Inland

Angriffe auf Politiker*innen: Eine Chronik der bekannten Vorfälle

Gerade im Wahlkampf werden politisch Engagierte häufig beschimpft und angegriffen. Seit Monaten nehmen die Vorfälle zu. Ein Überblick über die Ereignisse der vergangenen Wochen.

von Lea Hensen · 10. Mai 2024
Angriffe gegen Politiker*innen nehmen seit Jahren zu.

Angriffe gegen Politiker*innen nehmen seit Jahren zu.

Zwei bekannte Attentate haben die Öffentlichkeit besonders geschockt: 2015 stach ein Mann mit einem Messer auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ein. 2019 ermordete ein Rechtsextremer den Kasseler CDU-Politiker Walter Lübcke mit einem Schuss in den Kopf. Doch nicht erst der Angriff auf den sächsischen SPD-Politiker Matthias Ecke zeigt, dass sich die Übergriffe auf politische Engagierte derzeit häufen. 

Zahlen der Landeskriminalämter, die die AfD im Januar im Bundestag erfragt hat, zeigen: Von Sachbeschädigung bis hin zu körperlicher Gewalt nahmen die Vorfälle in den vergangenen fünf Jahren zu. Seit 2019 gab es demnach mehr als 10.500 verbale und körperliche Angriffe auf Vertreter*innen von Parteien. Damals zählte die Polizei 1.420 Straftaten. Vorläufigen Angaben zufolge waren es im vergangenen Jahr mit 2.790 Vorfällen fast doppelt so viele. 

Grünen-Politiker*innen am häufigsten attackiert

Über Jahre war die AfD am stärksten betroffen, ein Großteil der Straftaten gegen die Partei kam aus dem linken Spektrum. Seit 2022 werden aber vor allem Grünen-Politiker*innen angegriffen. Im vergangenen Jahr zählte die Polizei mehr als 1.200 Straftaten gegenüber Grünen, die weitaus meisten davon waren Beleidigungen oder Drohungen. Die meisten Gewalttaten richteten sich gegen Grüne (62) und AfD (86). Während die Gewalt gegen die AfD in den vergangenen Jahren abnahm, stieg sie gegen Grünen-Politiker*innen an. Sozialdemokrat*innen standen als Opfer von 420 Straftaten im vergangenen Jahr an dritter Stelle.

Für das laufende Jahr gibt es noch keine aktuellen Zahlen. Ein Rückblick auf Vorfälle der vergangenen Wochen aber zeigt, welcher Aggression Politiker*innen im Wahlkampf ausgesetzt sind. Neben der Europawahl am 9. Juni stehen in diesem Jahr Kommunalwahlen in neun Bundesländern sowie Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg an. Die Chronik ist nur eine Auswahl, denn viele Angriffe auf Politiker*innen werden öffentlich nicht bekannt.

Mai 2024

Am Donnerstag, 16. Mai, wird ein SPD-Mitglied in Mannheim beim Plakatieren mit seiner Freundin von mehreren betrunkenen Männern attackiert. Der Wahlhelfer gibt an, die Männer zur Rede gestellt zu haben, nachdem sie Wahlplakate runterrissen. Daraufhin hätten sie ihn gewürgt, geschlagen und getreten.

Am Dienstag, 7. Mai, wird die Berliner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey bei einer Attacke verletzt. Ein Mann soll die Wirtschaftssenatorin in einer Bibliothek im Berliner Stadtteil Rudow von hinten angegriffen haben, und zwar „mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt“, so die Polizei. Giffey wird kurzzeitig ambulant behandelt. Die Polizei nimmt am Mittwoch einen 74-Jährigen fest, bei dem es „Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung“ geben soll. 

Grünen-Politikerin angepöbelt und bespuckt 

Am gleichen Tag wird Yvonne Mosler, Grünen-Spitzenkandidatin für den Dresdner Stadtrat, verletzt. Ein Kamerateam hatte Mosler nach dem Angriff auf Matthias Ecke beim Plakatieren begleitet. Auf einem Video, das die Deutsche Welle auf X teilte, ist zu sehen, wie ein Mann und eine Frau die Grünen-Politikerin und ihre Begleiter aggressiv angehen. Die Frau spuckt Mosler ins Gesicht. Die Polizei ermittelt gegen zwei Tatverdächtige. Den Angaben nach hielten sie sich zuvor in einer Gruppe auf, aus der heraus der Hitlergruß gezeigt wurde. 

Der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann (Linke) wird wiederholt bedroht. Am Montag, 6. Mai, sollen Unbekannte Hundekot und Flyer mit Drohungen und Hakenkreuzen in den Briefkasten seines Wahlkreisbüros in Leipzig deponiert haben.

 

 

Am Samstag, 4. Mai, soll ein AfD-Landtagsabgeordneter im niedersächsischen Nordhorn angegriffen worden sein. Am gleichen Tag werden in Magdeburg gleich an zwei Orten Sozialdemokratinnen Opfer von Übergriffen. Cassidy-Jane Miethke, Juso-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, berichtet im Gespräch mit dem „vorwärts“ von einer queerfeindlichen Attacke eines Mannes während einer Demonstration auf der Sterntorbrücke. Zeitgleich kommt es in einem nördlichen Stadtteil Magdeburgs zu einem Übergriff auf einen SPD-Infostand. 

Am Freitag, 3. Mai, wird der sächsische SPD-Europawahlkandidat Matthias Ecke beim Plakatieren in Dresden verprügelt. Ecke muss im Krankenhaus operiert werden. Das Landeskriminalamt identifiziert vier mutmaßliche Täter. Mindestens einer von ihnen sei dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen. Auch der sächsische Landesverband der Grünen berichtet von Angriffen auf Plakatierteams in jener Nacht. Dabei soll ein Wahlhelfer der Grünen von vier Angreifern attackiert worden sein. Er erlitt mehrere Prellungen.

Am Donnerstag, 2. Mai, werden die Grünen-Politiker Rolf Fließ, dritter Bürgermeister der Stadt Essen, und Kai Gehring, Bundestagsabgeordneter, in Essen beleidigt und ins Gesicht geschlagen.

Wahlkampfhelfer beim Plakatieren bedroht und verletzt

April 2024

In der Nacht zu Samstag, 27. April, werden Wahlkampfhelfer an mehreren Orten angegriffen und zum Teil verletzt. In Zwickau attackiert ein Unbekannter einen Wahlkampfhelfer der Grünen beim Plakatieren. In Leipzig trifft einen Wahlkampfhelfer der Partei Volt ein Schlag ins Gesicht. In Chemnitz wird einem Mitglied des Wahlkampfteams der Grünen beim Plakatieren die Leiter weggerissen, der Mann wird leicht verletzt. Im brandenburgischen Schöneiche werden zwei Linken-Politiker beim Aufhängen von Wahlplakaten angegriffen.

März 2024

Im thüringischen Suhl werden die Scheiben mehrerer Parteibüros von Linken, Grünen und SPD eingeworfen. Der Grünen-Lokalpolitiker Béla Mokrys wird offenbar an seinem Parteistand in Hannover beschimpft und gefilmt. Später sollen ihn zwei Männer im Supermarkt angegriffen und leicht verletzt haben. 

Februar 2024

Im Februar werden mehrere Wahlkreisbüros beschmiert oder beschädigt. Im thüringischen Bleicherode wird das Büro von Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) mit Hakenkreuzen beschmiert. Ebenfalls in Thüringen setzen Unbekannte das Haus des SPD-Kommunalpolitikers Michael Müller in Brand. Die Polizei will ein politisches Motiv nicht ausschließen. Vor das Wahlkreisbüro des Grünen-Politikers Sebastian Striegel in Merseburg wird ein Grabstein aufgestellt.  

Protestanten verhindern Habecks Ankunft

Januar 2024

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Holger Mann findet vor seinem Wahlkreisbüro in Delitzsch Kadaverreste und Innereien von Tieren. Der Staatsschutz übernimmt die Ermittlungen.

Hunderte Demonstranten warten am 4. Januar in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein auf die Ankunft von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Der Grünen-Politiker ist im Urlaub und reist auf einer Fähre an. Die Protestanten beschimpfen Habeck und drohen, die Fähre zu stürmen. Sie zwingen den Vizekanzler somit zur Abreise. Unter ihnen sind vor allem Landwirte. Recherchen ergeben aber, dass rechtsextreme Gruppen zuvor in den sozialen Medien Stimmung gegen Habeck machten.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 10.05.2024 - 21:03

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"Die Sozialdemokrat*innen standen mit 420 Straftaten im vergangenen Jahr an dritter Stelle."
Wohl formuliert; Meint die Authorin "Die Sozialdemokrat*innen standen ALS OPFER mit 420 Straftaten im vergangenen Jahr an dritter Stelle."