Trumps Zoll-Drohung: „Wir haben eine Reihe von Gegenmaßnahmen im Köcher“
Direkt nach seiner Amtseinführung will Donald Trump Strafzölle auf Importe in die USA erheben. SPD-Handelsexperte Bernd Lange sieht die EU darauf gut vorbereitet. Das geplante Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten spielt dabei aus Langes Sicht eine besondere Rolle.
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Donald Trump am Tag vor seiner Amtseinführung: Zölle sind sein Mittel der Wirtschaftspolitik.
Noch vor seinem Amtsantritt als US-Präsident am Montag hat Donald Trump Strafzölle auf Importe in die USA angekündigt. Was bedeutet das für die EU?
Donald Trump hat ja schon kurz nach seiner Wahl sehr deutlich gesagt, dass er Zölle erheben will. Zölle sind sein Mittel der Wirtschaftspolitik. Zu versuchen, Produktion ins Land zu holen, Importe abzuschotten, aber gleichzeitig zu versuchen zu exportieren, ist eine alte, merkantile Grundhaltung. Das hat vielleicht vor 100 Jahren bei einigen Ländern funktioniert, wird aber heute nicht klappen. Langfristig schon gar nicht. Aber das ist eben Trumps Ideologie.
Für die EU bedeutet es, dass wir mit Trump reden müssen, denn natürlich haben solche Maßnahmen Konsequenzen für uns. Die USA sind ja nach wie vor unser wichtigster Handelspartner. Und wenn tatsächlich auf viele Produkte Zölle aufgeschlagen werden, dann bedeutet das für große Unternehmen, dass der Investitionsdruck in den USA steigt. Viele kleine und mittlere Betriebe in Europa, gerade im Maschinenbau, werden Umsatzbeinbußen haben, weil sie ihre Produktion nicht verlagern können.
Ist Europa darauf vorbereitet?
Ja, wir haben bereits Berechnungen gemacht, was Strafzölle finanziell bedeuten könnten. Trump spricht ja von Zöllen in Höhe von mindestens zehn Prozent auf alle Importe. Bei chinesischen Gütern sollen es sogar 60 Prozent sein. Das könnte indirekt auch die EU treffen. Wir sind aber deutlich besser vorbereitet als zu Beginn von Trumps erster Amtszeit. Da waren wir doch sehr überrascht, als er plötzlich 25 Prozent Zoll auf Stahl-Importe erhoben hat. Diesmal haben wir schon eine Reihe von Gegenmaßnahmen im Köcher.
Wie sehen die aus?
Sie reichen von Gegenzöllen über das Einfrieren von Patenten bis zum Ausschluss von der öffentlichen Beschaffung. Es gibt auch bereits eine Taskforce in der EU-Kommission, die schnell Gegenmaßnahmen einleiten kann. Das ist aber nur der zweite Schritt. Zunächst werden wir natürlich mit Trump verhandeln. Er ist ein „Tariff Man“, aber er ist auch ein „Dealmaker“. Das sollten wir auch für unsere Interessen nutzen. Aber falls Trump Zölle setzt, werden wir auch entsprechend reagieren können.
Bernd
Lange
Handelsabkommen schaffen stabile Verhältnisse und Verlässlichkeit.
Seit Trumps letzter Präsidentschaft hat die EU eine Reihe von Handelsabkommen mit anderen Staaten geschlossen. Hilft das, mögliche Blockaden der USA zu umgehen?
Handelsabkommen sind – auch unabhängig von den Beziehungen zu den USA – wichtig. Auch wenn sich da in den vergangenen Jahren etwas getan hat, ist die EU bisher noch nicht optimal aufgestellt. Es gibt zwar 44 Abkommen mit 70 Staaten, die etwa die Hälfte des europäischen Handels umfassen. Deshalb ist es gut, dass nun bald ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten geschlossen wird und es ist gut, dass auch die wichtigen Verhandlungen mit Mexiko vor wenigen Tagen abgeschlossen werden konnten. Damit wird die EU dann deutlich mehr als die Hälfte ihres Handels mit Staaten treiben, mit denen sie Abkommen geschlossen hat, die verlässliche Partner sind. Zurzeit verhandeln wir intensiv über ein Handelsabkommen mit Indonesien, ein großer, wichtiger Partner in Asien. Und wir nehmen auch wieder die Verhandlungen mit Australien auf.
Die grundsätzliche Einigung auf ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten Ende vergangenen Jahres kam nach mehr als 25 Jahren Verhandlungen zustande. Wann tritt es in Kraft?
