Inland

Jetzt geht’s zur Sache: Kanzler trifft Regierungschef*innen des Ostens

Bundeskanzler Olaf Scholz konferiert mit den Regierungschef*innen der ostdeutschen Länder. Drei von ihnen stehen im Herbst vor äußerst schwierigen Landtagswahlen. Entsprechend angespannt ist die Stimmung.

von Lars Haferkamp · 18. Juni 2024
Seit' an Seit': Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (l.) mit Bundeskanzler Olaf Scholz, hier gemeinsam auf dem Landesparteitag der SPD Brandenburg im November 2023.

Seit' an Seit': Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (l.) mit Bundeskanzler Olaf Scholz, hier gemeinsam auf dem Landesparteitag der SPD Brandenburg im November 2023.

Wie ungemütlich wird die für Dienstag angesetzte Konferenz von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsident*innen der ostdeutschen Länder in Wittenberg? Und wie groß ist dabei der Druck aus der eigenen Partei für Scholz? Für zahlreiche Spekulationen ist bereits im Vorfeld des Treffens gesorgt. Und dafür sorgen nicht zuletzt führende Sozialdemokrat*innen aus Ostdeutschland.

Der Grund: Das starke Abschneiden von AfD und BSW und das schwache Abschneiden der SPD bei der Europawahl und den Kommunalwahlen im Osten. Ein Alarmsignal vor den wichtigen Landtagswahlen in diesem Herbst. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden dann neue Landtage gewählt. Und nach den Umfragen ist es möglich, dass im Osten ohne die Extremist*innen der AfD und die Populist*innen des BSW keine Mehrheiten gebildet werden können.

Dietmar Woidke: „Wir müssen Dinge noch besser erklären“

Entsprechend beunruhigt zeigte sich etwa Dietmar Woidke, der SPD-Ministerpräsident von Brandenburg, der im Herbst um sein Amt kämpfen muss. Er kritisierte nach der Europawahl ein Kommunikationsdefizit der SPD gegenüber den Wähler*innen. Diese suchten „Antworten, die wir offensichtlich nicht gut genug gegeben haben“, so Woidke im Deutschlandfunk. 

„Wir müssen Dinge noch besser erklären, wir müssen noch mehr rausgehen zu den Menschen“, forderte er. „Wir müssen jeden einzelnen Tag deutlich machen, dass Demokratie gut funktioniert.“ Das sei nun die große Herausforderung. „Wir haben es mit Rechtspopulisten zu tun, wir haben es in Teilen mit Rechtsextremisten zu tun, und die nutzen jeden Fehler, den wir machen, jede Unsicherheit, die in der Bevölkerung dadurch entsteht, dass wir Dinge nicht gut genug erklären.“ 

Als Problemthema, das den Menschen auf den Nägeln brenne, identifizierte er die Migration. Politik müsse hier zum Beispiel Antworten geben auf die Frage, wie „irreguläre Migration“ gestoppt, eine Überforderung der Kommunen verhindert und eine gute Integration erreicht werden könne. Auch in der Wirtschaftspolitik sieht der brandenburgische Regierungschef aktuell „noch viel Luft nach oben“.

Manuela Schwesig: „Es muss wirtschaftlich vorangehen“

Besorgt zeigte sich auch Woidkes SPD-Amtskollegin aus Mecklenburg-Vorpommern. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die amtierende Präsidentin des Bundesrates, erklärte im NDR-Fernsehen, sie spüre auch in ihrem Bundesland schon länger eine „schlechte Stimmung gegenüber den Ampel-Parteien“. 

Laut Medienberichten sagte sie, „die letzten Wahlen haben gezeigt, dass die Menschen in Ostdeutschland sehr unzufrieden sind“. Die Bundesregierung müsse insgesamt die Sorgen der arbeitenden Mitte stärker in den Fokus nehmen, betonte Schwesig. „Es muss wirtschaftlich vorangehen, damit Arbeitsplätze mit guten Löhnen entstehen.“

Georg Maier, Innenminister in Thüringen und SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl im Herbst, fordert, die SPD müsse „auch dringend vor der eigenen Haustüre kehren, um bei den Wählern wieder besser anzukommen". Das sagte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. 

