Gewalt gegen Politiker*innen: Warum Matthias Ecke kein Einzelfall ist
Am Donnerstag hat der Bundestag über die zunehmende Gewalt gegen Politiker*innen und andere ehrenamtlich Engagierte diskutiert. SPD-Chef Lars Klingbeil gab dabei der AfD eine Mitschuld an der Entwicklung. Eine aktuelle Mahnung kommt aus dem Ausland.
IMAGO / dts Nachrichtenagentur
SPD-Chef Lars Klingbeil: „Wer die Demokratie angreift, muss sofort bestraft werden.“
Als der Bundestag am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde über das Thema „Bedrohung unserer Demokratie – Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte“ diskutiert, geht der Blick ein ums andere Mal ins Ausland. Am Vortag wurde der slowakische Regierungschef Robert Fico bei einem Attentat schwer verletzt. Verantwortlich gemacht wird dafür auch die aufgeheizte Stimmung in der Slowakei, die das Land zunehmend spaltet.
Lars Klingbeil: „Matthias Ecke ist kein Einzelfall.“
Sie sei „erschüttert“ über das Attentat sagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und schickt im Namen der Bundesregierung Genesungswünsche an Robert Fico. In Deutschland hatte der Angriff auf Matthias Ecke für Entsetzen gesorgt. Am Abend des 3. Mai war der SPD-Europaabgeordnete beim Aufhängen von Wahlplakaten angegriffen und so schwer verletzt worden, dass er operiert werden musste.
„Matthias Ecke ist kein Einzelfall, er ist der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich über viele Jahre angedeutet hat.“ Darauf weist am Donnerstag der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hin. Bereits 2020 hatte er, damals noch als Generalsekretär seiner Partei, zu einem runden Tisch für bedrohte Kommunalpolitiker*innen eingeladen. Seitdem habe sich die Situation weiter zugespitzt.
„Wer die Demokratie angreift, muss sofort bestraft werden.“
Verantwortlich macht Klingbeil dafür auch die AfD. „Die AfD hat angekündigt ‚Wir werden sie jagen‘“, erinnert der SPD-Chef. „Jetzt wird gejagt.“ Es sei deshalb wichtig, mit aller Härte gegenzuhalten. Niemand, der sich in diesem Land ehrenamtlich engagiert, dürfe Angst haben, fordert Klingbeil. Daran müsse die Politik konsequent arbeiten, etwa durch Verschärfungen beim Strafrecht. „Wer die Demokratie angreift, muss sofort bestraft werden“, sagt Klingbeil. Und: „Niemand, der sich in unserem Land für die Demokratie engagiert darf Angst um seine eigene Sicherheit haben.“
Nach Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) wurden im vergangenen Jahr insgesamt 2.790 Angriffe auf Politiker*innen der im Bundestag vertretenen Parteien registriert. Darauf weist Rita Schwarzelühr-Sutter, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, hin. „Wir erleben eine Verrohung im Umgang mit Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen“, kritisiert Schwarzelühr-Sutter. „Das ist ein absolutes No-Go.“ Der Rechtsstaat müsse darauf mit Härte reagieren. Schwarzelühr-Sutter macht aber auch klar: „Wer demokratische Politikerinnen und Politiker zu Freiwild erklärt, trägt eine Mitschuld.“
Katja Mast: „Rückzug ist die falsche Antwort.“
Nach den Zahlen des BKA wurden Mitglieder der Grünen im vergangenen Jahr in 1.219 Fällen Ziel politisch motivierter Angriffe, gefolgt von der AfD (478) und der SPD (420). Opfer von körperlichen Gewalttaten wurden 2023 am häufigsten AfD-Politiker*innen (86), gefolgt von Vertreter*innen der Grünen (62) und der SPD (35). „Gewalt ist keine Antwort gegenüber niemanden, egal von welcher Partei“, sagt deshalb die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, und ergänzt: „Das Klima wird für alle rauer.“ Darauf brauche es politische Antworten.
Mast plädiert am Donnerstag dafür, „für ein Klima (zu) sorgen, in dem sich Menschen gern zu Wort melden“. Dafür brauche es mehr Widerspruch im Alltag, etwa gegen rassistische Äußerungen. „Nur wer schweigt, unterstützt Hass und Hetze“, so Katja Mast. „Der Rückzug ist die falsche Antwort, wenn es um unsere Demokratie geht.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.