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Klara Geywitz: So kann die SPD die Bundestagswahl in Ostdeutschland gewinnen

Bei der Bundestagswahl 2021 war die SPD in Ostdeutschland mit Abstand stärkste Kraft. Wie das wieder gelingen kann und warum die Ostdeutschen mehr mit Olaf Scholz anfangen können als mit Friedrich Merz, erklärt die stellvertretende SPD-Vorsitzende Klara Geywitz im Interview.

von Jonas Jordan · 30. Dezember 2024
SPD-Vize Klara Geywitz: Nur wenn man bei der Wahl in Ostdeutschland entsprechend abschneidet, kann man bundesweit auch gewinnen.

SPD-Vize Klara Geywitz: Nur wenn man bei der Wahl in Ostdeutschland entsprechend abschneidet, kann man bundesweit auch gewinnen.

Welches Vorurteil über Ostdeutschland stört Sie am meisten?

Vor allem stört mich, dass immer wieder behauptet wird, die Ostdeutschen würden nichts von Demokratie verstehen und könnten deswegen auch nicht richtig wählen.

Während der digitalen Ost-Konferenz der SPD sagten sie kürzlich: „Im Osten alleine kann man eine Wahl nicht gewinnen, aber wenn man den Osten nicht gewinnt, kann man auch die Wahl nicht gewinnen.“ Was bedeutet das für den Bundestagswahlkampf?

Das ist reine Mathematik. Nur wenn man bei der Wahl in Ostdeutschland entsprechend abschneidet, kann man bundesweit auch gewinnen. Wie das geht, haben wir bei der vergangenen Bundestagswahl schon einmal gezeigt. 

Bei der Bundestagswahl 2021 war die SPD in Ostdeutschland mit 24,2 Prozent deutlich stärkste Kraft. Was waren die Gründe dafür?

Wir haben viele Themen, die die Menschen in Ostdeutschland bewegen, in den Vordergrund gestellt. Das Thema sichere Renten ist für die Menschen im Osten ganz entscheidend. Auch der Mindestlohn. Die Erhöhung hat bewirkt, dass mehrere Millionen Menschen alleine in Ostdeutschland eine enorme Gehaltserhöhung bekommen haben. Nicht zuletzt hat sich ausgezahlt, dass unser Kanzlerkandidat Olaf Scholz in Potsdam wohnt und seinen Wahlkreis hat, die Menschen ihm hier vertrauen.

Klara
Geywitz

Ich selbst kenne in meinem Leben auch zwei Systeme, drei Währungen – mein Bedarf an Veränderungen ist gedeckt.

Auch bei der bevorstehenden Wahl setzt die SPD auf die Themen Rente und Mindestlohn sowie auf Olaf Scholz als Bundeskanzler. Lässt sich der Erfolg von 2021 somit wiederholen?

Es gibt ein großes Thema, das für andere Voraussetzungen wie bei der letzten Wahl sorgt. Das ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der erst mal für ausbleibendes Gas, steigende Energiepreise und eine höhere Inflation gesorgt hat. Russland und die Ukraine sind für viele Menschen im Osten nicht nur geografisch näher, sondern auch persönlich. Olaf Scholz setzt hier auf einen sehr vernünftigen Weg, die Ukraine zu unterstützen, sowohl militärisch als auch mit Blick auf die Infrastruktur und Energieversorgung, aber auch klarzumachen, dass wir keine weitreichenden Waffen liefern.

Ist das gerade in Ostdeutschland die richtige Strategie, um sich auch von AfD und BSW abzugrenzen?

Wir tun das ja nicht, um uns von AfD und BSW abzugrenzen, sondern weil es richtig und notwendig ist, die Ukraine zu unterstützten.

Ebenfalls während der angesprochenen Dialogkonferenz sagten Sie: „Soziale Gerechtigkeit ist die Frage, die die meisten Menschen in Ostdeutschland aufregt, weil man das Gefühl hat, länger arbeiten zu müssen und weniger zu verdienen.“ Müsste das nicht automatisch bei der SPD einzahlen?

Wir erleben in Ostdeutschland eine deutlich niedrigere Parteibindung als im Westen, obwohl sie auch dort langsam abnimmt. In meinem Heimatland Brandenburg kann es passieren, dass wir bei der einen Wahl sämtliche Wahlkreise gewinnen und in einer anderen bis auf einen gar keinen. Darin liegt für die SPD aber auch immer ein großes Potenzial, wenn wir es schaffen, die Menschen zu überzeugen. 

Aktuell erleben wir beispielsweise in den Kohlerevieren in der Lausitz, wie Strukturwandel gelingt. Wir erleben aber auch, dass es zunehmende und harte Tarifauseinandersetzungen gibt. Immer mehr Arbeitnehmer streiten für ihre Rechte. Die SPD war immer die Partei an der Seite der Gewerkschaften. Allerdings war die Wahrnehmung ihrer Arbeitsrechte für die Menschen in Ostdeutschland, gerade in der unmittelbaren Umbruchsphase in den 90er-Jahren, als hier Massenarbeitslosigkeit herrschte, keine Selbstverständlichkeit.

Ist es für die Menschen in Ostdeutschland im Hinblick auf die anstehende klimaneutrale Transformation ein Vorteil, solche Umbruchserfahrungen zu kennen?

Ich glaube, mit dieser Logik überzeugen Sie nicht viele. Wer schon viel Veränderung in seinem Leben hatte, der schafft es auch ein fünftes Mal. Ich selbst kenne in meinem Leben auch zwei Systeme, drei Währungen – mein Bedarf an Veränderungen ist gedeckt. Ich glaube, dass sich viele Menschen vielmehr Ruhe und Stabilität wünschen.

Strukturell hat die SPD in Ostdeutschland das Problem, dass viele Landes- und Kreisverbände wenige Mitglieder haben, denen die Landtagswahlkämpfe dieses Jahres zudem in den Knochen stecken. Wie kann die Bundes-SPD mehr unterstützen?

Wir müssen sehen, dass wir beispielsweise in einem Flächenwahlkreis mit 50 Mitgliedern nicht auf dieselben Formate setzen können wie in Ballungszentren. Das gilt zum Beispiel für Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Das wird dann schwieriger. Deswegen versuchen wir auch von der Bundesebene, bei der Plakatierung und mit den Flyern zu unterstützen. Ich freue mich, dass auch aus Berlin und den westdeutschen Bundesländern Genossinnen und Genossen bereit sind, ein Wochenende in den Osten zu fahren und dort im Wahlkampf zu helfen.

Klara 
Geywitz

Die Menschen im Osten können mit dem Sauerländer Friedrich Merz wenig anfangen.

Anne Hähnig von der „ZEIT“ schrieb schon Anfang Februar: „Der Osten könnte Friedrich Merz zum Verhängnis werden.“ Wie sehen Sie das?

Es ist klar, dass Olaf Scholz im Osten mehr Zustimmung bekommt. Mit anderen Worten: Die Menschen im Osten können mit dem Sauerländer Friedrich Merz wenig anfangen. Das liegt nicht nur daran, dass Olaf Scholz den Menschen näher ist, da er in Potsdam wohnt und dort seinen Wahlkreis hat, sondern von seiner gesamten Art.

Wie wird Ihre Rolle im Wahlkampf aussehen?

Wir planen gerade die Tour. Es wird so sein, dass ich ab Januar sehr viel unterwegs sein werde, allerdings nicht nur in Ostdeutschland, sondern in der gesamten Republik, von Bremen über Erfurt bis nach Bayern runter.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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