Inland

Merz‘ Migrationspolitik: So reagieren Kirchen und Verbände

Nach dem Unions-Vorstoß in der Asylpolitik äußern sich nicht nur Politiker*innen kritisch: Auch unter den zivilgesellschaftlichen Verbänden ist die Empörung groß – und reicht bis in die Reihen der Kirchen. 

von Finn Lyko · 29. Januar 2025
Eine Abstimmung der CDU/CSU gemeinsam mit der AfD wäre ein Tabubruch, doch in der Zivilgesellschaft regt sich Widerstand.

Eine Abstimmung der CDU/CSU gemeinsam mit der AfD wäre ein Tabubruch, doch in der Zivilgesellschaft regt sich Widerstand.

„Wir befürchten, dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird“ – das erklärten Berliner Vertreter*innen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Bischofskonferenz in einer gemeinsamen Stellungnahme. Welches Versprechen hier gemeint ist? Die Brandmauer gegen Rechtsaußen, also der Konsens der demokratischen Parteien, dass mit der AfD in keiner Weise zusammengearbeitet wird. Dieses Versprechen galt bisher auch für Abstimmungen im Parlament, und CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz möchte es brechen, indem er ankündigte, für seine Anträge für einen härteren Migrationskurs auch Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen.

Auf die Ankündigung des CDU-Chefs folgte bereits Anfang der Woche scharfe Kritik vor allem aus den Reihen der SPD, der Grünen und der Linken. Doch auch zivilgesellschaftliche Verbände haben Merz‘ Vorhaben scharf kritisiert – und nun positionieren sich selbst die großen christlichen Kirchen und christliche Verbände gegen die Pläne des Christdemokraten. So warnte etwa Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch in einer Pressemitteilung vor „migrationspolitischen Schnellschüssen“ und mahnte im Namen des Wohlfahrtsverbands der evangelischen Kirchen zu einer sachlichen Diskussion, die „der Demokratie keinen Schaden zufügt“.

Pro Asyl: Merz‘ Pläne rechtswidrig und demokratiegefährdend

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bezeichnete die geplanten Anträge der Union für mehr Zurückweisungen an deutschen Grenzen als „rechtswidrig, populistisch, europafeindlich und demokratiegefährdend“. „Die sogenannte Brandmauer droht zu zerbröseln“, erklärte der Verein, denn Merz nehme die Unterstützung von „Rechtsextremen als Mehrheitsbeschaffer“ in Kauf. An die demokratischen Parteien appellierte Pro Asyl: „Setzen Sie ein klares Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte“.

Auch das Zentrum „Überleben", das Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS) und der Flüchtlingsrat Berlin mahnten gemeinsam zu Sachlichkeit in der Debatte und erklärten zu der Messerattacke von Aschaffenburg: „Mit größter Sorge betrachten wir die Instrumentalisierung der Tat für parteipolitische Zwecke“. Die aktuelle Debatte habe sich derart verschärft, dass sie „an den Grundfesten unseres demokratischen Konsenses“ rüttele.

Sozialverbände mahnen zum Erhalt der Brandmauer

Sozialverbände wie der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) bezogen ebenfalls klar Stellung gegen die Pläne des CDU-Chefs und mahnten zum Erhalt der Brandmauer. „Verfassungsfeinde dürfen nicht zum Zünglein an der Waage im politischen Prozess gemacht werden“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes Joachim Rock. Die aktuell diskutierten Vorschläge seien „fragwürdig“ und „zum Teil rechtswidrig“, so Rock, sie seien „Symbolpolitik, die Extremismus salonfähig macht“.

AWO-Präsident Michael Groß positionierte sich in einer Pressemitteilung ebenso deutlich. „Friedrich Merz agiert dieser Tage geschichtsvergessen und populistisch“, so Groß. „Offenbar plant Herr Merz, zusammen mit seinen irrlichternden Vorschlägen auch die von ihm oft hochgehaltene „Brandmauer“ gegen den Faschismus einzureißen“, erklärte er. Insbesondere wenn sich zeitgleich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal jährt, sei dies „beschämend“. Die AWO fordere daher „alle vernünftigen Kräfte in den Unionsparteien“ dazu auf, die Brandmauer zu erhalten.

Amadeu Antonio Stiftung: Grund- und Menschenrechte gelten für alle

Anstatt sich mit den Ursachen von Attacken wie der in Aschaffenburg, als ein polizeilich auffälliger Zugewanderter zwei Menschen tötete, auseinanderzusetzen, „machen sich Friedrich Merz und die CDU rassistische Argumentationen zu eigen“, betonte auch die Amadeu Antonio Stiftung. Grund- und Menschenrechte gelten für alle, egal „ob geflüchtet, eingewandert oder hier geboren“, so die Stiftung. „Es ist niederträchtig, Rassismus gegenüber Schutzbedürftigen als Katalysator für kleinste politische Landgewinne zu instrumentalisieren“, erklärte sie weiter.

Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, erklärte, die europäische Dublin-Verordnung schreibe die Zuständigkeiten für Asylanträge auf EU-Ebene vor. „Wenn die CDU fordert, diese Regeln zu missachten, ruft sie damit faktisch zum Rechtsbruch auf“, so Duchrow. Die Pläne der Unionsparteien seien „geschichtsvergessen“ und „brandgefährlich“, sowohl für die Rechtsstaatlichkeit als auch für den europäischen Zusammenhalt.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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Gespeichert von Reinhard Rösch (nicht überprüft) am Mi., 29.01.2025 - 20:56

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Bisher wusste ich nicht, was ich wählen sollte. Jetzt weiß ich sicher, dass es nicht die CDU sein wird. Herr Merz ist als Kanzler völlig ungeeignet, denn er ist zu impulsiv und wortbrüchig. Vor kurzem noch redete er vollkommen anders. Einem Wendehals vertraut man nicht! Nach Putins Angriff forderte er den sofortigen Stopp russischen Gases. Ohne Ersatz-Energie wäre dies eine Katastrophe für Deutschland gewesen! Ebenso forderte er die schnelle Lieferung des Taurus-Waffensystems. Das hätte früh eine Ausweitung des Ukraine-Krieges bedeutet. Dieser Mann kann nicht Kanzler, sondern er ist eine Gefahr für unser Land! Angela Merkel hat dies früh erkannt und ihn abserviert, obwohl auch sie viele Fehler machte (Ungeregelte Migration, vorschneller Atomausstieg, Nordstream, Vernachlässigung Infrastruktur, .. ) Leider hat die CDU nur Marionetten statt Persönlichkeiten, um Merz zu bremsen. Der Schuss geht nach hinten los! Die AfD bekommt Zulauf. Christen wählen Merz nicht. Gut für andere Parteien!

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