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Hürden für Höcke: So will das Thüringen-Projekt die Demokratie schützen

Was wird aus Thüringen, wenn die AfD weiter erstarkt? Das Thüringen-Projekt macht Vorschläge zur Absicherung von rechtsstaatlichen Institutionen. Nicht nur Polizei und Verfassungsschutz stehen im Fokus.

von Christian Rath · 19. April 2024
Protest gegen Björn Höcke in Erfurt

picture alliance/dpa/Martin Schutt

„Nur eine vorbereitete Demokratie ist eine wirklich wehrhafte Demokratie." So begründete der Journalist und Jurist Maximilian Steinbeis die Vorschläge seines Teams für präventive Rechtsänderungen in Thüringen, wo im September ein neuer Landtag gewählt wird. Die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke kann nach aktuellen Umfragen mit 29 bis 31 Prozent der Stimmen rechnen. 

Steinbeis ist Gründer des Verfassungsblogs, in dem seit 2009 verfassungsrechtliche Fragen diskutiert werden. Vor einem Jahr gründete er das Thüringen-Projekt. Mit zehn Mitarbeiter*innen untersucht Steinbeis, wie die AfD nach einem Wahlerfolg Demokratie und Rechtsstaat in Thüringen gefährden könnte und wie die Politik dies im Vorfeld verhindern oder jedenfalls erschweren sollte. 

Das Thüringen-Projekt hat nun ein Policy-Paper mit sieben Empfehlungen vorgestellt. Diese drehen sich allerdings nicht darum, was zu tun wäre, wenn die AfD in Thüringen eine absolute Mehrheit erringt und dann beginnt, rassistische Gesetze zu beschließen oder die Opposition bei Wahlen und Demonstrationen zu behindern. 

Vorschläge setzen früh an

Die Vorschläge setzen eher früher an: Für den Fall, wenn die AfD noch keine absolute Mehrheit hat, aber mit mehr als einem Drittel der Sitze im Landtag bestimmte Entscheidungen blockieren kann. Oder wenn die AfD Teil einer Koalitionsregierung wird und einzelne Minister oder sogar den Ministerpräsidenten stellt.

So könnten AfD-Minister*innen etwa ohne Begründung politische Beamt*innen in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Höcke hat bereits angekündigt, dass er gerne Stephan Kramer, den Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutzes, ersetzen würde. Bisher könnte ein Thüringer Innenminister dies ohne Weiteres tun.

Das Thüringen-Projekt schlägt nun vor, den Polizeipräsidenten und den Präsidenten des Verfassungsschutzes aus der Thüringer Liste der politischen Beamten zu streichen. Die Amtsinhaber*innen könnten dann nicht mehr ohne Begründung entlassen werden. 

Würde der Vorschlag umgesetzt, könnte er freilich auch nach hinten losgehen. Wenn sich ein Thüringer Polizeipräsident nach Ernennung selbst radikalisiert, dann kann er eben auch von einem SPD- oder CDU-Innenminister nicht so einfach entlassen werden.

Die AfD wird nicht genannt

Das Papier spricht übrigens nie von der „AfD“, sondern stets von einer „autoritär-populistischen“ Partei. Doch jede und jeder dürfte wissen, wer gemeint ist.

Ein anderes Beispiel: Derzeit kann ein Thüringer Ministerpräsident Staatsverträge kündigen, ohne dass der Landtag zustimmen muss. Ein Ministerpräsident Höcke könnte so die allgemeinen Rundfunkstaatsverträge oder den Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) kündigen und Thüringen damit aus dem Verbund öffentlich-rechtlicher Medien herauslösen.

Das Thüringen-Projekt schlägt vor, dass die Kündigung von Staatsverträgen künftig nur mit Zustimmung des Erfurter Landtags möglich sein soll. Falls die AfD allein regiert, wäre das aber keine große Hürde, und in einer Koalition der AfD mit CDU oder BSW wäre sicher auch manches möglich, was man bisher für undenkbar hielt.

Die Vorschläge des Thüringen-Projekts sehen in der Regel also keine Stoppschilder vor, weil sie verfassungsrechtlich auch schlecht zu begründen wären. Wenn eine Partei die Wahlen gewinnt, soll sich dies ja in einer entsprechenden Politik niederschlagen können. 

Verfahrenshürden für politisch heikle Änderungen erhöhen

Gegen verfassungswidrige Gesetze könnte ohnehin noch das Landes- oder Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Meist will das Projekt nur die Verfahrenshürden für politisch heikle Änderungen etwas erhöhen. 

So empfiehlt das Thüringen-Projekt nun, dass die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung erstmals gesetzlich geregelt wird. Dann könnte die nächste Thüringer Landesregierung sie nicht einfach abschaffen oder mit einem neuen deutsch-nationalen Auftrag versehen. Ein entsprechendes jetzt beschlossenes Gesetz könnte nach der Landtagswahl von einer „autoritär-populistischen“ Landtagsmehrheit aber durchaus wieder geändert werden.

Außerdem will das Thüringen-Projekt die Arbeitsfähigkeit des Landesverfassungsgerichts sichern, konsultative Volksbefragungen der Landesregierung verbieten und Unklarheiten zur Ministerpräsidentenwahl in der Landesverfassung beseitigen. Für Verfassungsänderungen wäre freilich eine Zweidrittelmehrheit im Landtag erforderlich.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 20.04.2024 - 06:42

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Ihr wollt es nicht lernen ?!? Mit der Dämonisierung der o.a. erreicht man gar nichts sondern macht die für diejehnigen, die der Regierung "eins auswischen wollen"nur interessant. Inhaltliche Auseinandersetzung ist gefragt zur antisozialen neoliberalen Politik dieser Leute; dazu muss man allerdings GLAUBWÜRGIG eine Alternative verteten !!!

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am So., 21.04.2024 - 10:31

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Ich wünsche dem Projekt viel Erfolg. Es wäre schlimm, wenn Höcke eine Mehrheit erhielte.

Besser wäre es noch, wenn er überhaupt nicht kandidieren dürfte, indem die Petitition bald Erfolg hätte oder er im derzeitigen Verfahren verurteilt würde.