Neue SPD-Abgeordnete Lucia Schanbacher: Kurz vor der Wahl eingewechselt
Lucia Schanbacher ist neu im Bundestag. Anfang des Jahres ist die SPD-Politikerin nachgerückt, obwohl das Parlament vor der Wahl nur noch zweimal zusammentreten wird. Für Schanbacher soll das aber ohnehin nur ein Vorgeschmack sein.
Privat
Lucia Schanbacher sitzt seit 1. Januar für die SPD im Bundestag.
Etwas mehr Zeit hätte sich Lucia Schanbacher für den Start ihrer parlamentarischen Karriere auf Bundesebene schon gewünscht. Als sie im Sommer einen Anruf erhielt, sie könnte demnächst in den Bundestag nachrücken, war die Neuwahl noch für Ende September geplant. Die 35-jährige Stuttgarterin hätte neun Monate Zeit gehabt, sich in Berlin einzufinden, Netzwerke zu knüpfen und sich im Wahlkreis bekannter zu machen.
Ein Tor kurz vor Schluss erzielen
Nun muss alles schneller gehen. Zum 1. Januar ist Schanbacher für Takis Mehmet Ali in den Bundestag nachgerückt, der Sozialdezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe wurde. Es ist ein bisschen so wie bei einer Fußballspielerin, die in der Nachspielzeit, wenn die Partie entschieden ist, eingewechselt wird, um Spielpraxis zu sammeln. Schanbacher wehrt sich gegen dieses Bild: „Es ist nicht die Nachspielzeit. Wir sind vielleicht in der 89. Minute und ich sehe mich als Außenstürmerin, die auch kurz vor Schluss noch ein Tor erzielen kann“, sagt sie im Gespräch mit dem „vorwärts“.
Mit Toren sind in diesem Bild politische Projekte gemeint. Konkret nennt die Sozialdemokratin den gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten, den sie mitbeschließen wolle. Auch über eine Reform des Paragrafen 218 und eine Verlängerung der Mietpreisbremse werde noch verhandelt.
Schanbacher lebt mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern in Stuttgart. Ihr Mann sitzt für die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat, sie selbst seit 2019 für die SPD. Das sei, obwohl ehrenamtlich, mit einem Aufwand von 30 bis 40 Stunden pro Woche schon fast ein Vollzeitjob. „Deswegen ist der Schritt nicht mehr so groß. Es ist nicht der Gemeinderat in Hintertupfingen. Da wäre der Schritt krasser.“
„Wow, ich darf jetzt hier sitzen!“
Dennoch wird sie ein wenig ehrfürchtig, als sie im November erstmals zum Schnuppern nach Berlin fährt. „Als ich durchs Reichstagsgebäude gelaufen bin und die Grafitti der sowjetischen Soldaten gesehen habe, die Deutschland befreit haben, dachte ich: Wow, ich darf jetzt hier sitzen!“
Damit ihre Zeit als Abgeordnete nicht nur ein kurzes Gastspiel bleibt, sondern – um im Fußball-Bild zu bleiben – in der nächsten Partie sogar in der Startelf steht, will sie in den kommenden Wochen unermüdlich unterwegs sein – an Infoständen, auf Wochenmärkten, an Haustüren und bei Unternehmen. „Die Strategie ist: Ich bin einfach überall. Ich mache alles und möchte mit unfassbar vielen Menschen in Kontakt sein.“
Was die Menschen in ihrem Wahlkreis bewegt, hat sie bereits im Dezember versucht zu ergründen. Wochenlang war sie dafür mit ihrer Wahlkampf-Ape und dem Format „Punsch und Politik“ in der baden-württembergischen Landeshauptstadt unterwegs und sammelte die Wünsche der Bürger*innen, um sie mit nach Berlin zu nehmen.
Die reichten vom günstigeren Führerschein über Sicherheit in der Stuttgarter Innenstadt bis zu bezahlbarem Wohnraum. Dieser sei im einstigen Häuslebauer-Land rar geworden. „Ob ich mir ein Haus leisten kann, hängt in Baden-Württemberg nur davon ab, ob ich Geld erbe oder nicht. Das ist völlig irre. Das ist doch nicht gerecht. Das ursozialdemokratische Aufstiegsversprechen können wir unter diesen Bedingungen nicht mehr erfüllen“, kritisiert Schanbacher.
Lucia
Schanbacher
Ich bin keine Freundin des Dienstwagenprivilegs, aber wenn es so etwas gibt, muss das auch zukunftsgerichtet sein. Zum Beispiel nur für deutsche E-Autos.
Auch die Rahmenbedingungen für sichere Industriearbeitsplätze spielt in Stuttgart, wo traditionell sehr viele Menschen bei Bosch, Daimler und vielen Zulieferbetrieben beschäftigt sind, im Wahlkampf eine große Rolle. Das Ammenmärchen der FDP von Technologieoffenheit habe dafür gesorgt, dass die Transformation verschleppt worden sei, kritisiert die Abgeordnete und fordert einen stärkeren Fokus auf Maßnahmen mit entsprechender Lenkungswirkung: „Ich bin keine Freundin des Dienstwagenprivilegs, aber wenn es so etwas gibt, muss das auch zukunftsgerichtet sein. Zum Beispiel nur für deutsche E-Autos.“
Kandidatur auf Listenplatz 15
Bei der Wahl vor vier Jahren kandidierte sie noch auf Listenplatz 23, diesmal ist es Platz 15. Allerdings wird der Bundestag von 733 auf 630 Sitze schrumpfen. Auch kam die SPD 2021 in Baden-Württemberg auf 21,6 Prozent der Zweitstimmen. Ob das wieder gelingt und es somit für den erneuten Einzug von Lucia Schanbacher reicht? „Ich habe das nicht ausgerechnet und werde das auch nicht tun. Ich gebe alles, was ich habe. Wenn ich das gemacht habe, kann ich am Ende auch zufrieden mit mir sein“, sagt sie.
Und wenn irgendwann am Wahlabend die Nachricht kommt, dass sie drin ist? „Dann freue ich mich riesig. Ich werde wahrscheinlich feiern und anschließend ganz fertig ins Bett fallen.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo