Eine Woche neuer US-Präsident: „Trump setzt maximal Druck ein“
Eine Flut von Dekreten, Drohungen gegen Kanada und mehrere umstrittene Personalvorschläge: Die ersten Tage nach der Amtseinführung von Donald Trump waren turbulent. Welche Strategie der neue US-Präsident verfolgt und was von ihm zu erwarten ist, sagt Reinhard Krumm von der Friedrich-Ebert-Stiftung im Interview.
IMAGO / ZUMA Press Wire
Trump bei der Unterzeichnung von Dekreten im Weißen Haus: Nach jeder Unterschrift gab es großen Jubel des Publikums,
Am Montag wurde Donald Trump als 47 US-Präsident ins Amt eingeführt. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Die Stimmung ist gespalten. Trumps Unterstützer sind natürlich begeistert und zum Teil auch euphorisiert. Sie schätzen die vielen Executive Orders, die er noch am Abend nach der Amtseinführung vor seinen Anhängern unterschrieben hat. Er saß dabei an einem Tisch in einer Sportarena im Zentrum von Washington, und nach jeder Unterschrift gab es großen Jubel des Publikums. Bei den Anhängern der Demokraten ist die Stimmung dagegen schlecht. Viele hatten auch die Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm kommen werde. Diese Hoffnung ist schnell verflogen, die ersten präsidialen Amtsverfügungen lassen nichts Gutes ahnen.
Trumps Rede bei seiner Amtseinführung war mit Spannung erwartet worden. Wie haben Sie sie erlebt?
Diese Rede fand ich vergleichsweise ruhig, konzentriert fast. Er sprach von sich und seiner Administration als „Friedensstifter“. Anders war es bei seiner Rede am selben Tag im Kapitol vor Unterstützern, die wirr und unkonzentriert war, so wie auch sein Auftritt in der Sportarena am Abend. Die vielen Verfügungen, die Trump erlassen hat, sind wohl in Eile zusammengeschustert worden. Diese damit verbundenen Ungenauigkeiten könnte sie juristisch angreifbar machen. Gegen einige wurden ja auch bereits Klagen eingereicht, seine Verfügung zur Staatsbürgerschaft bereits vorübergehend gestoppt.
Reinhard
Krumm
Sogar dort, wo selbst Republikaner große Zweifel an Trumps Auswahl haben, ist die klare Ansage des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, dass es keine Abweichler geben darf.
Gab es bei den vielen Verfügungen etwas, das Sie überrascht hat?
Vieles hatte Trump schon im Wahlkampf und auch nach seinem Sieg angekündigt. Aber die sofortige Begnadigung aller, sogar der Rädelsführer, die am Sturm auf das Kapitol beteiligt waren, kam für mich doch sehr überraschend. Am 6. Januar 2021 hatten nicht wenige Gewalt gegen Polizisten angewendet. Dass Trump sie jetzt begnadigt, widerspricht dem Rechtsempfinden auch vieler Republikaner, die sich immer als die Law-and-Order-Partei sehen. Ebenfalls sehr bemerkenswert ist der Loyalitätswahnsinn von Trump: In einer Art Racheakt hat er seinem ehemaligen Sicherheitsberater John Bolton den Personenschutz entzogen. Unfassbar. Er wird aus dem Iran mit dem Tode bedroht aufgrund seiner Tätigkeit im Weißen Haus unter Trump – und der lässt ihn nun nicht mehr schätzen, weil Bolton ihn in einem Buch heftig kritisiert hat.
Ex-Präsident Joe Biden ist ja belächelt worden, als er kurz vor dem Ausscheiden aus dem Amt noch eine Reihe von Leuten vorsorglich begnadigt hat. Das war dann also durchaus begründet?
Ja und nein. Ja, in Bezug auf seinen Sohn Hunter Biden, wenn man sich die Entwicklungen der letzten Tage ansieht. Und auch ja, was die vorsorglichen Amnestierungen geht. Denn hier in Washington hält sich das Gerücht, dass es Listen gibt mit Menschen – Politiker, Journalisten und ähnliche – die Trump verfolgen wird. Liz Cheney soll darunter sein, die Tochter des ehemaligen Vize-Präsidenten, die bis 2021 zur Führungsriege der Republikaner gehörte und in der Wahl die Demokraten unterstützte. Gleichzeitig wird die Amnestierung, gerade von seinem Sohn, sogar von den Demokraten kritisiert, weil Trumps Vorgehen nun nicht klar als moralisch verwerflich darzustellen ist
Nach der Amtseinführung steht nun die Bestätigung der Ministerinnen und Minister der künftigen Regierung an. Glauben Sie, dass Donald Trump alle seine Personal-Vorschläge durchbekommt?
