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Debatte der EU-Spitzenkandidat*innen: von der Leyen und die extremen Rechten

Rund zwei Wochen vor der Europawahl sind die Spitzenkandidat*innen in einer Fernseh-Debatte in Brüssel gegeneinander angetreten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterstrich dabei ihre Aussage zur Zusammenarbeit mit der extremen Rechten.

von Lea Hensen · 24. Mai 2024
Ein Hauch von Song Contest: Am 23. Mai diskutierten die europäischen Spitzenkandidat*innen für die Europawahl in Brüssel über ihre Vorstellungen für die Zukunft Europas.

Ein Hauch von Song Contest: Am 23. Mai diskutierten die europäischen Spitzenkandidat*innen für die Europawahl in Brüssel über ihre Vorstellungen für die Zukunft Europas.

Wie hält es Ursula von der Leyen mit der Zusammenarbeit mit der extremen Rechten? Diese Frage brannte bei der Debatte der europäischen Spitzenkandidat*innen wohl nicht nur den Zuschauer*innen unter den Nägeln. Die amtierende Chefin der EU-Kommission wurde am Donnerstag im Brüsseler Plenarsaal auch von ihren Konkurrent*innen zur Rede gestellt, nachdem sie bei einem ähnlichen Format vor einigen Wochen eine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten im Europaparlament nicht ausgeschlossen hatte „Bitte schaffen Sie Klarheit“, forderte sie deshalb der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokrat*innen Nicolas Schmit auf.

Von der Leyen: „Meloni ist klar europäisch“

Die Kommissionspräsidentin nutzte diese Gelegenheit jedoch nicht. Bei der Diskussion, die die Europäische Rundfunkunion rund zwei Wochen vor den Europawahlen übertrug, konnten die Spitzenkandidat*innen für den Vorsitz der EU-Kommission noch einmal sich und ihre Positionen präsentieren. Ursula von der Leyen blieb bei ihrer Haltung, nach der Wahl auch mit der EKR-Fraktion, in der u.a. Abgeordnete der postfaschistischen Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der rechtsgerichteten PiS-Partei aus Polen sind, zusammenzuarbeiten.

Drei Kriterien, sagte von der Leyen, sollte eine Parteienfamilie haben, damit man mit ihr zusammenarbeiten könne: pro-europäisch, Anti-Putin, und rechtsstaatlich sollte sie sein. Parteien wie Rassemblement National, die spanische Vox und die AfD würden diese Kriterien nicht erfüllen. Italiens „Fratelli d’Italia“ aber schon. „Meloni ist klar europäisch, gegen Putin, und wenn sie rechtsstaatlich bleibt, könnten wir kooperieren“, sagte sie über die Postfaschistin. Und was ist mit Melonis Diskriminationspolitik gegen LGBTQ? Darauf blieb von der Leyen eine Antwort schuldig.  

Schmit: „Werte stehen für uns vor Macht.“

Deutliche Abgrenzung nach rechts betonte dagegen Nicolas Schmit. „Wir werden nicht mit jemanden regieren, der die europäischen Werte in Frage stellt“, unterstrich der Sozialdemokrat in Brüssel. „Wir machen keine Zugeständnisse ein die extreme Rechte. Werte stehen für uns vor Macht.“ Die Fraktionen der „Europäischen Konservativen und Reformer“ sowie „Identität und Demokratie“ seien für ihn keine demokratischen Kräfte.

Gleiches gelte für Giorgia Meloni, die in Italien Frauenrechte einschränke und die Freiheit der Medien unterdrücke. Die neueste Nachricht aus dem rechten Lager, die mitten in die Debatte platzte – der Ausschluss der AfD aus der Fraktion „Identität und Demokratie“ – spielte sich im Hintergrund der Diskussionen ab. Rechte Parteien waren aber ohnehin nicht vertreten, da sie keine Spitzenkandidaten nominiert hatten. 

Bei den neu eingeführten „Spotlight“-Interviews schilderten die Kandidat*innen und ihre Motivation, Europapolitik zu machen. „Mich treibt es als Sozialisten an, die Lebensumstände der EU-Bürger zu verbessern“, sagte Schmit. Dazu müsse man soziale Gerechtigkeit und Wachstum fördern. „Millionen von Menschen vor Armut zu bewahren ist für mich eine Frage der Sicherheit“, so der derzeitige EU-Kommissar für Arbeit und Soziales.

