es etwa die gute Bildung tut, die Gender-Gerechtigkeit oder der sorgsame Umgang mit der Ressource Wasser. Wir haben reichlich Gesprächs- und Handlungsbedarf.

Sie sind Expertin im Energierecht. Um die Klimaziele zu erreichen, hat sich die Ampel-Koalition gerade für den Ausbau Erneuerbarer Energien hohe Ziele gesetzt. Worauf kommt es dabei an, damit sie erreicht werden?

Mit Blick auf die angestrebte Treibhausgasneutralität ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien unumgänglich. Wie soll das auch sonst klappen? Für mich ist dabei ein Schlüsselthema das Beschleunigen von Genehmigungsverfahren. Dabei sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass das schlichte Verkürzen von heutigen Verfahrensfristen große Effekte hat.

Wir brauchen ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um die Prozesse zu beschleunigen. Und dabei auch das Verständnis, dass die Energiewende nicht gegen die Menschen arbeiten darf, sondern von diesen getragen wird, von ihnen verstanden werden und ihre Bedürfnisse berücksichtigen muss. Das hat viel mit Kommunikation zwischen den Bürger*innen vor Ort, dem Betreiber/der Betreiberin und der Behörde zu tun. Klappt das, werden Erneuerbare als win-win empfunden und nicht als störendes „das auch noch“. Das kann man durch Gesetzgebung unterstützen. Und ist im Koalitionsvertrag auch bereits gut angelegt.

Was sind Ihre sonstigen Erwartungen an die Ampel-Koalition?

In den nächsten vier Jahren entscheidet sich, ob wir die notwendigen Grundlagen für den Umbau unserer Wirtschaft und ihrer Wettbewerbsfähigkeit legen. Die Ziele sind klar formuliert. Schon das hilft den Unternehmerinnen und Unternehmern, Entscheidungen für Investition und Fortentwicklung zu treffen. Nun gilt es, unnötige administrative Hürden zu beseitigen. Das ist eine meiner Erwartungen an die Ampel. Über die anderen sprechen wir gern ein anderes Mal weiter.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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