Ja, die wichtigsten alle Mal. Am Freitag ist ja selbst der nach wie vor nicht unumstrittene Pete Hegseth als Verteidigungsminister bestätigt worden. Und Trump setzt offensichtlich maximal Druck ein, dass auch die anderen, die vielleicht sogar noch umstrittener sind, bestätigt werden. Das könnte sogar für die mit großen Zweifeln versehene Bestätigung von Tulsi Gabbard gelten, die als Direktorin der National Intelligence Agency, also des Geheimdienstes, vorgeschlagen ist. Denn sogar dort, wo selbst Republikaner große Zweifel an Trumps Auswahl haben, ist die klare Ansage des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, dass es keine Abweichler geben darf.
Reinhard
Krumm
Dass Regierung und das große Geld so eng zusammenarbeiten, weckt Erinnerungen an den rohen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts.
Außenpolitisch hat vor allem Trumps Umgang mit den direkten Nachbarn, also Mexiko und Kanada, für Aufsehen gesorgt. Gegen beide Länder will er hohe Einfuhrzölle verhängen, schon ab Februar. Wie reagiert Kanada darauf?
Die Kanadier hatten lange gehofft, dass dieser Kelch an ihnen vorbeigeht. Doch diese Hoffnung wird sicher enttäuscht werden. Deshalb bereitet sich die Regierung nun in großer Einigkeit auf Zölle ab dem 1. Februar vor. Die Möglichkeit für Gegenmaßnahmen, die Kanada hat, sind dabei nicht zu unterschätzen. Der Norden der USA, also Michigan, Wisconsin und New York State, erhalten Energie von Kanada. Weniger Energiezufuhr könnte insbesondere die dort ansässige Automobilindustrie in Schwierigkeiten bringen. Kanada ist bereit, den USA aufzuzeigen, welchen Schaden es anrichten kann. Auch wenn klar ist, dass die USA langfristig den deutlich längeren Hebel besitzen.
Inwiefern?
Beide Länder sind maximal miteinander verbandelt. Es gibt einen regen Warenaustausch. Wenn da die Preise in Kanada um zehn oder 15 Prozent hochgehen würden, hätte das verheerende Auswirkungen. Es könnte zu einem Handelskrieg kommen, der beiden Seiten deutlich schadet. Daran dürfte auch Donald Trump kein Interesse habe. Und noch eine Forderung aus den USA dürfte Kanada sehr schwerfallen. Trump will ja, dass auch Kanada als Mitglied der NATO seine Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent deutlich erhöht. Zurzeit liegen sie nur bei etwa 1,4 Prozent der Wirtschaftsleistung, also sogar deutlich unter denen von Deutschland.
Nochmal zurück zur Amtseinführung von Donald Trump. Da saßen die Tech-Milliardäre, allen voran Elon Musk, in der ersten Reihe, während gewählte Politiker hinter ihnen Platz nehmen mussten. Wie interpretieren Sie das?
Tatsächlich saßen viele Politiker nicht einmal auf den hinteren Plätzen, sondern waren nicht mal in der Rotunde des Kapitols, wo die Amtseinführung stattfand. Denn Trump achtet, wie schon gesagt, auf Loyalität.Es ist verführerisch, gefügige Medien an der Seite zu haben oder Geschäftsleute, die ihre Dienste anbieten. Elon Musk besitzt ja nicht nur Tesla und X, sondern übernimmt mit seinem Unternehmen SpaceX auch Flüge der NASA und des Pentagon. Hier gibt es also bereits eine enge Verbandelung des Staates mit der Privatwirtschaft.
Dass Regierung und das große Geld so eng zusammenarbeiten, weckt Erinnerungen an den rohen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts. Und Trump scheinen diese Menschen zu faszinieren. Die Tech-Industrie in den USA ist lange Zeit demokratisch gewesen. Eine Zunahme der Regulierungen, gerade unter Biden, hat sie aber offenbar dazu gebracht, sich den Republikanern zuzuwenden. Dabei unterstützen nicht alle – von Elon Musk mal abgesehen – bedingungslos Donald Trump, aber sie sind mit den Entwicklungen bei den Demokraten nicht zufrieden und drücken nun ihren Protest aus in der Unterstützung der Republikaner.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.