Linker Wahlsieg in Sardinien: Was das für Regierungschefin Meloni bedeutet
Bei der Regionalwahl in Sardinien schickte Meloni den unpopulärsten Bürgermeister Italiens für ihr Rechtsbündnis ins Rennen. Er unterlag überraschend der linken Kandidatin Alessandra Todde. Was bedeutet das nun für Meloni?
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Wenig Grund zur Freude für Meloni: Bei der Regionswahl in Sardinien gewann überraschend die linke Kandidatin Alessandra Todde.
Die Regionalwahl in Sardinien am vergangenen Sonntag endete mit einer kleinen Sensation. Gegen alle Erwartungen fiel die bisher von den Rechtsparteien regierte Insel an das Mitte-links-Bündnis. Die Sard*innen hatten einerseits in direkter Wahl den Regionspräsidenten oder die Regionspräsidentin und andererseits das Regionalparlament zu wählen. Als am späten Montagabend alle Stimmen ausgezählt waren, stand die Sensation fest. Mit 45,4 Prozent hatte Alessandra Todde, Kandidatin des Bündnisses aus dem Movimento5Stelle (M5S – „Fünf-Sterne-Bewegung“), der Partito Democratico (PD), der radikal linken Alleanza Verdi-Sinistra (AVS – „Grün-Linke-Allianz“) sowie weiteren kleinen linken Listen, die Nase vorn.
Ein Sieg gegen alle Umfragen
Der Gegenkandidat von rechts, Paolo Truzzu, kam dagegen nur auf 45 Prozent. Ihm nützte es nichts, dass bei den Listenstimmen für das Regionalparlament die postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) der in Rom regierenden Ministerpräsidentin, die Lega unter Matteo Salvini, Forza Italia und diverse weitere Mitte-rechts-Kräfte gut 48 Prozent erreichten und damit beim Listenvotum die Allianz der siegreichen Alessandra Todde klar überholten (die mit ihr verbundenen Listen kamen nur auf 42 Prozent). Denn am Ende ist nach dem Wahlrecht die Stimme für den Regionspräsidenten ausschlaggebend: Die mit dem Sieger oder der Siegerin verbundenen Listen erhalten im Regionalparlament einen Mehrheitsbonus, der ihnen 36 der 60 Sitze zuspricht.
Für die Rechte schmerzt diese Niederlage besonders, denn alle Meinungsumfragen der letzten Monate hatten an ihrem Erfolg keinen Zweifel gelassen. Dies galt umso mehr, da sich das komplette Rechtslager zu einer Allianz zusammengeschlossen hatte, während die Mitte-links-Kräfte gespalten angetreten waren. Zwar hatten es diesmal PD und Fünf Sterne geschafft, ein Bündnis zu schließen – doch mit dem früheren Regionspräsidenten Renato Soru war ein wichtiger PD-Politiker ausgeschert und hatte seinerseits als Unabhängiger kandidiert. Deshalb galt ein Erfolg der am Ende erfolgreichen Todde eigentlich als ausgeschlossen. Obwohl Soru seinerseits 8,6 Prozent holte, reichte es unter dem Strich dennoch für den – wenn auch denkbar knappen – Vorsprung Toddes.
Der unpopulärste Bürgermeister Italiens
Am 25. September 2022 hatte der Rechtsblock unter der heutigen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die nationalen Wahlen klar für sich entschieden. Ihre postfaschistische Partei Fratelli d’Italia hatte 26 Prozent geholt, das gesamte Rechtslager war auf rund 45 Prozent gekommen, kann aber seitdem in beiden Häusern des Parlaments auf rund 60 Prozent der Sitze zählen. Meloni sitzt damit fest im Sattel. Die Meinungsumfragen weisen ihr Popularitätswerte zwischen 40 und 50 Prozent zu und sehen die Rechtsparteien damit etwa genauso stark wie bei den Wahlen 2022.
Auch diese Tatsache hatte den Rechtsblock und vorneweg Meloni selbst wohl dazu verleitet, in Sardinien das Fell des Bären zu verteilen, bevor er erlegt war. Der bisherige, 2019 gewählte, Regionspräsident ist ein der Lega von Matteo Salvini nahestehender Politiker. Diesmal allerdings reklamierte Meloni die Spitzenkandidatur der Rechten angesichts des starken elektoralen Zuwachses der Fratelli für ihre eigene Partei: mit Erfolg. Sie setzte mit Paolo Truzzu einen ihr seit Jahren in Nibelungentreue verbundenen Postfaschisten durch, der vor allem dadurch auffiel, dass er sich den Schriftzug Trux – eine Synthese aus seinem Namen und Dux, sprich dem Duce – auf den Unterarm hatte tätowieren lassen. Truzzu regierte seit fünf Jahren die Inselhauptstadt Cagliari, hatte es dort jedoch in seiner Amtszeit dazu gebracht, zu einem der unpopulärsten Bürgermeister Italiens zu werden. Dies trug zu seiner Niederlage bei: In Cagliari selbst scheiterte er mit 35 Prozent krachend, Wahlsiegerin Todde konnte dort 53 Prozent der Stimmen holen.
