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Leni Breymaier: Politisch aktiv, weit über den Bundestag hinaus

Sie sei schon immer politisch aktiv gewesen, sagt Leni Breymaier. 2025 wird sie nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Politisches Engagement geht für sie jedoch weit über ihre parlamentarische Arbeit hinaus – und das soll auch nach der Wahl so bleiben.

von Finn Lyko · 2. Oktober 2024
Bei der kommenden Wahl wird Leni Breymaier nicht wieder für den Bundestag kandidieren.

Bei der kommenden Wahl wird Leni Breymaier nicht wieder für den Bundestag kandidieren.

In Leni Breymaiers Büro im Bundestag hängt ein altes SPD-Wahlplakat: „Gute Frauenpolitik erkennt man am Geschrei der Männer“, steht darauf. Als familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion kennt sich Leni Breymaier mit dem Geschrei der Männer aus. Dabei waren der Familienausschuss und „Frauenthemen“, wie sie sie nennt, nicht ihre erste Wahl, als sie 2017 in den Bundestag gewählt wurde.

„Mein beruflicher Schwerpunkt war die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Ein bisschen habe ich immer das Gefühl, im falschen Bereich zu sein“, erzählt die langjährige Gewerkschafterin. Bereits in den 1970ern engagiert sie sich als Betriebsrätin im Einzelhandel, es folgen 20 Jahre als Gewerkschaftssekretärin, das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden des DGB Baden-Württemberg und das der ver.di-Landesbezirksleiterin.

SPD-Mitglied wird Breymaier 1982. Sie engagiert sich im Ortsverein, im Kreisvorstand, in der Regionalversammlung. 2009 wird sie stellvertretende Landesvorsitzende der SPD Baden-Württemberg, 2016 schließlich Landesvorsitzende. Doch im Herzen bleibt sie immer Gewerkschafterin: „ver.di und der DGB waren meine Heimat – ich war immer bei der Gewerkschaft, das sind die Strukturen und Mechanismen, die ich kenne“, erzählt sie.

Von der Gewerkschaft in den Familienausschuss

Auch deshalb will Leni Breymaier eigentlich in die Arbeits- und Sozialpolitik, als sie 2017 erstmals in den Bundestag einzieht. Doch es kommt anders: „Man kommt im Bundestag an und hat sich erstmal anzustellen, weil in der SPD alle zu Arbeit und Soziales wollen“, erinnert sie sich, „also bin ich im Familienausschuss gelandet“.

Sie habe das Beste daraus gemacht, findet Breymaier. In ihren Reden im Parlament zu Themen wie dem Paragraf 218, der Parität, „Gehsteigbelästigung“ oder Prostitution tritt die 64-Jährige stets bestimmt auf und scheut keine Konfrontation. Wenn es sein muss, wird sie laut. Damit sorgt sie hin und wieder sogar für „Geschrei der Männer“ aus den Reihen der Opposition – „gute Frauenpolitik“ also?

Engagement mit Gegenwind

Bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Breymaier selbst erzählt, dass sie in der großen Koalition teils heftig mit der Union aneinandergeraten sei. Sie erinnert sich an hitzige Diskussionen als es um Gesetze zur Bestrafung der sogenannten Gehsteigbelästigung, also der Bedrohung und Belästigung von Frauen vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, ging. Umso stolzer sei sie nun, das Thema endlich im Parlament durchbekommen zu haben.

Innerhalb der Ampelkoalition bleibt Leni Breymaiers parlamentarisches Engagement ebenfalls nicht ohne Gegenwind – insbesondere beim Thema Prostitutionspolitik. Breymaier gilt hier als eine der prominentesten Verfechter*innen des Nordischen Modells, einer Form des Sexkaufverbots, bei dem die Kund*innen kriminalisiert und die Sexarbeiter*innen entkriminalisiert werden.

Breymaier sieht Bewegung beim Thema Prostitution

Ein umstrittenes Modell. Insbesondere von Liberalen und Linken sowie von Interessensvertretungen von Sexarbeiter*innen wird es abgelehnt – es würde Sexarbeiter*innen weiter stigmatisieren und die Arbeitsbedingungen für sie verschlechtern, so die Argumente. Für Leni Breymaier sind das Nordische Modell und die Prostitutionspolitik im Allgemeinen jedoch wichtige Anliegen, auch außerhalb ihrer parlamentarischen Arbeit. So wichtig, dass sie sogar einen Dokumentarfilm über die Folgen der Liberalisierung von Sexarbeit in Deutschland gedreht hat. Außerdem ist sie Mit-Gründerin und Vorstandsmitglied bei Sisters e.V., einem Verein, der sich für den Ausstieg aus der Prostitution einsetzt.

