Meinung

Olaf Scholz in Rom: Warum der Kanzlerbesuch wichtig und richtig ist

Bundeskanzler Olaf Scholz wird heute in Rom von der postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni empfangen. Viele stören sich an diesem Besuch. Doch für ihn gibt es gute Gründe.
von Lars Haferkamp · 8. Juni 2023
Premiere in Berlin: Am 4. Februar 2023 empfing Bundeskanzler Olaf Scholz erstmals die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Kanzleramt.
Premiere in Berlin: Am 4. Februar 2023 empfing Bundeskanzler Olaf Scholz erstmals die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Kanzleramt.

Ja, es ist ein schwieriges, ein schwer verdauliches Bild: Der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz schüttelt der postfaschistischen Ministerpräsidentin Italiens Giorgia Meloni die Hand. Die Premiere war im Februar in Berlin, als Meloni sich im Kanzleramt vorstellte. Die Fortsetzung findet am Donnerstag statt, wenn Scholz zum Gegenbesuch in Rom ist.

Keine Frage, die postfaschistische Regierungschefin wird durch Scholz‘ Besuch aufgewertet, und das angesichts des wachsenden Rechtsrucks in Europa: in Polen, Ungarn, Italien, Spanien etc. etc. So mancher wird sich da fragen: Muss das sein?

Italien ignorieren ist keine Option

Die Antwort ist so einfach wie unbequem: Ja, das muss sein. Denn Italien ist – nach Deutschland und Frankreich – das drittgrößte EU-Land, nach der Zahl der Einwohner*innen wie nach der Wirtschaftskraft. Es zu ignorieren ist schlicht keine Option. Zumindest keine kluge.

Ein Bruch mit Rom würde bedeuten, die EU weitgehend lahmzulegen. Denn so lange in der Europäischen Union in den meisten Politikbereichen das Einstimmigkeitsprinzip gilt, geht es schlicht nicht ohne Italien. Die Veto-Drohungen der polnischen und der ungarischen Regierungen richten bereits genug Schaden an. Man möchte sich nicht vorstellen, welche Folgen eine solche Strategie Italiens für Europa hätte. Das gilt ganz besonders angesichts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, dessen barbarische Brutalität nach der Bombardierung des Kachowka-Staudamms einmal mehr für alle Welt sichtbar geworden ist.

Meloni steht fest zur Ukraine

Groß war die Befürchtung im Westen, dass mit der Wahl Giorgia Melonis zur Ministerpräsidentin Italiens im Oktober 2022 das Ende der geschlossenen Haltung der EU gegenüber Russland und der Solidarität mit der Ukraine gekommen sei. Denn ihre Koalitionspartner Silvio Berlusconi und Matteo Salvini machten aus ihrer putinfreundlichen Haltung keinen Hehl. So gab es ein erkennbares Aufatmen in Brüssel und Berlin, dass Meloni dieser Linie ausdrücklich nicht folgte.

Stattdessen sicherte sie bei ihrem Besuch in Kiew am 13. Mai 2023 dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi demonstrativ die „rückhaltlose Unterstützung“ Roms zu, „so lange es nötig ist und darüber hinaus“. Sie versprach „meinem Freund“ Selenskyi wörtlich: „Ich will ihnen versichern, dass Italien seine Haltung nicht abschwächt und das auch in Zukunft nicht tun wird.“ Ebenso unterstützt Meloni einen EU-Beitritt der Ukraine.

Keine antieuropäische oder antideutsche Politik

Ein Aufatmen gab es auch, dass Meloni ihrer antieuropäischen und antideutschen Rhetorik aus dem italienischen Wahlkampf keine Taten folgen ließ. Ihre erste Auslandsreise führte sie demonstrativ nach Brüssel. Weder betreibt sie den angedrohten Austritt ihres Landes aus dem Euro noch zeigt sie gegenüber Deutschland den „Abscheu“, den sie zuvor stets bekundete. Als Meloni bei ihrem Berlin-Besuch im Februar gefragt wurde, ob sie immer noch „allergisch gegen Deutschland“ sei, wie sie es einmal formuliert hatte, antwortete sie auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Olaf Scholz im Kanzleramt: „Keine Ahnung, wann ich das gesagt haben soll.“

Dass sie von ihrer antideutschen Haltung heute nichts mehr wissen will, dafür gibt es gute Gründe: Etwa, dass Deutschland Italiens wichtigster Handelspartner ist. Und es liegt nicht zuletzt auch daran, dass Bundeskanzler Olaf Scholz nicht auf Verhärtung, sondern auf Kontinuität im bisher guten deutsch-italienischen Verhältnis setzt. Sichtbares Zeichen dafür war seine Einladung von Meloni im Februar nach Berlin. Anders etwa als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der bisher jedes Zweier-Treffen mit ihr vermieden hat.

Vorsicht bleibt geboten

Bis jetzt hat sich die Strategie von Olaf Scholz, im Umgang mit Rom auf Zusammenarbeit statt auf Abgrenzung zu setzen, als richtig erwiesen. Wohlgemerkt: bis jetzt. Denn wie bei allen Postfaschist*innen und Rechtsradikalen bleibt höchste Vorsicht geboten. Sie kennen wenig Skrupel. Schon gar nicht kann man sich auf ihr Wort verlassen. Das weiß der Kanzler ganz genau. Und das ist auch gut so.

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