Melonis Niederlage
Die Rechte sucht jetzt die Pleite als „rein lokales Ereignis“ kleinzureden – doch es ist auch eine Niederlage Melonis. Sie persönlich hatte den Kandidaten ausgewählt und sich auch im Wahlkampf stark engagiert. Ihr wird es nun obliegen, die drohenden Konflikte im Rechtsbündnis einzuhegen, denn mit dem Lega-Chef Salvini steht ihr der unzufriedene Anführer der Lega gegenüber, der schon bei den im Juni anstehenden Europawahlen den elektoralen Niedergang seiner Partei – und den spiegelbildlichen Zuwachs von Melonis Fratelli – mit einem Überbietungswettbewerb in Rechtspopulismus aufzuhalten suchen wird.
„Der Wind hat sich gedreht“, kommentierte voller Enthusiasmus Elly Schlein, seit genau einem Jahr Vorsitzende der PD. Erstmals seit 2015 gelang es ihrem Lager, eine bisher rechts regierte Region zu erobern, während bisher sowohl national wie auch regional seit fast zehn Jahren die Rechte auf einem unaufhaltsamen Vormarsch schien. Es ist allerdings noch zu früh, mit der Wahl in Sardinien jetzt eine generelle Trendwende auszurufen und schon den Niedergang Melonis einzuläuten. Die Insel stellt gerade einmal 2,5 Prozent der italienischen Bevölkerung – zu wenig, um aus dem Votum unmittelbar nationale Schlüsse ziehen zu wollen.
Schlein hofft auf Trendwende
Dennoch lehrt Sardinien einiges über die Bedingungen, unter denen das Mitte-links-Bündnis erfolgreich sein kann. Da wäre vorneweg die starke Kandidatin. Alessandra Todde, Informatikerin, die jahrelang als Managerin im Ausland tätig war, dann aber nach Sardinien zurückkehrte, beherrscht trotz ihres „kosmopolitischen“ Werdegangs die volksnahe Ansprache – sie spricht Sardisch – und konnte gerade bei sozialen Themen mit einer hohen Glaubwürdigkeit überzeugen. Vor allem aber konnte sie sich auf das Bündnis aus Fünf Sternen, Partito Democratico und radikaler Linke verlassen, welches sie ohne innere Reibereien trug.
Damit wurde der Wahlkampf in Sardinien zum Gegenentwurf gegenüber dem nationalen Wahlkampf von 2022. Damals war das Mitte-links-Lager doppelt gespalten angetreten. Die PD war nur mit der radikal linken AVS eine Wahlallianz eingegangen, während die Fünf Sterne allein antraten und daneben noch separat eine kleine Mitte-Liste ins Rennen gegangen war. Nur deshalb konnte die Rechte mit 45 Prozent der Stimmen 60 Prozent der Sitze erobern, während alle Mitte-links-Kräfte zusammen zwar auf 48 Prozent gekommen waren, ohne jedoch – angesichts des Wahlrechts – von diesem Resultat profitieren zu können.
Nächste Chance am 10. März
In der PD hatte diese nationale Pleite zur Wahl Elly Schleins zur Parteichefin geführt. Große Teile des Apparats hatten gegen sie gestanden, und bei der ersten Abstimmungsrunde (die laut Statut allein unter den Mitgliedern läuft) hatte sie nur 35 Prozent der Stimmen erhalten. In der zweiten Runde allerdings, einer für alle Anhänger*innen der Partei offenen Urwahl, hatte Schlein sich schließlich mit 53 Prozent durchgesetzt. Nach oben getragen hatte sie die Forderung, das linke Profil der PD zu schärfen, aber auch die Forderung, für Allianzen mit den Fünf Sternen – die vielen in der PD verhasst sind – offen zu sein. Diese Position ist jetzt durch das Votum in Sardinien entscheidend gestärkt worden. Die PD dürfte sich in den nächsten Monaten deutlich geschlossener präsentieren.
Eine erste Chance bietet sich dem Mitte-links-Bündnis schon in wenigen Tagen. Am 10. März wählen die Abruzzen den neuen Präsidenten und das Parlament der Region. Auch dort wird die Rechte von einem Meloni-treuen Postfaschisten angeführt, von dem bisherigen Regionspräsidenten Marco Marsilio. Anders als in Sardinien allerdings ist es in den Abruzzen dem Mitte-links-Lager gelungen, völlig geschlossen anzutreten, ohne Konkurrenzkandidaturen aus dem eigenen Lager. Sollte auch hier Meloni eine Niederlage einstecken, könnte der bisher noch rein lokale Erfolg von Sardinien tatsächlich als weiterreichender Aufbruch der Opposition gegen die Meloni-Rechte in die Geschichte eingehen.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen im IPG-Journal.