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Heike Heubach: So war die erste Rede der gehörlosen Abgeordneten im Bundestag

Mit dieser Rede schreibt sie Geschichte: Mit der Sozialdemokratin Heike Heubach hat erstmals eine Gehörlose im Bundestag gebärdet. Die Abgeordneten-Kolleg*innen reagierten emotional.

von Lea Hensen · 10. Oktober 2024
Viel Applaus bei der Premiere: Am Donnerstag hielt die gehörlose SPD-Abgeordnete Heike Heubach ihre erste Rede im Bundestag.

Viel Applaus bei der Premiere: Am Donnerstag hielt die gehörlose SPD-Abgeordnete Heike Heubach ihre erste Rede im Bundestag.

Sie hüpft, sie lacht, sie strahlt: Die SPD-Abgeordnete Heike Heubach kann ihre Freude kaum verbergen, als sie am Donnerstag den Plenarsaal verlässt. Soeben hat sie ihre erste Rede im Bundestag gehalten, es ging um nachhaltiges Bauen. Ein großer Moment, aber nicht nur für ihre Karriere. Die 44-Jährige ist taub, sie ist die erste gehörlose Abgeordnete im deutschen Bundestag. Ihre Rede hat diesen Donnerstag zum historischen Tag für die Inklusion in der deutschen Politik gemacht.

Dabei schien an diesem Tag alles wie immer. Auf der Tagesordnung standen Debatten zur Energieversorgung und zur Pflege. Die AfD scheiterte wieder einmal mit einem Wahlvorschlag für das Amt des Bundestags-Vize-Präsidenten. Nicht ungewöhnlich waren wohl auch die Zwischenrufe, mit denen die Rechtsaußen-Fraktion die Reden der demokratischen Parteien störte. 

„Das ist ein ganz besonderer Moment“

Mit Übergang zum nächsten Tagesordnungspunkt, der Aussprache zur Novellierung des Baugesetzbuches, wurde es still. „Das ist ein ganz besonderer Moment“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özuguz, die die Sitzung leitete, „denn an dieser Stelle zeigen wir, dass wir unsere Gesellschaft noch ein Stück besser repräsentieren können im deutschen Bundestag“. 

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Heike Heubach trat ans Redner*innenpult und schaute in den Saal. Dann begann sie mit ihrer Rede, bedankte sich zunächst bei den Anwesenden, und führte dann ihren Standpunkt zum Einfluss des Klimawandels im Bausektor aus. Das alles in Gebärdensprache. Und auch wenn sie es wahrscheinlich nicht hätte hören können – im Plenarsaal war es mucksmäuschenstill.

SPD-Fraktion empfängt sie mit stehendem Beifall

Weiter vorne neben den Stenograf*innen des Bundestags saßen, ihr zugewandt, zwei Dolmetscherinnen. Eine von ihnen übersetzte Heubachs Rede in gesprochene Sprache ins Mikrofon, immer wieder mit Blick auf die Rednerin, um den Rhythmus zu halten. Dabei sprach sie emotional und betonte zentrale Aussagen. Ihre Kollegin war für das Übersetzen aus dem Gesprochenen in die Lautsprache zuständig. Sie dolmetschte zuvor das Plenargeschehen an Heubachs Platz.

Deren Rede wurde von leisem Beifall quittiert. Dazu hoben die Abgeordneten beide Hände über den Kopf und drehten sie schnell von links nach rechts. In der Gebärdensprache ist das der Ausdruck für Applaus. Als Heubach an ihren Platz zurückkehrte, empfing sie die gesamte SPD-Fraktion mit stehendem Beifall. „Das war wirklich ein bewegender, und auch ein historischer Moment“, hob auch die Linken-Abgeordnete Caren Lay bei ihrer Rede im Anschluss hervor.

Heike
Heubach

Ich bin eine Vertreterin für alle Menschen, und für alle Menschen will ich etwas erreichen.

Bewegend auch der Moment, als Heubach kurze Zeit später vor die Presse trat. Immer wieder hob sie den Arm mit geballter Faust. Dem „vorwärts" hatte sie im Frühjahr nach ihren ersten Wochen im Bundestag gesagt: „Ich will zeigen, dass auch Taube Abgeordnete sein können.“ Das hat sie wohl geschafft. Alles habe super geklappt, sagte sie. „Es war toll, ich habe Lust, noch eine Rede zu halten.“ 

Heubach betonte aber auch, sie wolle nicht nur als Vertreterin für Gehörlose gesehen werden. „Ich bin eine Vertreterin für alle Menschen, und für alle Menschen will ich etwas erreichen.“ Der Bundestag habe aber auch die Aufgabe, die Gesellschaft zu spiegeln.

Im März ins Parlament nachgerückt

Wilfried Oellers, Teilhabebeauftragter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, sprach von einem „wichtigen Zeichen für die Inklusion in unserem Land“. „Es ist aber auch ein wichtiges Signal an die Menschen mit Behinderung in unserem Land, den Mut zu haben, sich auch für politische Ämter zu erwerben, ein Mandat zu erringen und sich in den Parlamenten einzubringen.“

Heike Heubach ist Sozialdemokratin aus Bayern und sitzt für ihre Fraktion im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. Die gelernte Industriekauffrau und Mutter zweier erwachsener Kinder trat 2019 der SPD bei und war im Wahlkreis Augsburg-Land kommunalpolitisch aktiv. Bei der Bundestagswahl 2021 verpasste sie nur knapp den Einzug ins Parlament. Sie rückte im März nach, als der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch sein Mandat aufgab und zum Polizeibeauftragten des Bundestags ernannt wurde.

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