Inland

Gleichwertigkeitsbericht: So unterschiedlich lebt es sich in Deutschland

Wie unterscheidet sich das Leben in der brandenburgischen Prignitz vom Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen? Der erste Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung macht nun den Vergleich zwischen allen Kreisen und Städten Deutschlands möglich. Mit interessanten Ergebnissen.

von Lea Hensen · 3. Juli 2024
Eine verlassene Bushaltestelle in Radevormwald, Nordrhein-Westfallen.

Eine verlassene Bushaltestelle in Radevormwald, Nordrhein-Westfallen.

Die gute Nachricht zuerst: Deutschland wird offenbar immer gleicher. Wirtschaftliche, soziale und ökologische Unterschiede zwischen den Regionen nehmen ab. Die schlechte Nachricht: In wichtigen Lebensbereichen sind die Menschen in Deutschland nicht zufrieden und fordern Verbesserungen.

Das geht aus dem ersten Gleichwertigkeitsbericht hervor, den das Bundeskabinett am Mittwoch diskutiert hat. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) stellten die Ergebnisse am Vormittag vor. Sie beziehen sich auf das Jahr 2022 und zeigen: Die Regionen Deutschlands nähern sich in 27 von insgesamt 38 untersuchten Indikatoren an. Etwa in der wirtschaftlichen Entwicklung.

Bekannte Unterschiede zwischen Ost und West

Der Osten Deutschlands habe nach wie vor Nachholbedarf, sagte Habeck. „Aber im Moment ist die wirtschaftliche Dynamik in den fünf ostdeutschen Ländern stärker als im Westen.“ Weniger Unterschiede gebe es auch bei den kommunalen Steuereinnahmen, der Zahl der Straftaten, bei der Geburtenrate und der Lebenserwartung. Auch die Unterschiede zwischen Landkreisen mit geringer und solche mit hoher Arbeitslosigkeit nehmen demnach ab. Aber noch immer sind im Süden Deutschlands deutlich mehr Menschen beschäftigt als im Osten. „Die Schere schließt sich“, sagte Habeck.

Anhand des Berichts will die Ampel-Koalition ihre Fördermaßnahmen überprüfen. Denn gleichwertige Lebensverhältnisse sind als Ziel im Grundgesetz vereinbart. Insgesamt flossen im Jahr 2022 rund 4,2 Milliarden Euro Fördermittel in die Regionen – mehr als die Hälfte davon in ostdeutsche Kreise. Der Bericht sei der erste, der die Lebensbedingungen in den 400 Landkreisen und kreisfreien Städten systematisch gegenüberstelle, sagte Habeck.

Wo Ostdeutschland einen Vorsprung hat

Besonders besorgniserregend nannte der Wirtschaftsminister den demographischen Wandel in den strukturschwachen Regionen. Viele ostdeutsche Kreise verzeichnen dem Bericht zufolge einen starken Rückgang der Bevölkerung. Außer in den Städten leben dort anteilig mehr ältere Menschen als in westdeutschen Regionen.

Größer geworden sind die Unterschiede laut dem Gleichwertigkeitsbericht auch was den Anteil von Einpersonenhaushalten und Fachkräften angeht. Einige Unterschiede zwischen Ost und West sind bekannt und unverändert: So hat Ostdeutschland gegenüber Westdeutschland einen klaren Vorsprung, was die Betreuung der unter Dreijährigen angeht. Das Durchschnittsgehalt ist im Osten geringer, in Westdeutschland ist dafür der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern stärker ausgeprägt. 

Unzufrieden mit Infrastruktur

Für den Bericht wurden die Bürger*innen nach ihrer Zufriedenheit mit ihrer Lebenssituation befragt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte: „Nur wenn es überall die gleichen guten Lebens- und Arbeitsbedingungen gibt, kann es ein gutes soziales Miteinander geben.“ Dabei zeigte sich, dass die Menschen in wichtigen Lebensbereichen unzufrieden sind. So beklagten acht von zehn Befragten, dass es vor allem in Großstädten schwer sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Nur die Hälfte der Befragten hält den öffentlichen Nahverkehr an ihrem Wohnort und die Qualität des Internets für ausreichend. 

Auch die Gesundheitsversorgung wird eher schlecht bewertet. Rund 41 Prozent sagten, die Situation habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert, für nur fünf Prozent hat sie sich verbessert. Aus Sicht der Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland gibt es zu wenige Fachärzt*innen. Im ländlichen Raum wird der Mangel an Ärzt*innen von drei Viertel der Menschen beklagt. Gerade einmal 43 Prozent halten die Qualität der Schulen für gut. Bei Kitas und Ganztagsschulen sind es noch weniger. Drei Viertel der Befragten beklagen zu wenige Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren. 

Auffallend ist, dass die subjektive Einschätzung zum Teil erheblich von der objektiven Datenlage abweicht: Die Menschen in Bayern sind laut Umfrage beispielsweise besonders zufrieden mit der Kinderbetreuung, obwohl diese objektiv nicht so gut ausgebaut ist. Insgesamt sagten acht von zehn Befragten, sie seien mit ihrer Lebenssituation zufrieden.

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