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Sicherheitspaket: Wie 35 SPD-Abgeordnete auf den offenen Brief reagieren

In der vergangenen Woche hatten Kritiker*innen des Sicherheitspakets der Bundesregierung einen offenen Brief an die SPD veröffentlicht. Nun reagieren 35 sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete mit einer gemeinsamen Erklärung.

von Kai Doering · 30. September 2024
Fordern deutliche Änderungen am Sicherheitspaket der Bundesregierung: SPD-MdB Hakan Demir, Rasha Nasr, Ye-One Rhie und Jan Dieren (von oben links nach unten rechts)

Fordern deutliche Änderungen am Sicherheitspaket der Bundesregierung: SPD-MdB Hakan Demir, Rasha Nasr, Ye-One Rhie und Jan Dieren (von oben links nach unten rechts)

„Eintreten für Würde: Menschenrechte wahren, Asylrecht verteidigen, sozialdemokratische Werte leben!“ Unter diesem Titel hatten in der vergangenen Woche rund 50 Sozialdemokrat*innen – unter ihnen die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission Gesine Schwan und Juso-Chef Philipp Türmer – einen offenen Brief „an unsere Genoss*innen im Bundeskabinett, im Bundestag und im Willy-Brandt-Haus“ veröffentlicht. Anlass war das „Sicherheitspaket“, das die Bundesregierung nach dem islamistischen Anschlag in Solingen geschnürt hatte.

„Zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten abwägen“

Die Sorge der Initiator*innen und inzwischen knapp 12.500 Unterzeichner*innen: Mit den Maßnahmen des Sicherheitspakets könnte das Ziel, Bürger*innen zu schützen, genutzt werden, „um Menschen pauschal auszugrenzen, ganze Gruppen der Gesellschaft zu stigmatisieren und rassistische und fremdenfeindliche Narrative zu bedienen“. Die SPD und ihre Repräsentant*innen müssten sich deshalb für eine humane Asylpolitik einsetzen, „die keine rechten Fantasien von geschlossenen Grenzen reproduziert und stattdessen europäisches Recht sowie internationale Solidarität achtet“, so die Forderung.

35 Bundestagsabgeordnete haben nun am Montag mit einer gemeinsamen Erklärung auf den offenen Brief reagiert. „Auch wir halten den Kurs, der gerade in der SPD in der Migrations- und Asylpolitik eingeschlagen wird, für falsch“, schrieben die Abgeordneten gleichzeitig auf ihren Seiten in den sozialen Medien. Zwar seien einzelne Maßnahmen des Sicherheitspakets, wie die Verschärfung des Waffenrechts und das Unterbinden von Hass-Botschaften, richtig, doch „dabei müssen wir mit Augenmaß vorgehen und zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten abwägen“.

SPD-Fraktionsführung reagiert auf Kritik

Deutliche Kritik äußern die 35 Abgeordneten daran, dass Geflüchtete, die nach den Dublin-Kriterien kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, von Sozialleistungen ausgeschlossen werden sollen: Auch anlasslose Kontrollen, den Abgleich biometrischer Daten, Grenzkontrollen, Zurückweisungen und die Ausweitung von Inhaftierungen wird von den Sozialdemokrat*innen kritisiert. „Wer nach terroristischen Anschlägen mehr Grenzkontrollen, mehr Abschiebungen und mehr repressive Maßnahmen in der Migrationspolitik fordert, unterstellt falsche Zusammenhänge. So wird eine Spirale in Gang gesetzt“, fürchten die Abgeordneten.

Ursprünglich sollte der Bundestag bereits in der vergangenen Woche das Sicherheitspaket beschließen. Nach Bedenken in der Expert*innenanhörung wurde die Abstimmung jedoch verschoben. Ziel ist nun ein Beschluss in der zweiten oder dritten Oktoberwoche. „Letztlich war es uns als SPD-Bundestagsfraktion wichtig, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht und wir insbesondere auch die kritischen Stimmen ernst nehmen“, begründete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese im Interview mit dem „vorwärts“ die Verschiebung.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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2 Kommentare

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Di., 01.10.2024 - 14:01

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„um Menschen pauschal auszugrenzen, ganze Gruppen der Gesellschaft zu stigmatisieren"

Bei Corana war es komischerweise für die SPD kein Problem, Millionen ungeimpfte Menschen auszugrenzen und zu stigmatisieren. Auf eine Entschuldigung oder Aufarbeitung warten wir bis heute vergeblich. Warum soll für illegale Migraten etwas gelten, was für legale Bürger nicht gegolten hat?

Gespeichert von Harald Krebs (nicht überprüft) am Di., 01.10.2024 - 18:22

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Vieles kann ich nachvollziehen, aber 2 Punkte möchte ich anmerken:
1. Dass Geflüchtete, die nach den Dublin-Kriterien kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, von Sozialleistungen ausgeschlossen werden sollen: das wird auch Zeit, denn wenn ich richtig informiert bin, dann ist das in der EU die Ausnahme. Das ist ein erheblicher Pull-Faktor, nach Deutschland zu kommen. Außerdem: warum sollen Steuermittel dafür verwendet werden für Personen, deren Aufenthalt eindeutig rechtswidrig ist. Das ist ein Punkt, der den Rechtsstaat als - zurück haltend formuliert - schwach wirken lässt.
2. Haben die Unterzeichner vielleicht mal nachgedacht, dass das Thema der ungesteuerten Migration und fehlgeschlagener Integration (das war alles seit langem bekannt - ich erinnere an die Schimanski-Tatorte in den 90er Jahren) eine zunehmende Zahl von Menschen an unserem System zweifeln lässt?