Bislang konnte sich das Nordische Modell in Deutschland nicht durchsetzen – Breymaier sieht aber Bewegung bei dem Thema. Für sie selbst wird die Zeit aber knapp, um entsprechende Veränderungen anzustoßen. Denn bei der kommenden Bundestagswahl wird Leni Breymaier nicht wieder als Abgeordnete kandidieren.

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Leni Breymaier: „Man ist nie fertig“

„Es fühlt sich richtig für mich an, an dieser Stelle aufzuhören“, sagt die 64-Jährige, räumt jedoch ein: „Aber natürlich ist man hier auch nie fertig.“ Es gebe immer Themen, für die man noch mehr Zeit brauche. Für sie sei das jedoch kein Grund, erneut zu kandidieren. „Ich finde das doof, wenn man sich hier so für unersetzlich hält“, sagt sie. Stattdessen sieht sie ihr baldiges Ausscheiden aus dem Bundestag als Ansporn, bestimmte Projekte noch vor der Wahl zu Ende zu bringen – so beispielsweise die Abschaffung des Paragrafen 218, der Abtreibungen kriminalisiert, oder ein Paritätsgesetz für den Bundestag.

Wenn Leni Breymaier über Paragraf 218 spricht, hebt sich ihre Stimme. In den 1980er-Jahren war sie viel auf Demonstrationen für die Legalisierung von Abtreibungen, doch danach sei die Debatte zum Stillstand gekommen, klagt sie. „Ich finde, dass wir bei diesem Thema hier in Deutschland nicht Ruhe geben dürfen“, so Breymaier, denn sie meint: „Das sind wir den Frauen schuldig.“

Das Politische bleibt

Was also bleibt für das letzte Jahr im Bundestag? Sie will sich bis zum Schluss für ihre Themen einsetzen, sagt die Abgeordnete. Und wie geht es danach weiter? „Ich werde sicherlich nicht nichts machen, aber eben alles mit weniger Tempo“, antwortet Breymaier. Ohne die intensiven und durchgetakteten Sitzungswochen wolle sie sich dann mehr Zeit dafür nehmen, besser mit sich selbst umzugehen. „Mehr ordentliche Ernährung, mehr Sport – was man eben so schiebt“, zählt sie auf, und lacht.

Ihr politisches Engagement sei damit jedoch lange nicht vorbei, betont sie. Das sei nämlich schon immer ein Teil von ihr gewesen – und so soll es auch bleiben. Im Juni wurde sie bereits in den Gemeinderat ihrer Heimatstadt Eislingen gewählt – ihr „Auskühlbecken“ nach dem Bundestag, wie sie es scherzhaft nennt. Auch bei Sisters e.V. will sie weiterhin aktiv bleiben, hinzu kämen zahlreiche Kontakte und Mitgliedschaften, auf die sie außerdem zurückgreifen könne. „Langweilig wird es mir nicht“, sagt sie – und das glaubt man sofort.

 

Die Serie

In loser Reihenfolge stellen wir in den kommenden Monaten SPD-Abgeordnete vor, die den Bundestag im kommenden Jahr verlassen werden. Alle Texte finden Sie hier.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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3 Kommentare

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Mi., 02.10.2024 - 15:27

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„Gute Frauenpolitik erkennt man am Geschrei der Männer“, steht darauf. Als familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion kennt sich Leni Breymaier mit dem Geschrei der Männer aus."

Interessante Ansichten von einer "familienpolitische" Sprecherin. "Gute Freuenpolitik" muss also immer den Effekt haben das Männer "schreien". Man stelle sich mal folgenden Satz aus dem Mund eines Mannes vor: "Gute Männerpolitk (warum gibt es die eigentlich gar nicht?) erkennt man am Geschrei der Frauen." Was gäbe es da wohl für einen Aufschrei: "Antifeminismus", "Patriarchat" und "misogyn"! Aber anders herum ist das alle kein Problem. Der weiße Mann ist ja sowieso der Sündenbock schlechthin.

tiefsinnige Gemüter geschrieben, sondern auch für die anderen, die schlichteren, denen man nur auf die von Ihnen zu Unrecht kritisierte Art und Weise erreicht. Auch mal an die anderen denken, das ist wichtig, und das macht der VORWÄRTS vorbildlich

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mi., 02.10.2024 - 18:31

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Da ich Leni Breymaier als Gewerkschaftskollegin und Genossin aus meinem Nachbarort Eislingen seit vielen Jahren kenne, habe ich sie als sehr engagiert schätzen gelernt. In ihrem Wahlkreis Aalen-Heidenheim hatte sie es gegenüber dem dortigen CDU-Kollegen und Militaristen Kiesewetter sicher nicht einfach.
Ich wünsche ihr für ihre poltische Zukunft alles Gute und viele Erfolg.