Parteileben

Johanna Selbert: Warum Elisabeth Selberts Urenkelin in den Bundestag will

Den berühmten Namen trägt sie nicht zufällig. Ihre Uroma war eine der Mütter des Grundgesetzes. Nun will Johanna Selbert für die SPD in den Bundestag.

von Susanne Dohrn · 4. Februar 2025
Johanna Selbert aus Flensburg kandidiert für den Bundestag.

Johanna Selbert aus Flensburg kandidiert für den Bundestag.

Fußstapfen können zu groß sein oder einen Weg vorgeben, der nicht der eigene ist. Läuft es gut wie bei Johanna Selbert, sind sie Inspiration und Ansporn zugleich. „Die Familiengeschichte, das was ich vorgelebt bekommen habe, hat mich geprägt“, sagt die 33-jährige Flensburgerin. In ihrem Fall war es Jura – das Fach, das ihre Mutter, ihr Großvater und ihre Urgroßmutter Elisabeth Selbert studiert haben. Aber ihre Familie hat ihr noch etwas Wichtiges mitgeben: „Hey, mach‘ das, was du möchtest. Dann bist du gut darin.“ 

Also studierte sie Rechtswissenschaften erst nach ihrem Bachelor-Abschluss in Soziologie. „Ich wollte etwas Eigenes machen“, sagt Selbert. Die Kombination Soziologie und Jura ist ungewöhnlich, gibt sie zu, aber für sie war es genau das Richtige. „Ich wollte nie Richterin oder Anwältin werden, sondern die Mechanismen verstehen, wie man Gesellschaft verändern und gestalten kann.“ Wie das mit Hilfe von Gesetzen möglich ist, hat ihre Urgroßmutter Elisabeth Selbert bewiesen. Von ihr stammt Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Frauen nur das aktive und passive Wahlrecht zuzugestehen, wie es die ursprüngliche Formulierung vorsah, reichte der streitbaren Juristin nicht.

Weil 35 Prozent nicht genug ist

Das Thema Geschlechtergerechtigkeit prägt Johanna Selberts Selbstverständnis. Jetzt, im Wahlkampf für den Einzug in den Bundestag, ist es eines der drei Themen, die ihr besonders wichtig sind. „Ich will anderen Frauen Mut machen, in Entscheidungspositionen Verantwortung zu übernehmen“, sagt Selbert. Dabei helfen ihr die familiären Vorbilder. „Bei uns haben die Frauen schon immer Politik gemacht“, sagt sie.

Schon als junges Mädchen begleitete sie ihre Mutter Susanne, damals Landesdirektorin des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, zu Veranstaltungen. In Heidelberg, wo Johanna Jura studierte, wurde sie Mitglied der Hochschulgruppe „kritische Juristinnen“ und recherchierte die Biografien von Frauen in der Rechtswissenschaft. Ein Frauenanteil von 35 Prozent im Bundestag ist ihr zu wenig. Sie plädiert für ein Paritätsgesetz, wie es das in elf EU-Ländern schon gibt. Das Gesetz regelt z. B., dass Wahllisten paritätisch mit Männern und Frauen besetzt werden.

Wahlkampf in Flensburg

Schon vor dem Jahreswechsel war Johanna Selbert mit ihren Unterstützer*innen in Flensburg im Straßenwahlkampf unterwegs.

Da geht's lang Richtung Bundestag: Johanna Selbert mit Unterstützer*innen

Ihr zweites Thema ist die Infrastruktur. Für Selbert ist sie „das Fundament unserer Lebensqualität und das Rückgrat der Wirtschaft“. Züge, die verspätet oder gar nicht fahren, Straßen voller Schlaglöcher, bröckelnde Brücken und Behörden, in denen die Digitalisierung nicht vorankommt, zeigen, wo der Staat versagt. „Wenn Menschen den Eindruck haben, dass der Staat ihre Probleme nicht löst, leidet das Vertrauen in unsere Demokratie. Dann leidet unser Zusammenhalt.“ Soziale Sicherheit, ihr drittes Thema, ist für sie „der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält“. 

Zentral sind für sie bezahlbarer Wohnraum, gerechte Bildung und eine Rente, die ein würdiges Leben ermöglicht. Der Mindestlohn müsse steigen, die Tarifbindung gestärkt, die Mietpreisbremse verlängert und die Erbschaft- und Vermögensteuer gerechter gestaltet werden. Sie fordert, die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie der EU in deutsches Recht. Die Richtlinie soll dabei helfen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen, z. B. indem Unternehmen verpflichtet werden, ihre Lohn- und Gehaltsstrukturen offenzulegen.

Seit 2017 in der SPD

Mit der SPD ist Selbert nicht nur familiär verbunden. Während ihres Studiums in Heidelberg nahm sie an einem SPD-Talentworkshop teil, machte 2013 ein Praktikum in der SPD-Bundestagsfraktion und arbeitete während ihrer Juristenausbildung ein Vierteljahr im Bundesinnenministerium von Nancy Faeser. 2017 ist Selbert in die SPD eingetreten. 2022 zog sie zu ihrem Lebensgefährten nach Flensburg und startete politisch durch: Wahl in den SPD-Kreisvorstand 2023, Neugründung der SPD-Frauen (ehemals AsF) in Flensburg 2024 und als Krönung am 28. September 2024 die Nominierung als Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Flensburg-Schleswig mit 93 Prozent der Stimmen. 

Ein rasanter Aufstieg und eine „absolute Freude“, wie sie sagt. Sie weiß zudem, dass der Wahlspruch einer ihrer Lehrerinnen „Nix ist fix“ auch in der Politik gilt. Auf der Landeswahlkonferenz rutschte sie vom Listenplatz 6 auf Listenplatz 8. „Das war keine große Überraschung“, gibt sie zu und hätte sich doch mehr gewünscht. Nun freut sie sich auf den Wahlkampf, für den sie „alles geben will“. Bei der Industrie- und Handelskammer Flensburg, für die Selbert als Rechtsreferentin arbeitet, hat sie für die heiße Wahlkampfphase im Januar und Februar Urlaub eingereicht.

Autor*in
Avatar
Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.