Der Text für das Abkommen ist soweit fertig und muss jetzt übersetzt und dann juristisch überprüft werden. Danach muss der Europäische Rat entscheiden, dass es eine Unterschrift gibt und dann kommt das Abkommen ins Parlament. Also fertig ist es noch nicht, aber zumindest sind die Verhandlungen abgeschlossen und das ist ein wichtiges Zeichen in dieser Zeit der Fragmentierung in der Globalisierung, in der Trump Zölle setzen will, die Chinesen versuchen, mit unlauteren Möglichkeiten die Wettbewerbssituation in ihrem Sinne zu verbessern und Weltmarktführer zu werden. Mit dem Handelsabkommen wird es auch Zollerleichterungen geben, aber vor allem ist wichtig, dass Standards gegenseitig anerkannt werden und dass wir auch eine gemeinsame Herangehensweise haben, was Arbeitnehmerrechte, was nachhaltige Entwicklung, was die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens betrifft.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat errechnet, dass sich das BIP der Europäischen Union durch das Mercosur-Abkommen nur im Promillebereich erhöhen wird. Lohnen sich dafür die langen Verhandlungen?
Ich denke, das BIP ist hier der falsche Maßstab. Natürlich wird das nicht durch solch ein Abkommen durch die Decke gehen. Entscheidend ist aber etwas anderes: Handelsabkommen schaffen stabile Verhältnisse und Verlässlichkeit. Dann kann eben nicht einfach ein Präsident entscheiden, mal eben 20 Prozent auf alle Importe zu schlagen. Stabile Märkte sind ein ungemein wichtiges Gut, besonders in Zeiten, die rauer und unsicherer werden und gerade für Sektoren, die für Deutschland sehr wichtig sind, wie der Maschinenbau, Autozulieferer, Autos oder Chemikalien. Und auch die Landwirtschaft wird von dem neuen Abkommen massiv profitieren. So werden die Zölle auf alkoholische Getränke von jetzt 35 Prozent wegfallen. Bei Wein sind es 27 Prozent. Auch kann die EU jährlich 30.000 Tonnen Käse zollfrei in die Mercosur-Staaten exportieren. Auch das schafft Stabilität.
Bernd
Lange
Mit dem Mercosur-Abkommen werden wir deutlich mehr Produkte exportieren als importieren, auch im landwirtschaftlichen Bereich.
In Frankreich sind aber gerade die Bauern sehr skeptisch, was das Mercosur-Abkommen angeht. Sie fürchten Billigkonkurrenz aus den südamerikanischen Staaten. Teilen Sie die Sorge?
Ich denke, da muss man relativieren. Zum einen importieren europäische Landwirte schon längst Soja aus Brasilien. Das ist zollfrei und kommt hier auf den Markt. 2023 waren es drei Millionen Tonnen, mit denen in Europa Schweine und Rinder gefüttert werden. Da fragt niemand danach, warum das so günstig ist und wie die Anwendungsbedingungen sind. Das jetzt verhandelte Abkommen sieht vor, dass 99.000 Tonnen Rindfleisch jährlich zollfrei aus den Mercosur-Staaten, also Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, auf den europäischen Markt kommen können. Knapp die Hälfte der aktuellen Importe würde damit zollfrei werden. Für einige Rinderproduzenten in der EU, zum Beispiel in Irland oder in bestimmten Regionen in Frankreich, könnte dadurch ein Wettbewerbsdruck entstehen. Deshalb werden wir uns die interne Situation der Landwirtschaft nochmal genau ansehen und gegebenenfalls über Ausgleichsmaßnahmen nachdenken. Ganz allgemein ist aber klar, dass wir mit dem Mercosur-Abkommen deutlich mehr Produkte exportieren werden als importieren, auch im landwirtschaftlichen Bereich.
Nochmal zurück zum neuen US-Präsidenten: Ein Bestreben der EU ist schon seit längerem eine Reform der Welthandelsorganisation. Ist die mit einem Präsidenten Trump noch realistisch?
Nur weil Donald Trump nun Präsident ist, sollten wir das Vorhaben nicht aufgeben. Wie erfolgreich es unter den neuen Voraussetzungen sein kann, ist aber eine andere Frage. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass seine Regierung einige Vorhaben wie etwa eine Begrenzung der Überfischung durchaus mitträgt. Aber die großen Reformschritte wird es wohl nicht geben. Deswegen müssen wir versuchen, das, was jetzt da ist, zu stabilisieren. Das Problem mit den USA ist, dass sie die zweite Stufe der Streitschlichtung nicht mehr akzeptieren, auch schon vor Donald Trump. Und dass sie die Besetzung der Richterinnen und Richter im Streitschlichtungsgremium der WTO blockieren. Deswegen haben wir mit inzwischen 33 anderen Staaten einen alternativen Streitschlichtungsmechanismus eingeführt. Ich hoffe, dass da noch mehr Staaten dazukommen, sodass der große Vorteil der WTO, dass sie die einzige internationale Organisation ist, wo es eine rechtlich verbindliche Streitschlichtung gibt, erhalten bleibt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.