Schmit kritisiert Tunesien-Abkommen 

Klare Worte fand der Luxemburger auch beim Thema Migration. Man müsse etwas gegen Schmuggler und Menschenhändler unternehmen, pflichtete er von der Leyen bei. „Aber wenn ich mir anschaue, was mit Geflüchteten in Tunesien passiert, die dort in die Wüste zurückgeschickt werden, einige von ihnen zusammengeschlagen oder getötet, dann finde ich, das ist ein Abkommen mit einer wirklichen schlimmen Diktatur“, sagte er im Hinblick auf die Vereinbarung, die die EU-Kommissionspräsident im vergangenen Sommer ohne Beteiligung des EU-Parlament ausgehandelt hatte. Der tunesische Autokrat Kais Saied verspricht darin, illegale Migrant*innen aufzuhalten, in der Praxis geschieht das mit menschenunwürdigen Methoden.

Wie beim „Eurovision Song Contest“ wurden bei der Debatte auch Städte aus einzelnen EU-Staaten zugeschaltet. Von dort aus stellten Erstwähler*innen ihre Fragen an die Kandidat*innen. Sie gaben Aufschluss darüber, was Europas Jugend bewegt. So lautete eine Frage, ob die EU nicht besser in die eigene Sicherheit investieren müsste – anstatt die Ukraine weiter zu unterstützen.

„Wieso spricht niemand über Israel und Gaza?“

Schmit argumentierte für beides. „Wir müssen unsere Verteidigung ausbauen und die Ukraine weiter unterstützen, um Europas Demokratie und Werte zu bewahren“, sagte er. Sandro Gozi von den Liberalen warb für eine europäische Verteidigungsindustrie – auf einer Linie mit Ursula von der Leyen, die außerdem eine Luftverteidigung der EU ins Spiel brachte. Walter Baier, Spitzenkandidat der Linken, lehnte weitere Investitionen in die Verteidigung ab und lenkte stattdessen den Blick Richtung Nahost. „Wieso spricht hier niemand über Gaza und Israel?“, fragte er anklagend. Das Publikum klatschte. 

Terry Reintke von den europäischen Grünen sieht Europa vor allem durch den Rechtsextremismus gefährdet. Sie versetzte ihrem Konkurrenten von den Liberalen einen Seitenhieb. Sandro Gozis Fraktion „Renew Europe Now“ hätte die niederländischen Liberalen aus der Parteienfamilie auschließen sollen, findet Reintke, weil diese in Amsterdam einen Regierungspakt mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders eingegangen sind.  

Von der Leyen klopft sich selbst auf die Schulter

Die Gelsenkirchenerin, selbst Tochter eines Landwirts, sprach sich in Sachen Klimapolitik für sozialverträgliche Lösungen aus, die auch die Interessen der Agrarindustrie wahren sollten. „Dieser Kontinent muss ein Vorreiter sein, wenn es darum geht, das Klima zu schützen und trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagte Reintke und forderte einen Ausbau des europäischen Emissionshandels. Da war sie mit dem Sozialdemokraten Schmit einer Meinung. „Der Green Deal muss ein sozialer Deal sein, der auch die Landwirte miteinschließt“, erklärte er.

Ursula von der Leyen beließ es bei dieser Frage dabei, sich damit zu brüsten, dass es ihre Kommission war, die den „Green Deal“ eingeführt hat. Ohnehin nutzte die EU-Kommissionspräsidentin die Debatte vor allem, um hervorzuheben, was sie in den vergangenen fünf Jahren alles durchgesetzt habe. Was die Zukunft angeht, hatte sie dagegen auffallend wenig zu sagen.

Autor*in
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 28.05.2024 - 09:24

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Klar ist die Frau vonderlaien rechtsoffen - sie kommt ja auch nicht aus einer linken oder ehemals linken Partei. Viel schlimmer aber ist es daß überdie dubiosen Geschäftsprktiken (SMS-Verträge) dieser Frau als Ministerin in der BRD oder bei ihren Pharmageschäften in Sachen Corona nicht berichtet wird.