Wie Schwesig findet auch Maier, der Fokus der SPD müsse wieder stärker auf „die arbeitende Mitte“ gerichtet werden. Diese sei durch die Krisen gebeutelt und verunsichert und frage sich, wer in der Politik für sie und ihre Interessen eintrete. „Die SPD hat es versäumt, diese soziale Schieflage in Deutschland zum Thema zu machen.“ 

Er appelliere schon länger „eindringlich im Parteivorstand und im Kanzleramt, endlich aktiv zu werden. Doch bisher ohne Erfolg.“ Für Georg Maier ist es unverständlich, „warum die SPD die Gerechtigkeitsfrage nicht auf die politische Agenda setzt. Das ist doch unsere DNA.“

Georg Maier: Schuldenbremse ist „bar jeder Vernunft“

Dazu gehöre auch, die anhaltende soziale Ungleichheit zwischen Ost und West anzusprechen. „Man kann niemanden mehr erklären, warum die Schere zwischen Ost und West 34 Jahre nach der Einheit immer noch so weit auseinandergeht“, so Maier. Die Löhne seien niedriger, die Arbeitszeiten länger, die Vermögen nicht einmal halb so hoch wie im Westen und die Durchschnittsrenten am niedrigsten.

Zugleich kritisierte er das Festhalten an der Schuldenbremse, wie es auf Bundesebene von der FDP und Finanzminister Christian Lindner vertreten wird. Das sei „bar jeder Vernunft“. Maier kritisierte: „Weltweit werden zig Milliarden durch staatliche Programme in die Infrastruktur und Forschung investiert, nur Deutschland spart sich durch die Krise.“

Carsten Schneider: Brauchen „langfristiges Wachstum für Ostdeutschland“

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Staatsminister Carsten Schneider (SPD), zeigte sich vor dem Treffen des Kanzlers mit den Regierungschef*innen des Ostens zuversichtlich. Nötig sei eine „kluge Politik, die ein langfristiges Wachstum für Ostdeutschland fördert“, so Schneider gegenüber tagesschau.de. Daran würden Bund und Länder gemeinsam arbeiten. 

Als Beispiel nannte er die Förderung der Kohleregionen. Hier hatten der Bund und die Kohle-Länder in der vergangenen Woche vereinbart, die Milliardenhilfen für den Strukturwandel künftig flexibler einsetzen zu können. Davon sollen besonders die Länder Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt profitieren. 

Entscheidend für eine gute Entwicklung im Osten seien auch eine „ausreichende gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum“ sowie ein „Klima der Offenheit vor Ort“, so Schneider. Schließlich sei auch Ostdeutschland auf den Zuzug von Fachkräften angewiesen.

Themenpalette von Wirtschaft bis Pflege

Auf der Tagesordnung in Wittenberg stehen eine Reihe von Themen, die den Menschen im Osten besonders auf den Nägeln brennen. Dazu gehört eine flächendeckende medizinische Versorgung. Die Sorge vor weiteren Standortschließungen ist groß. Ebenfalls auf der Agenda sind die Reform der Pflegeversicherung, die demografische Entwicklung sowie die Wirtschaft- und Energiepolitik. 

Ein weiteres heißes Eisen dürften die EU-Mittel für die strukturschwachen Regionen im Osten sein. Sollten sie künftig weniger fließen, dürfte das die Lage weiter verschärfen und den Extremen in die Hände spielen.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 18.06.2024 - 18:16

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"Für Georg Maier ist es unverständlich, „warum die SPD die Gerechtigkeitsfrage nicht auf die politische Agenda setzt." Ganz einfach: die SPD hat ihre Glaubwürdigkeit selbst demoliert.
Jajaja und immer wieder: Die BSWler sind die allerschlimmsten.