Inland

Ausstellung über NS-Zeit: Dietmar Woidke hofft auf starkes Signal gegen Rechts

In der früheren Haftanstalt Cottbus ist eine neue Ausstellung zur NS-Zeit zu sehen. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus kommt der Gedenkstätte eine besondere Rolle zu, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.

von Nils Michaelis · 10. Juli 2024
Dietmar Woidke in Cottbus

Bewegende Begegnung in der früheren Cottbuser Haftanstalt: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (rechts) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Mitte) mit Hinterbliebenen ehemaliger Insassinnen. 

Im Januar 1939 tritt Gertrud Levy ihre Untersuchungshaft im Frauengefängnis Cottbus an. Die Justiz wirft ihr ein „Devisenvergehen“ vor. In Wahrheit wollte die Schneiderin ihren ebenfalls jüdischen Freundinnen Geld und Kleidung nach Polen schicken. Zehn Wochen später erhängt sich Gertrud Levy in ihrer Zelle. Die Haftbedingungen waren für sie unerträglich geworden.

An dieses und weitere Schicksale erinnert die überarbeitete Dauerausstellung in der früheren Haftanstalt Cottbus. In dieser Woche wurde sie eröffnet. Erstmalig wird die Zeit zwischen 1933 und 1945 intensiv beleuchtet. Damals wurden dort rund 10.000 Frauen festgehalten, sei es aus politischen Gründen oder wegen an sich belangloser Delikte. 

Unter anderem veranschaulichen Kurzbiografien ein Unterdrückungssystem aus drakonischen Strafen und einem unwürdigen Alltag hinter Gittern. Frauen jüdischen Glaubens oder osteuropäischer Herkunft hatten besonders zu leiden. Für viele Insassinnen war der 1860 errichtete Bau eine Zwischenstation in den Tod, nach der Haft folgte oft die Einweisung in ein Todeslager. Auch zu DDR-Zeiten wurden im Frauengefängnis politisch missliebige Menschen eingesperrt.

Ein Tag der Begegnung

Der Tag der Eröffnung ist auch ein Tag der Begegnung. Hinterbliebene sind in die Lausitz gekommen, um den Ort kennenzulernen, wo ihre Angehörigen gelitten haben. Sie treffen Vertreter*innen des Menschenrechtszentrums Cottbus. Der Verein ist Träger der von Bund und Land geförderten Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus und Eigentümer des Komplexes. Mit dabei sind auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). 

In Zeiten eines erstarkenden Rechtsextremismus kommt es erst recht darauf an, die Verletzung von Menschenrechten in Deutschland aufzuarbeiten. Das macht Woidke an diesem Tag klar. Das Wissen darum zu erweitern und zu vermitteln sei ein elementarer Teil des Engagements für Demokratie. Diese Aufgabe sei auf dem Cottbuser Areal gut aufgehoben.

Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl am 22. September nimmt sich viel Zeit. Er spricht mit den aus den USA, Norwegen und anderen Ländern angereisten Nachfahren der inhaftierten Frauen und nimmt an der feierlichen Eröffnung der neuen Dauerausstellung teil. 

Historischer Auftrag

„Sie hat gerade den nachwachsenden Generationen viel zu sagen“, sagt er nach einem Rundgang. „An diesem Ort wird die Bedeutung von Freiheit und Demokratie deutlich.“ Beides sei nicht selbstverständlich. „Den Rechtsextremismus entschieden zu bekämpfen, das ist der historische Auftrag, der aus diesem Ort erwächst.“

Angesichts der jüngsten Wahlerfolge der AfD warnt Woidke bei diesem und anderen öffentlichen Auftritten immer wieder vor einem Rechtsruck. „Rechtsextremismus und Rassismus sind nach wie vor die größte Gefahr für die Demokratie und das friedliche Zusammenleben in Brandenburg“, heißt es im Regierungsprogramm der Landes-SPD für die kommenden fünf Jahre. Deshalb sei es wichtiger denn je, zivilgesellschaftlichen Kräften den Rücken zu stärken, die sich für ein zukunftsorientiertes Miteinander einsetzen. 

Der Blick in die Zukunft wird auch in Cottbus wird immer wieder beschworen. Um die Demokratie zu schützen, braucht es überzeugte Demokrat*innen, davon ist man hier überzeugt. Woidke und Roth zeigen sich überzeugt, dass dieser nun um reichlich Stoff zur Zeit des Nationalsozialismus ergänzte Ort entscheidend zur Demokratieerziehung beitragen wird. „Je näher an der Praxis, desto besser“, so Woidke. Er wuchs wenige Kilometer entfernt auf und habe nun eigene Wissenslücken geschlossen, erzählt er.

Lernen vor Ort

Die Cottbuser Bürgermeisterin Marietta Tzschoppe lobt Woidkes Einsatz für ein demokratisches Miteinander. Auch sie misst dem Gedenkort eine große Bedeutung bei. „Hinter diesen Mauern lernt man mehr als in Schulbüchern“, sagt die Sozialdemokratin dem „vorwärts“. 

Nicht nur in der Region, sondern in ganz Deutschland und Europa sei die Demokratie in Gefahr. Angesichts der Bedrohung durch Fake-News, Geschichtsklitterung und Verschwörungstheorien komme es darauf an zu zeigen, was Verfechter*innen rechtsextremer Ideologen anrichten können, wenn sie erst einmal an der Macht sind. „Rechtsextremismus ist keine Alternative“, mahnt Tzschoppe. Dieses Signal solle von dem alten Gemäuer mit dem in die Zukunft gerichteten Auftrag ausgehen.

Weitere interessante Rubriken entdecken

2 Kommentare

Gespeichert von Irmela Mensah… (nicht überprüft) am Do., 11.07.2024 - 07:00

Permalink

Mit einer Hoffnung allein ist es nicht getan! Solange Politiker sich immer nur darauf beschränken auf eine "starke Zivilgesellschaft" zu hoffen und diese zu fordern, aber gleichzeitig hierzulande Engagierte laufend (eben auch in Brandenburg!!!) für ihr - eben dieses - geforderte Engagement kriminalisiert und zivilgesellschaftliche Projekten die Finanzierung 'gekappt' werden, ist dies wohl alles andere als eine glaubwürdige Aktion unserer bundesdeutschen Politik!
Zudem - mit mit allein symbolischen Bildungsprojekten ist es nicht getan!

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Fr., 12.07.2024 - 14:43

Permalink

"Dietmar Woidke hofft auf starkes Signal gegen Rechts"

Was genau ändert die Ausstellung jetzt an den aktuellen Problemen in Deutschland, die leider nur die "Rechten" ansprechen?