Vor den Landtagswahlen: Was gegen Rechtsextremismus am Arbeitsplatz hilft
Einer Studie zufolge wird Rechtsextremismus am Arbeitsplatz zunehmend zu einem Problem. Nicht nur, aber auch in Ostdeutschland, wo Unternehmen und Gewerkschaften mit Sorge auf die anstehenden Landtagswahlen blicken.
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Rechtsextremismus am Arbeitsplatz ist ein zunehmendes Problem. Doch es gibt geeignete Gegenmaßnahmen.
Am 1. August hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. Doch bundesweit sind erneut zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben. Insbesondere im Osten Deutschlands ist deren Anteil innerhalb der vergangenen zehn Jahre noch einmal deutlich gestiegen. Nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer waren im Jahr 2013 in Ostdeutschland 44 Prozent aller Ausbildungsplätze unbesetzt, zehn Jahre später sogar 51 Prozent.
Unternehmen und Gewerkschaften mit Sorge
Doch nicht nur deshalb blicken Unternehmen und Gewerkschaften im Osten des Landes insbesondere vor den drei anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sorgenvoll in die Zukunft. „Unsere Mitgliedsgewerkschaften berichten uns, dass es bereits zu Spaltungen innerhalb der Belegschaften kommt“, nennt Nele Techen im Gespräch mit dem „vorwärts“ eine der Auswirkung dieser Stärke. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Berlin-Brandenburg. „Die betriebliche Demokratie könnte geschliffen werden“, ist eine Sorge von Nele Techen.
Bereits jetzt hat jede*r dritte Beschäftigte in Deutschland rechtsextreme Einstellungen am Arbeitsplatz wahrgenommen. Zu diesem Ergebnis kam vor kurzem eine repräsentative Studie mit dem Titel „Unternehmen in Verantwortung!“, die von der Organisation „Gesicht Zeigen!“ in Auftrag gegeben wurde. Ihr Ziel war es, erstmals eine Bestandsaufnahme zum Phänomen Rechtsextremismus in Wirtschaft und Arbeitswelt zu ermöglichen. Die erschreckende Erkenntnis: Fast jede*r zehnte Beschäftigte ist als Opfer rechtsextremer Einstellungen am Arbeitsplatz persönlich betroffen.
„Unternehmen müssen handeln!“
„Die Zahlen zeigen, dass Unternehmen handeln müssen“, sagt Geschäftsführerin Sophia Oppermann und fügt an: „Zudem wünschen die Beschäftigten nicht nur eine klare Positionierung der Unternehmen, sondern auch entschiedenes Handeln.“ Denn in weniger als einem von fünf Fällen wurden laut der Studie Gegenmaßnahmen ergriffen. Dabei werden diese als hochgradig effektiv eingeschätzt: Rund drei Viertel gaben an, dass Maßnahmen, wenn sie ergriffen wurden, erfolgreich waren und sich rechtsextreme Vorfälle nicht wiederholten.
Entsprechend wünschen sich fast zwei Drittel derer, die solche Vorfälle am Arbeitsplatz wahrgenommen haben, mehr Engagement seitens der Arbeitgeber*innen. Auch Sophia Oppermann sagt: „Unternehmen zeigen zunehmend Gesicht – das unterstützen wir.“ Jetzt komme es allerdings darauf an, Verantwortung zu übernehmen und zu handeln. Es gelte, demokratische Werte im Unternehmensleitbild zu verankern, jährliche Workshops oder Weiterbildungen anzubieten und eine feste Ansprechperson im Unternehmen zu etablieren.
Für ein weltoffenes Thüringen
Bereits im Mai haben 30 große deutsche Konzerne von der Allianz über Thyssen-Krupp, mehrere Automobil-Hersteller und Energieunternehmen bis zum Logistiker DHL das Bündnis „Wir stehen für Werte“ geschlossen. „Wir treten entschieden für unsere Werte ein, denn sie haben Deutschland erfolgreich gemacht – und auch unsere Unternehmen“, sagte etwa Siemens-Chef Roland Busch.
Auch in Thüringen, wo die rechtsextreme AfD jüngsten Umfragen zufolge auf 30 Prozent kommen könnte, haben sich mehr als 3.500 Verbände und Privatpersonen Anfang des Jahres der Initiative „Weltoffenes Thüringen“ angeschlossen. So sagte etwa Peter Benz, Präsident der Bauhaus-Universität in Weimar: „Für uns ist Diversität zwingend notwendig. Forschung lebt vom internationalen Austausch.“ Auch mit Blick auf Innovationen: „Wenn wir neue, interessante Ideen entwickeln wollen, brauchen wir unterschiedliche Kulturen, Ideen und Ansätze.“ Er macht deutlich: „Thüringen muss und wird ein weltoffenes Land bleiben.“
Schon jetzt bekomme er die Auswirkungen des AfD-Umfragenhöhenflugs zu spüren. Benz berichtet von einem Berufungsverfahren an seiner Universität, in dem der Kandidat nach einem sehr positiven Gespräch gesagt habe, er müsse jetzt nur noch mit seiner Familie besprechen, ob sie sich Thüringen wirklich antun wollten. „Das ist wirklich sehr bedenklich. Wie kann das sein, dass ein Bundesland einen so schlechten Ruf hat?“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo