Parität im Bundestag: Warum auch Männer davon profitieren
Michael Miethe/Bundesforum Männer
Das Bundesforum Männer unterstützt die Initiative „Parität jetzt!“, damit künftig mehr Frauen im Bundestag vertreten sind. Warum engagieren Sie sich als Männerforum, ist das nicht Frauensache?
Wir unterstützen die Kampagne, weil eine partnerschaftliche Gleichstellungspolitik Programm des Bundesforums Männer ist. Es geht uns darum, nicht mehr zeitgemäße Rollenbilder von Mann und Frau zu überwinden und die Potenziale von Gleichstellung zu verwirklichen. Gerade die Politik ist in vielen Bereichen nach wie vor eine Männerbastion, die von alten Bildern von Männlichkeit und Macht durchzogen ist.
Nehmen wir als Beispiel die Sehnsucht nach starken Männern, gerade in Krisenzeiten wie jetzt. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz länger darüber nachdenkt, ob er Panzer in die Ukraine liefert, wenn ihn ein Präsident im oliv-grünen T-Shirt anruft, gilt das als unmännlich.
Sie bezeichnen Politik als klassische Männerbastion. Gibt es Beispiele?
Allein die Art der Auseinandersetzungskultur, die im Bundestag praktiziert wird, ist eine klassische Form männlicher Herrschaft, auch wenn aktuell 33 Prozent aller Parlamentarier*innen Frauen sind. Dazu zählen: ein dominierendes Auftreten, riskanteres Verhalten, sich schneller und lauter in Debatten einzubringen, sich untereinander weniger abzustimmen, weil ein Mann angeblich immer allein Entscheidungen treffen können muss. Es sind ungesunde Routinen, denen sich Männer aussetzen, auch im Privaten. Dahinter stecken sprachliche Stereotype wie „Selbst ist der Mann“, „Ein Mann ein Wort“ oder so etwas wie der „Familienvater“ als Ernährer und Oberhaupt der Familie. Es gibt kein weibliches Pendant dazu, keine „Familienmutter“. Es geht darum, diese Bilder aufzubrechen und zu zeigen, dass Männer auch anders sein können.
Wie können Männer von mehr Parität profitieren?
Mehr Parität bietet auch Männern die Chance, sich jenseits von überholten Bildern von Männlichkeit zu verwirklichen. Wir erleben inzwischen beispielsweise immer mehr Männer, die gleichberechtigt mit ihren Partnerinnen die Fürsorgearbeit in Familien übernehmen bzw. übernehmen möchten, die nicht um jeden Preis Karriere machen müssen und die auf sich, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden achten. Gleichzeitig fällt es vielen Männern nicht leicht, tradierte Rollenerwartungen zu überwinden – das erleben Väter immer wieder, wenn sie Elternzeit nehmen möchten und auf Unverständnis bei ihren Arbeitgebern treffen. Da lassen sich durch die Politik noch andere Akzente setzen.
Welche Vorbilder gibt es?
Die skandinavischen Länder sind in Sachen Gleichberechtigung und Teilhabe am Erwerbsleben bzw. an unbezahlter Care-Arbeit Spitzenreiter in Europa. Aus Studien geht hervor, dass Männer davon profitieren, wenn sie mehr Familienarbeit übernehmen, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und nicht nur in der Rolle des Ernährers verhaftet bleiben. Es ist gesundheitsfördernd, lebensverlängernd, stärkt die sozialen Beziehungen und trägt zur Zufriedenheit bei. Schwedische Männer haben eine längere Lebenserwartung als deutsche und sind im Schnitt um rund acht Jahre länger gesund.
Wie lassen sich Männer überzeugen, für mehr Gleichstellung in der Politik einzutreten?
Gleichberechtigung ist ein Grundrecht und insofern keine Frage von Überzeugungen. In einer Demokratie kann es nicht sein, dass nahezu 70 Prozent der Mitglieder des Bundestages Männer sind, obwohl dies nicht ihrem Anteil in der Bevölkerung entspricht. Wir alle profitieren davon, wenn die Politik tatsächlich die Vielfalt in unserer Gesellschaft abbildet – sowohl hinsichtlich der Belange und Bedarfe, als auch der Potenziale.
Thomas Altgeld ist Vorsitzender des Bundesforums Männer. Der Interessenverband für Jungen, Männer und Väter e.V. ist eine Nichtregierungsorganisation und wurde im November 2010 gegründet. Aktuell zählt er 38 Mitgliedsorganisationen aus unterschiedlichen Bereichen wie Bildung, Gewalt, Gesundheit, Sexualität, Kirchen, Gewerkschaften und Sozialverbände.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.