Matthias Miersch: Was SPD-Mitglieder vom neuen Generalsekretär wissen wollen
Seit einer Woche ist Matthias Miersch kommissarischer SPD-Generalsekretär. In einer Online-Konferenz stellt er sich am Dienstagabend erstmals den Fragen der Parteimitglieder und versucht auch, eine Lanze für seine Heimatstadt zu brechen.
Florian Gaertner/photothek.de
Matthias Miersch ist neuer SPD-Generalsekretär.
„Ich habe garantiert nicht geplant, Generalsekretär der SPD zu werden, aber ich habe, als ich gefragt wurde, sehr, sehr gerne Ja gesagt“, sagt Matthias Miersch. Am Dienstagabend stellt sich der 55-jährige Niedersachse in einer einstündigen Online-Konferenz erstmals in seiner neuen Funktion den Fragen der SPD-Mitglieder. Er berichtet von einer sehr spannenden, aber auch anstrengenden Woche, nachdem die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil ihn am vorletzten Wochenende gefragt hätten, ob er die Nachfolge von Kevin Kühnert antreten möchte.
Auf Kevin Kühnerts Arbeit aufbauen
Dieser war in der Vorwoche aus gesundheitlichen Gründen mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Generalsekretär zurückgetreten. „Wir sehen an dieser Stelle auch, dass es Dinge gibt, wo nur die eigene Gesundheit zählt. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass es kein Abschied für immer ist“, sagt Miersch daher an Kühnerts Adresse. Er könne in seiner neuen Aufgabe als Generalsekretär „auf ganz, ganz vielen Dingen aufbauen“, erwähnt Miersch, der seit 2005 für die SPD im Bundestag sitzt. Daher freue er sich auf die Arbeit und die kommende Zeit.
Das Interesse am neuen Mann im Willy-Brandt-Haus ist groß. Hunderte SPD-Mitglieder haben sich digital zugeschaltet. Im Chat diskutieren sie eifrig, schicken Grüße aus Kelkheim im Taunus, Cloppenburg in Niedersachsen oder Lübbenau im Spreewald. Einer meint, Miersch klinge „wie ein Mix aus Björn Engholm und Franz Müntefering – gefällt mir!“
Kamala Harris und die AfD
Ein bunter Mix sind auch die Fragen, die die Mitglieder entweder schriftlich oder live im Video an den neuen Generalsekretär stellen. Was kann die SPD von Kamala Harris lernen? Wie steht er zu einem möglichen AfD-Verbot? Was lässt sich in Ostdeutschland russischen Desinformationskampagnen entgegensetzen? Und was macht die SPD eigentlich für junge Menschen?
Matthias
Miersch
zum AfD-Verbotsantrag
Wir dürfen es nicht vorschnell machen. Denn es wäre Wasser auf die Mühlen der AfD, wenn das scheitern würde.
Miersch beantwortet sämtliche Fragen ruhig, sachlich und zugewandt. Von Kamala Harris könne die SPD lernen, dass zur Politik Emotion, aber auch Empathie gehörten. Zu einem AfD-Verbotsantrag äußert sich der Jurist skeptisch. Denn es sei zwar offenkundig, dass es weite Teile der Partei gebe, „die diese Verfassung unterminieren wollen“. Deswegen müsse man sehr wachsam sein. Allerdings sei ein Parteienverbot das schärfste Schwert, das die Verfassung kenne. Deswegen sagt er: „Wir dürfen es nicht vorschnell machen. Denn es wäre Wasser auf die Mühlen der AfD, wenn das scheitern würde.“
Sowohl mit Blick auf junge Menschen als auch in Bezug auf russische Desinformationskampagnen rückt der neue Generalsekretär Social Media in den Fokus. „Russische Propaganda hängt eng mit Social Media zusammen“, sagt Miersch. Deswegen sei es wichtig, „Faktenchecks für die Partei in die Fläche zu bringen, damit wir sprechfähig sind“. Als Beispiel nennt er Fake News zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Kontext von Kreditvergaben für Radwege in Peru.
Matthias
Miersch
zu TikTok
Ich musste selbst erst das Format finden, in dem ich mich wohl fühle. Da gibt es keine feste Maske.
Insgesamt biete Social Media „für uns als Partei eine riesige Möglichkeit“. Er selbst habe vor einem Jahr bei TikTok angefangen. „Ich musste selbst erst das Format finden, in dem ich mich wohl fühle. Da gibt es keine feste Maske.“ Ansonsten sei er sicher, dass es gelingen könne, junge Leute zurückzugewinnen, wenn man die richtigen Themen in den Mittelpunkt stelle. Eine große Chance sehe er beispielsweise darin, Ökologie mit sozialem Zusammenhalt in Verbindung zu bringen. Ein Themenbereich, in dem er seit fast 20 Jahren im Bundestag arbeite.
Ein Herz für Hannover
Mit Blick auf den im kommenden Jahr anstehenden Wahlkampf sagt Miersch: „Jetzt muss kommuniziert werden, kommuniziert werden, kommuniziert werden.“ Das Thema soziale Gerechtigkeit sei eines, das im Wahlkampf mit klaren Botschaften von der SPD ausgehen müsse. „Deswegen ist das Thema 95 Prozent und ein Prozent genau das Richtige, weil wir eine breite Gruppe der arbeitenden Bevölkerung dadurch entlasten wollen, dass die, die sehr, sehr viel haben, sich anders am Staat beteiligen“, macht er in Bezug auf die Steuerpläne der Partei deutlich. Auch Vermögen und Erben müssten in den Fokus, weil es darum gehe, Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt herzustellen.
Zur Rolle des Bundeskanzlers sagt er: „Wir werden Olaf so in den Mittelpunkt stellen, dass man erkennt, dass er ein empathischer Mensch ist. Das zeigt er immer wieder in Bürger-Dialogformaten.“ Scholz ist übrigens ebenso wie Miersch, Parteichef Lars Klingbeil, Arbeitsminister Hubertus Heil und Verteidigungsminister Boris Pistorius in Niedersachsen geboren. Auf diese Häufung angesprochen sagt Miersch: „Ich kann wirklich nichts dafür, dass ich da geboren bin. Einige sagen auch, Hannover sei langweilig. Ich kann nur für meine Heimatstadt in Anspruch nehmen: Wir sind sehr bodenständig. Die Show steht nicht im Mittelpunkt. Das kann ein Defizit sein in der politischen Auseinandersetzung, kann aber auch ein Vorteil sein.“
Miersch: „Ich fand euch und die Fragen total super“
Ansonsten lobt er das Format und sagt zum Abschluss: „Ich fand euch und die Fragen total super. Ich hoffe auch, dass ich so rübergekommen bin, dass ich aus meinem Gefühl und meinen Gedanken keine Schranke gemacht habe. Ich freue mich einfach auf viele weitere dieser Formate.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo