Meinung

Fachkräftezuwanderung: Worauf es jetzt in Deutschland ankommt

Angesichts des demografischen Wandels ist ein regelrechtes Wettrennen um Fachkräfte entstanden. Deutschland hat aufgeholt, muss aber mehr tun, wie eine Befragung der OECD zeigt. Gelingt das, könne Deutschland gleich dreifach gewinnen.

von Jonas Jordan · 1. Februar 2024
Deutlich mehr Fachkräfte sollen nach Deutschland kommen. Das scheitert aber noch oft an zu viel Bürokratie.

Deutlich mehr Fachkräfte sollen nach Deutschland kommen. Das scheitert aber noch oft an zu viel Bürokratie.

Gleich mehrere Nachrichten ließen am Mittwoch aufhorchen. Eine davon kam aus Nürnberg, wo die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, die aktuellen Zahlen zum Arbeitsmarkt einordnete. Zwar gibt es demnach aktuell in Deutschland so viele Beschäftigte wie noch nie. Allerdings gehe das Beschäftigungsplus im Jahr 2023 ausschließlich auf Menschen ohne deutschen Pass zurück, hier vor allem auf Menschen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union.

Wie Deutschland attraktiver werden soll

Genau jene Menschen umgarnt Deutschland aktuell beispielsweise durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das wesentliche Erleichterungen für die Einwanderung für Menschen,die in Deutschland arbeiten wollen, mit sich bringt. Auch das geänderte Staatsangehörigkeitsrecht, das eine Einbürgerung bei entsprechendem Sprach- und Einkommensnachweis schon nach fünf Jahren ermöglicht, soll die Attraktivität Deutschlands bei Menschen aus jenen Drittstaaten steigern.

Arbeitsminister Hubertus Heil, Innenministerin Nancy Faeser oder Entwicklungsministerin Svenja Schulze sind derzeit in vielen Ländern weltweit unterwegs, um für Deutschland als Markt für gut ausgebildete Arbeitskräfte zu werben. Migrationspartnerschaften mit Georgien und Marokko sollen den Zuzug von Personen aus diesen Ländern erleichtern. 

Auch andere Länder schlafen nicht

Das ist auch dringend notwendig. Gleich aus mehreren Gründen: Auch andere Industriestaaten wie Kanada, die USA und das Vereinigte Königreich schlafen nicht, haben im Gegenteil schon Jahre vor Deutschland mit der strategischen Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland begonnen. Zweitens wird der demografische Wandel in den kommenden Jahren zu noch viel stärkeren personellen Engpässen auf dem Arbeitsmarkt führen. Spätestens wenn die sogenannten Boomer-Jahrgänge in Rente gehen. Drittens reichen die aktuellen Bemühungen noch nicht aus, um genügend Fachkräfte nach Deutschland zu lotsen.

Das führt zur zweiten Nachricht, die am Mittwoch aufhorchen ließ, nämlich die Vorstellung der Ergebnisse einer OECD-Befragung von potenziellen Fachkräften, die sich vorstellen könnten, nach Deutschland zu kommen. Viele von ihnen klagen über unnötig hohe Hürden oder Alltagsprobleme. Zum Beispiel berichtet mehr als die Hälfte der Menschen, die bereits nach Deutschland gekommen sind, von Diskriminierung im Alltag, auf der Straße, beim Einkaufen oder auf dem Wohnungsmarkt. Gut ausgebildete Menschen, die eine dringend benötigte Hilfe für Deutschland sein wollen und sollen. Das kann und darf nicht sein. Deutschland braucht eine bessere Willkommenskultur und sollte nicht die Fehler im Umgang mit der Gastarbeitergeneration der 60er- und 70er-Jahre wiederholen.

Schneller Visa vergeben

Ein weiterer gravierender Hinderungsgrund, nach Deutschland zu kommen, ist den Ergebnissen der OECD-Befragung zufolge die Bürokratie hierzulande. Demnach dauere beispielsweise die Beantragung von Visa sehr lange, was sich durch den erhofften Zuwachs von Bewerber*innen noch verschärfen könnte. Viele, die nicht so lange warten wollen, bezahlen stattdessen Schlepper*innen oder nehmen den gefährlichen Weg übers Mittelmeer in Kauf. 

Das kann nicht die Lösung sein, wie auch Thomas Liebig von der OECD bei der Vorstellung der Ergebnisse am Mittwoch verdeutlichte. Liebig machte es ganz plastisch: Wenn Deutschland es schafft, bei der Visa-Vergabe schneller zu werden und so mehr Menschen legal ins Land kommen, kann es dreifach sparen: beim Personal des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, bei den Kosten für Sprachkurse und bei den Kosten für Abschiebungen. „Das wäre ein Triple Win“, sagt er. Und zugleich ein wichtiger Beitrag, um durch die dringend nötige Zuwanderung den Fachkräftemangel hierzulande zu bekämpfen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Do., 01.02.2024 - 11:09

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in dieser Sache widerstrebende, sich wechselseitig neutralisierende Anstrengungen im Wettbewerb um die Fachkräfte aus dem Ausland. Wir ziehen mit ganzer Kraft am selben Seil, aber in entgegengesetzter Richtung. Wie kann es sein, dass wir die Grenzen abschotten - in einem freien Europa, den Menschenrechten verpflichtet- um dann gleichzeitig die Frage beantworten zu müssen, wie wir den Zuzug von Außerhalb in Gangsetzen und beschleunigen könnten.
Grenzen auf, Willkommenskultur zurück, Abschiebungen sofort stoppen, fehlebelegte Wohnungen beschlagnahmen und den Zugezogenen großzügig zur Verfügung stellen- das wären einige Maßnahmen, mit denen die dargestellten Probleme sehr schnell gelöst werden könnten.