Warum wir mehr über Klimarettung statt über die Klimakrise sprechen sollten
In einer krisengeprägten Zeit wie der aktuellen ist es aufgrund komplexer Problemlagen oft schwer, Zuversicht zu vermitteln. Wir sollten deshalb unsere Sprache ändern – und statt über die „Klimakrise“ lieber über die Klimarettung sprechen, meint Oliver Czulo.
IMAGO / Müller-Stauffenberg
Mentalitätswechsel: Statt über die Klimakrise sollten wir lieber über die Klimarettung sprechen.
Es ist eine inzwischen vielwiederholte Weisheit, dass wir in einer Zeit der multiplen Krisen leben. Kriege sind entbrannt, die wir uns vor wenigen Jahren so noch nicht hätten vorstellen können; unser Einfluss auf das Klima lässt uns auf schwerwiegende Umwälzungen zusteuern; und nicht zuletzt zeichnet der aktuelle „KI“-Hype faktenfrei dramatische Bilder einer zukünftigen Welt, in der wir von Maschinen regiert würden.
Wir brauchen positive Visionen
In dieser Zeit wirbt der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda mit einem Buch für mehr Zuversicht. Wie aber lässt sich diese erzeugen? Das Konzept an sich ist ein guter Orientierungspunkt, womit man es aber konkret verbinden muss, sind gemeinsame Projekte mit positiven Visionen, mit deren Hilfe man Menschen hinter sich versammeln kann. An dieser Stelle kann uns das berühmt-berüchtigte Framing bei den ersten Schritten aushelfen. Nicht ganz zu unrecht ist es teils als billiger Versuch verschrien, die öffentliche Meinung zu manipulieren, aber es kann auch neue, zuversichtlichere Perspektiven anbieten.
Eine solche neue Perspektive können wir auf unseren Umgang mit dem Klimawandel, der Klimakrise, oder welche Bezeichnung mensch auch wählen will, wagen. Anstatt nur mittels neuer Benennungen zu versuchen, die Dringlichkeit, damit aber zugleich die gefühlte Wucht dieser Umwälzungen hervorzuheben, sollte man auch einen Ausweg aufzeigen: die Klimarettung, oder wenn man es etwas weniger dramatisch mag, das „Klimahandeln“ oder ähnliches.
Eine „glokale“ Sicht vermitteln
Ein solches ergänzendes Framing stellt einer als fast unüberwindbar erscheinenden Krise einen Pol gegenüber, der unsere Wirkmöglichkeiten betont: Das Klima so weit es geht zu retten – selbst wenn wir natürlich nicht die Zeit zurückdrehen können – ist eine Aufgabe, die über sinnstiftendes Handeln erreicht werden und dadurch mitziehen kann. Beispiele gibt es mehr als ausreichend, ob Menschen, die Carsharing nutzen, Gemeinschaften, die Windräder finanzieren oder viele weitere Wege.
Verknüpfen lässt sich diese Sichtweise mit einem anderen positiven Aspekt: Das Klima zu retten, ist ein Ziel, das niemand alleine erreichen kann, auch nicht kleine Gruppen. Es ist ein globales Projekt, das nicht nur, aber auch über lokales Handeln umgesetzt wird. Außerdem betont es, dass es wert ist, das Klima überall zu retten und setzt damit einen Kontrapunkt zur ebenfalls naturtümelnden, aber nicht selten von Rechten gekaperten Vorstellung von „Heimat“.
Potenziale des Framings für sich selbst nutzen
Das Framing zu reflektieren, hilft allerdings nicht nur in der Kommunikation nach außen. Es kann auch helfen, den Blick auf die eigenen Ziele zu schärfen. So stieß mich ein Teilnehmer einer Diskussionsrunde darauf, dass die von mir in einem Beitrag verwendete Bezeichnung „Steuergerechtigkeit“ am ehesten das Potenzial hätte, entweder Abwehrreflexe zu erzeugen oder für gepflegte Langeweile zu sorgen: „Steuern“ schrecken ab oder werden als Thema schnell technisch.
Ein Ausdruck wie Beitragsfairness hingegen würde besser auf den Punkt bringen, dass es eben darum ginge, dass alle den ihnen möglichen Beitrag erbringen sollen. Ähnlich könnte man sich nochmal durch den Kopf gehen lassen, ob man Deutschland tatsächlich „kriegstüchtig“ machen will, oder ob es – in Anlehnung an die wehrhafte Demokratie – nicht doch um einen verteidigungsfähigen oder eben wehrhaften Frieden geht: Frieden würde so erkennbar im Vordergrund stehen.
Mit Inhalten füllen
Manchen mag die Bezeichnung Klimarettung zu einfach, vielleicht fast zu naiv klingen, aber wie viele könnten aus dem Stegreif erklären, warum die „Letzte Generation“ sich genau so benannt hat, oder was hinter schicken Bezeichnungen wie „Net Zero“ oder „Green Deal“ steckt? Hier liegt ein weiterer Aspekt, den man bei der Formulierung seiner Ziele nicht aus dem Blick verlieren sollte: Will man ein Framing zu einem breiten Aufruf nutzen, sollte es möglichst viele ansprechen.
Bei all diesen Überlegungen darf aber nicht in den Hintergrund geraten, dass es das Framing alleine natürlich nicht richten wird. Es ist nur ein Element – und übrigens ein deutlich komplexeres, als es hier im kurzen Beitrag anklingen kann – in der politischen Kommunikation, neben anderen wichtigen Elementen wie der Debatte und dem Dialog. Nicht zuletzt darf ein Framing keine leere Hülle bleiben: Es kann Perspektiven bieten, kann aber nur in Gesamtheit mit Inhalten wie Maßnahmen, Vorbildfunktion dauerhaft Wirkung entfalten und dazu beitragen, dass ein Projekt wie die Klimarettung so gut es eben geht gelingt.
Dieser Beitrag entstand nach einem Diskussionsabend im Format „Pizza und Politik“ beim SPD-Stadtverband Aschaffenburg. Die engagierte und zugleich fokussierte Diskussion hat mir, unschwer erkennbar, so einige Denkanstöße mitgegeben. Ich bedanke mich bei den Organisatorinnen und allen Teilnehmenden.
ist Übersetzungswissenschaftler und beschäftigt sich mit Denk- und Sprechmustern in verschiedenen Kulturen. Gelegentlich schreibt er zu gesellschafts- und wissenschaftspolitischen Themen. Er trötet unter @OliverCzulo@spd.social.
Klimakrise
Leider wird von den ganzen Klimarettern nie der Einfluss der ganzen von den deutschen Regierungen befeuerten und bewaffneten Kriegen auf die Umwelt und das Klima thematisiert.